Pfarrer Ulrich Hund hatte es als völlig normale Spendenübergabe geplant. Gut 3500 Euro waren beim Pfarrfest vor der St.-Nikolaus-Kirche im Juni zusammengekommen. Dafür dass die Feier kleiner ausgefallen war als sonst – neben der Baustelle der Mittleren Kaplanei war man gezwungen zusammenzurücken –, dafür waren die Einnahmen aus dem Verkauf von Kaffee und Kuchen, Kartoffelsalat und Würsten doch beachtlich.
Aufgeteilt in ziemlich gleiche Teile, sollte das Geld an die Ministranten, an den Bauförderverein Mittlere Kaplanei und an die Markdorfer Tafel gehen. Evi Gräble-Kopp, die im Organisationsteam der Gemeinde für das Pfarrfest engagiert ist, erklärt, man habe die Tafel ausgewählt "weil wir deren Anliegen, sich für die sozial Schwachen einzusetzen, wirklich sehr schätzen".
Eine ganz normale Spendenübergabe wurde es dann aber nicht. Gestern Morgen hatten zahlreiche Medien aufgegriffen, was Jochen Brühl in einem Interview gesagt hatte. Laut des Vorsitzenden des bundesdeutschen Tafelverbandes hat sich die Zahl der Rentner unter den Tafel-Kunden in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Unter den 1,5 Millionen Empfängern gespendeter Lebensmittel sind 350 000 Senioren. Für die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, ein deutliches Zeichen für eine stark voranschreitende Altersarmut.
Dass diese Altersarmut sich auch in Markdorf breit macht, das beklagte Günther Wieth, der Vorsitzende des Vereins Zukunftswerkstatt, der die Markdorfer Tafel trägt. Wieth wiederholte gestern seine Beobachtung, die er bereits vor wenigen Wochen beim Tag der offenen Tür im Tafel-Laden geäußert hatte: "Viele schämen sich zu kommen – sie haben Angst, dass sie hier jemandem begegnen." Patricia Schnekenbühl, vielfältig in der Kirchengemeindearbeit engagiert, bestätigt den Eindruck wachsender Altersarmut in der Stadt. Sie teilt den Eindruck Wieths, "dass der Besuch im Tafelladen als Demütigung empfunden wird". Am Ende eines durch Arbeit geprägten Lebens falle es schwer, sich selbst die eigene Bedürftig einzugestehen. "Ich geh doch nicht betteln", zitiert Evi Gräble-Kopp eine vielfach gehörte Ansicht. Die Scheu davor, die eigene Altersarmut einzugestehen, sei in einer so überschaubaren Gemeinde wie Markdorf wohl kaum abzubauen, vermutet Patricia Schnekenbühl: "Da haben es die Leute in den anonymen Großstädten bestimmt leichter."
Die Tafel
Seit 2001 verteilt die Markdorfer Tafel als von der Zukunftswerkstatt getragene Einrichtung Lebensmittel an Bedürftige. Derzeit kommen wöchentlich 90 Tafelausweis-Inhaber und holen Brot, Gemüse, Obst und Milchprodukte für ihre Familien, sodass sich der Empfängerkreis auf rund 300 Menschen ausweitet. Zurzeit sind es über 70 Mitarbeiter, auf die sich die Tafel stützt. Sie holen Woche für Woche Lebensmittel ab und verteilen sie jeden Donnerstag.
Zum Kreis der Empfänger gehören vor allem Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Menschen ohne Berufsausbildung und in wachsendem Maße Senioren, deren Renten kaum mehr für die Alltagsausgaben reicht. Laut Sozialverband VdK ist die Zahl der Rentner, die eine Grundsicherungsleistung beziehen, von 370 000 im Jahr 2006 auf heute 520 000 angestiegen.