Nicole Burkhart

Herr Dambacher, warum haben Sie sich gerade für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) entschieden?

Um ehrlich zu sein, wollte ich während der Abiturzeit auf gar keinen Fall ein FSJ machen (lacht). Zum einen habe ich zuerst nur mein Abitur vor Augen gehabt. Als das dann bestanden war, merkte ich plötzlich, dass das Leben auch nach dem Abitur weitergehen wird. Zum anderen habe ich mich zwar viel informiert über meinen Berufswunsch Lehrer oder Pilot, blieb aber weiterhin unschlüssig. Nur ein FSJ wollte ich aufgrund des schlechten Rufs sicher nicht machen, ansonsten erst einmal jobben und so mein Geld verdienen.

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Und wie kam es dann doch dazu?

Ich habe nicht konkret danach gesucht. Eines Tages stand ich mit unserer Gemeindereferentin Stefania Menga vor der Kirche und sie fragte natürlich auch, wie es bei mir nun weitergeht. Da habe ich ganz flapsig gesagt, ob sie nicht noch eine Stelle für mich frei hat. Sie hat das dann aber ernst genommen und sehr viel in die Wege geleitet. Gemeinsam mit Alexander Kleber, dem Jugendreferenten im katholischen Jugendbüro, hat sie die Stelle in vielen Gremien durchgeboxt. Es war ein langer Weg, doch dank des großen Einsatzes der beiden gelang es. Im Urlaub erhielt ich dann die Nachricht, dass es klappt. So hatten wir die erste FSJ-Stelle in der Seelsorgeeinheit zusammen mit dem Katholischen Jugendbüro Linzgau geschaffen.

Hat sich Ihr Bild vom FSJ inzwischen geändert?

Absolut. Das FSJ hat bei vielen einen schlechten Ruf, so nach dem Motto „Du bist der Zivi zum Kopieren und Kaffee kochen“. So war es bei mir aber gar nicht. Frau Menga hat auch immer schon gesagt: „Für uns bist du mehr als nur ein FSJler.“ Sie hat mich als ganze Person gesehen und so wurde ich auch von allen behandelt. Die praktische Erfahrung aus diesem knappen Jahr habe ich nicht aus acht Jahren Schule mitgenommen. Und im Nachhinein war die Erfahrung für mich mehr wert als das Geld, das ich in der Zeit hätte verdienen können. Von Anfang an habe ich sowohl im Pfarrbüro als auch im Jugendbüro nur Aufgaben mit Verantwortung übertragen bekommen.

Die da wären?

Stark eingebunden war ich in die Firmung: Angebote, Feste und Gottesdienste zu organisieren und durchzuführen gehörte dazu. „Sternstunden“ während der Adventszeit anbieten, als Impulse zum Entschleunigen. Auch beim ökumenischen Jugendkirchenschiff war ich mit im Orga-Team. Beim Gruppenleitergrundkurs habe ich die Einheit „Spiritualität in der Gruppenstunde“ geleitet. Dann natürlich zusammen mit dem Koordinationskreis die Organisation der großen 72-Stunden-Aktion im Dekanat Linzgau, die bundesweit im Mai stattgefunden hat. Ganz spannend und toll fand ich auch die Hospitation im Religionsunterricht der Jakob-Gretser-Grundschule.

Klingt sehr abwechslungsreich und interessant.

Auf jeden Fall. Die FSJ-Stelle war wirklich ein erfolgreiches Pilotprojekt und ich bin froh, dass auch schon ein Nachfolger für mich gefunden wurde. Klar, eine Verbindung zu Liturgie und der katholischen Kirche sollte schon vorhanden sein. Das besondere an der Stelle ist auch, dass man so viel mit Menschen in Kontakt kommt, und zwar mit allen: Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Menschen. Arbeit mit Menschen ist so unfassbar wertvoll für mich. Verbunden mit dem Glauben lerne ich jeden Menschen als jemanden Besonderen kennen, mit all seinen spannenden Eigenschaften. So konnte ich zum Beispiel auch den Jugendlichen im Firmprojekt zeigen, dass Glaube nicht peinlich sein muss.

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Wie sind Sie selbst zum Glauben gekommen?

Zum einen wurde ich schon christlich erzogen, meinen Eltern war es wichtig, uns gewisse Werte zu vermitteln. Die eigentliche Schnittstelle war dann aber meine eigene Firmung. Der damalige Vikar Sebastian Feuerstein begeisterte mich vom Glauben. Vor allem weckte er die Frage in mir, wie ich denn dazu stehe. Er brachte mich dazu, intensiv darüber nachzudenken. So erlebte ich meinen Glauben aus einer völlig neuen Sichtweise.

Das Bild der Kirche ist gerade jedoch mehr als angekratzt.

Das stimmt. Die Kirche an sich hat es momentan nicht leicht. Das merkt man auch, wenn man täglich damit zu tun hat. Leider wird dabei aber oft übersehen, was auch alles gut in der Kirche läuft, was die Kirche alles Gutes tut – zum Beispiel die 72-Stunden-Aktion – und worauf es eigentlich ankommt: die Gemeinschaft und der Glaube. Umso schöner ist es, zu sehen, dass es weiterhin Menschen gibt, die sich trotzdem aktiv in der Kirchengemeinschaft beteiligen, die Glaube mitgestalten und Dinge in die Hand nehmen wollen. Schön ist es zu sehen, wenn jemand auch nach der Firmung „hängenbleibt“ oder wenn sich zwei Menschen vor dem Altar das Ja-Wort geben. So etwas zu begleiten macht mir besonders viel Spaß!

Begleiten heißt?

An der Orgel. Ich bin Kirchenmusiker und spiele aktuell in Markdorf und Kluftern bei Gottesdiensten.

Orgel – klingt nicht gerade nach dem typischen Musikinstrument eines jungen Erwachsenen.

Nein. Aber eine Orgel kann wahnsinnig viel. Musik begleitet uns jeden Tag und schafft so viel Emotionen. Für mich ist Beten im Gesang beziehungsweise mit Musik dadurch am intensivsten. Sowohl Klassik als auch moderne Stücke sind mit der Orgel möglich und Kirchenmusik kann so viel Kraft haben. Nachdem ich zuvor lange nur am Keyboard saß, war das erste Stück auf der Kirchenorgel wie das Umsteigen vom kleinen Fiat auf einen Porsche (lacht). Als Organist bist du ein Dirigent deines eigenen kleinen Orchesters.

Was ist inzwischen aus Ihren Berufsplänen geworden?

Auch hier hat mir die „Auszeit“ total geholfen, mir klar zu werden, was ich will. Ich habe mich viel informiert über beide Berufe. Ich hatte viele Gespräche mit Piloten und habe im Religionsunterricht hospitiert. Inzwischen ist klar, dass Pilot wohl mein verborgener Traum bleiben wird. Ich liebe es, zu fliegen, andere Kulturen kennenzulernen. Auch der Full-Flight-Simulator hat mich extrem begeistert. Die große Verantwortung, das nötige Selbstbewusstsein, so viele Menschen zu transportieren. Allerdings denke ich tatsächlich schon weiter. Ich brauche einen geregelten Arbeitstag, ich fühle mich bei dem Gedanken, ein Leben nur nach meinem Dienstplan zu führen, nicht ganz wohl. Eine Familie, auch mal eine eigene, ist mir extrem wichtig. Familie soll nie aufgrund meines Berufes zu kurz kommen. Und auch wenn es ja immer heißt, Lehrer schaffen nichts (lacht), habe ich in meinem halben Jahr Hospitation gesehen, wie sehr man sich reinhängen kann. Lehrer zu sein kann so spannend sein, wenn man es nur möchte! Alles eine Sache der eigenen Motivation.

Es wird also ein Lehramtsstudium.

Wenn alles glattgeht, ja. Aktuell bewerbe ich mich an den Unis für die Fächer Biologie, Geografie und Theologie. Mein Traumziel wäre dabei Tübingen. Dort habe ich mich bei der Besichtigung der Uni sofort wohlgefühlt.

Das bedeutet dann aber auch weg von zu Hause.

Ja. Und das ist gut so. Ich bin sehr dankbar, hier aufgewachsen zu sein, und komme gerne wieder. Wir haben es hier einfach wahnsinnig schön mit den Schweizer Bergen, dem großen See und dem ländlichen Wohnraum. Aber ich bin jetzt gespannt auf Neues. Ich befinde mich gerade in einer Art Schwebezustand zwischen hier und jetzt sowie Aufbruch und Zukunft. Ein komisches Gefühl, aber mal sehen, was kommt.