Der Ablauf ist jedes Jahr der gleiche, aber dieses Mal gab es entscheidende Abweichungen vom Programm. Der Steigemer Funken ist der älteste in der Region, im Jahr 1935 brannte im Ortsteil Steigen der erste seiner Art. Also hatte man für den Samstagabend zur Jubiläumsfeier mit größerer Gästezahl in Viktor Mertkes Werkstatt eingeladen. Dort gab es neben allerlei Nahrhaftem auch eine Bildershow zu genießen, die die Funkeneinsätze der letzten Jahrzehnte und viele vormals Beteiligte wieder lebendig werden ließen. Die Altfunkenbuben Fritz Blum und Matthias Heidenreich, beide seit Kindertagen dabei, schöpften aus ihrem reichhaltigen Fotofundus, und die Funkenrunde steuerte unter Blums unterhaltsamer Moderation manch fröhliche Erinnerung an vergangene Zeiten und längst entschwundene Steigener bei.

Über die Jahre verschiedene Standorte

Wie man dabei sah, hatte der Funkenplatz im Lauf der Jahrzehnte öfter seinen Ort gewechselt, vom Eck bei der Haarnadelkurve über einen Platz oberhalb des Föhrenbühls – „Kamelhöcker“ genannt – bis zum Silberberg-Rücken. Seit 15 Jahren funkt es unterhalb des Föhrenbühls auf einem aussichtsreichen kleinen Plateau. Es gab Zeiten, da war in den Funkenturm unten ein kleiner Hohlraum für den Aufenthalt eingebaut. Davon wurde aber später aus Gefahrengründen Abstand genommen, ebenso wie von dem Nebenritus des „Scheibenschlagens“: Da wurde noch bis zum Jahr 2010 von geschickten Buben eine brennende Holzscheibe über eine hölzerne Rampe talwärts geschleudert. Bei der Mannschaftsstärke der Funkentruppe gab es über die Jahre hinweg auch Durststrecken, erst in den vergangenen Jahren hat der Brauch wieder kräftigen Zulauf erfahren.

Bis 2010 gehörte noch das Scheibenschlagen zum Funkenbrauch dazu. Im Bild schlägt Karl-Franz Stefan.
Bis 2010 gehörte noch das Scheibenschlagen zum Funkenbrauch dazu. Im Bild schlägt Karl-Franz Stefan. | Bild: Fritz Blum

Der Abend bei Viktor Mertkes diente freilich auch der Erholung, denn die Funkentruppe hatte tagsüber mächtig „gschafft“. Am Vormittag traf man sich oben am Segelflugplatz, um mit Fürstenbergischer Erlaubnis Stangenholz für das Funkengerüst einzuholen. Fleischkäsweckle aus der Feldküche von Silke und Günter Schatz und Flüssiges bremsten zwischendurch das Schwinden der Kräfte. Mit rund 25 Funkenbuben bemannt – eine junge Dame war dabei -, zogen vier Traktorgespanne durch den Forst. Jedes zweimal beladen verfrachteten sie das Langholz zur Funkenwiese.

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Zentralen Mast als erstes aufgerichtet

Der Funkensonntag ging zunächst damit herum, das Gartenschnittgut abzuholen, das die Steigener vor ihren Häusern deponiert hatten. Schon gegen Mittag hatte sich so viel Brennmaterial – übrigens frei von Lack- und Metallanhaftungen – am Funkenort angesammelt, dass man sich fragen mochte, wie denn das alles in eine stabile Senkrechte gebracht werden sollte. Aber die in 90 Jahren gewachsene Expertise im Funkenbau vertrieb schnell jeden Zweifel. Funkenbuben sind eben keine Narren. Als erstes wurde der zentrale Mast aufgerichtet, an dessen Kulminationspunkt die Hexe Wohnung beziehen sollte.

Die vielen Steigemer Funkenbauer nach vollbrachter Tat.
Die vielen Steigemer Funkenbauer nach vollbrachter Tat. | Bild: Fritz Blum

Da aber wurde die zweite Abweichung von der traditionellen Zeremonie sichtbar. Thea Heidenreich als Gattin von Funkenmeister Mark Wilkendorf hatte sich als Zuständige vorab schon mit dem widrigen Gedanken beschäftigt, eine weibliche Schandfigur verfertigen zu müssen, und Vater Matthias hatte die schmerzlindernde Idee geboren, dafür ein Neutrum einzuführen: „das Hex“. Die Lösung dieses semantischen Problems bestand nun aber – jedenfalls für dieses Mal – darin, eine aus feierlichem Anlass von Simon Eilmus gezimmerte „90“ an der Krone zu montieren.

Funkenbau ist harte Arbeit, sorgt für Hunger und Durst. Folglich gab es am Funkenplatz – für manche noch wichtiger als das Hauptfeuer – ein Nebenfeuer, das vielerlei Lebensmittel in eine gegrillte Genussform überführte. Funkenbau ist auch enorm geselligkeitsfördernd, zumal bei allerfeinstem Wetter wie am Wochenende. Bis zum Abend hatten sich schon zahlreiche Besucher eingefunden und die Nährmittelvorräte aufgefüllt.

Altoberfunkenbube Matthias Heidenreich am Nebenfeuer in seinem Element.
Altoberfunkenbube Matthias Heidenreich am Nebenfeuer in seinem Element. | Bild: Hartmut Ferenschild

Besonders auffällig sind die vielen Kinder, die an beiden Tagen das Geschehen umwuselten. Der Nachwuchs ist hier nicht bloß geduldet, sondern sehr erwünscht, denn der Funkensamen soll den Fortbestand des Brauches für kommende Zeiten sichern. Ab 19 Uhr dann flammte der 90. Steigemer Funken – stattlicher denn je – seiner heißen Bestimmung entgegen. Nicht nur aus Gründen der Funkenwache saß man noch bis tief in die Nacht zusammen, und das von Helmut Jung erdichtete „Steigemer Funkenlied“ tönte in den Linzgau hinaus.