Die Stadt sucht „Stadthelden“: Bürger, die sich ehrenamtlich für Markdorf engagieren wollen. Bürgermeister Georg Riedmann stellte die Aktion der Verwaltung am Samstag beim Neujahrsempfang der Stadt im Bildungszentrum vor, im Eingangsbereich konnten sich die Besucher an einem Infotisch bereits in entsprechende Listen eintragen.
Der erste öffentliche Festakt des neuen Jahres begann am späten Vormittag mit einer gewaltigen Resonanz: Die Aula war komplett gefüllt, nicht wenige Besucher mussten die Reden von Riedmann und Gastredner Gregor Gysi sowie die Einlagen der Bürgermeister-Stellvertreterinnen und des Musikvereins Riedheim stehend an den Zwischentüren zum Eingangsfoyer verfolgen, so groß war der Andrang. Waren bei der Premiere im BZM im Vorjahr rund 400 Besucher gekommen, so mussten es diesmal weit über 500 gewesen sein. Gut möglich, dass der illustre Name des bisherigen Linken-Abgeordneten und Berliner Politpromis die Menschen in Scharen nach Markdorf strömen ließ – auch aus den umliegenden Nachbarorten.

Riedmann: Raus aus dem „Kinosessel“
Mit den „Stadthelden“ wolle man eine neue Plattform etablieren, sagte Riedmann. Für das Projekt habe man den FW-Stadtrat Jens Neumann als „Botschafter“ gewonnen, der die Koordinierung übernehme. Weg vom „Rückzug hinein in den Kinosessel des passiven Beobachters“ sei der Leitgedanke hinter der Idee, kündigte Riedmann in seiner Rede an, die er zu großen Teilen den Themen des bürgerschaftlichen Engagements und den Wegen heraus aus der allgemeinen Politikverdrossenheit widmete. Nur „am Stammtisch darüber zu schwadronieren, was man alles besser machen könne und was alles falsch läuft, in der Straße, in der Stadt, im Land, in Europa und in der Welt“ sei doch „Käse“. Das Gemeinwesen könne nur funktionieren „durch das gemeinsame Mitwirken aller“.

Blick auf die Kommunalwahlen
Gerade in einem Jahr mit Kommunalwahlen wie 2024 müsse man die Bedeutung der Arbeit der Ortschafts- und Gemeinderäte herausheben, so Riedmann. Kommunalpolitik lasse sich nur gestalten, wenn Menschen bereit seien, „mitzumachen und Verantwortung zu übernehmen“. Er wolle daher jeden und jede ermuntern, auch über die Wahrnehmung des passiven Wahlrechts nachzudenken: „Stellen Sie sich als Kandidaten zur Verfügung“, appellierte er ins Publikum. Je mehr Menschen sich engagieren, umso vielfältiger werde das Meinungsspektrum „und desto mehr können wir auf der kommunalen Ebene die Interessen der gesamten Stadtgesellschaft abbilden“.

Seinen flammenden Appell für mehr bürgerschaftlichen Einsatz begleitete Riedmann (CDU) am Samstag mit durchaus kritischen Ausführungen über die Gründe, weshalb sich die Stimmung im Land so negativ entwickelt habe. „Das macht mir große Sorgen“, bekannte er. „Viele hören gar nicht zu, haben gar kein Interesse am Zuhören.“ Dies betreffe sowohl die Bürger selbst, aber auch die Politiker in Berlin. Anstatt die Ängste und Sorgen der Bürger wahr- und ernstzunehmen, werde „schulmeisterlich belehrt“. Dieses nicht Zuhören trage aber „eine große Mitverantwortung für den Vertrauensverfall der Bevölkerung in die Politik“ – und dies wiederum treibe die Menschen „in Scharen zu den Populisten“.
Riedmann warb dafür, Menschen, die eine andere Meinung als man selbst hätten oder die sich außerhalb des Korridors der Mehrheitsmeinungen bewegten, nicht auszugrenzen, denn: „Von dieser Ausgrenzung profitieren nur die Extremisten.“

50 Jahre Partnerschaft werden gefeiert
Den Bogen quer über die großen lokalen Themen sparte der Bürgermeister diesmal aus. Dafür widmete er eine längere Passage dem dieses Jahr anstehenden 50-jährigen Partnerschaftsjubiläum mit Ensisheim. Diese „goldene Hochzeit“ wolle man in Markdorf zum Anlass nehmen, „die Pflege der Freundschaft wieder ganz bewusst zu leben und nach außen zu tragen“. Im Frühjahr und Herbst seien gegenseitige Besuche geplant. „Lassen Sie uns optimistisch ins Jahr 2024 blicken“, warb Riedmann.
Brigitte Kuhlburger, stellvertretende Bürgermeisterin der elsässischen Partnerstadt, nahm den Ball in ihrem Grußwort auf: „50 Jahre und immer noch sprudeln die Ideen, was unsere Partnerschaft noch weiter bringen könnte“, freute sie sich. Beim anschließenden Stehempfang bei Häppchen und Markdorfer Wein trafen sich Besucher und die vielen Gäste aus Politik und Wirtschaft noch zum regen Austausch, bis weit in den Nachmittag hinein.