Die Stadtverwaltung hat Grundlagen für die Entwicklung eines Stadtbussystems für Markdorf erarbeitet und zur Diskussion dem Gemeinderat vorgelegt. Der SÜDKURIER fasst hier die wichtigsten Punkte zusammen.
- Warum braucht Markdorf einen Stadtbus? Der Stadtbus ist ein Vorschlag der Markdorfer Umweltgruppe. Sie hat im April einen Aktionstag durchgeführt, an dem die Markdorfer gratis mit einem Bus durch die Stadt fahren konnten. Der Modellversuch kam sehr gut bei der Bevölkerung an, sodass ein Antrag im Gemeinderat gestellt wurde, die Grundlagen für ein Stadtbussystem zu erarbeiten. Der Stadtbus ist als Beitrag zu einem umwelt- und stadtverträglichen Mobilitätskonzept gedacht, um die innerstädtische Lebensqualität zu erhöhen und den Kfz-Verkehr einzuschränken. Den Markdorfern soll eine Alternative zum Auto angeboten werden.
- Wie könnte die Linienführung aussehen? Die Linienführung wird als radiale Linienführung von einem Punkt durch das Zentrum zu einem anderen Punkt empfohlen. Schlaufen sind nur ausnahmsweise, insbesondere als Entschlaufen vorgesehen. Zwei Strecken mit je einem Bus innerhalb des Stadtgebietes wurden vorgestellt. Hier ergab sich eine Umlaufzeit von rund 40 Minuten. Der Haltestellenabstand soll so gewählt werden, dass niemand mehr als 300 Meter zur nächsten Haltestelle zurücklegen muss. Die Ortsteile Riedheim und Ittendorf wurden nicht mit ins Liniennetz einbezogen.

- Welche Taktung ist sinnvoll? Ideal sind Taktungen unterhalb 20 Minuten. „In Großstädten haben die Menschen keinen Fahrplan im Kopf. Die wissen, da kommt in den nächsten Minuten die nächste Bahn oder der nächste Bus“, so Bürgermeister Georg Riedmann. Eine 20-Minuten-Taktung sei für eine Stadt der Größenordnung Markdorfs nicht realisierbar. Es wird ein 30-Minuten-Takt, allenfalls ein 60-Minuten-Takt empfohlen. Von einer Taktung jenseits der 60 Minuten wird abgeraten.
- Was passiert mit dem Anrufsammeltaxi? Ein Stadtbussystem kann das Gebiet nicht flächendeckend bedienen können. Auch werden die fahrplanmäßigen Bedienzeiten sich in einem bestimmten Korridor bewegen, beispielsweise zwischen 7 und 19 Uhr werktags und 8 bis 14 Uhr samstags. Das Anrufsammeltaxi (AST) wird weiterhin ergänzende Aufgaben im ÖPNV außerhalb dieser Zeiten und außerhalb der bedienten Quartiere bedienen müssen.

- Wieviel soll die Fahrt mit dem Stadtbus kosten? Eine Einzelfahrt sollte erschwinglich bleiben und zum Umstieg von anderen Verkehrsmitteln motivieren. Einzelpreise jenseits von 1,50 Euro im Stadtgebiet werden nicht empfohlen, Zeitkarten sollten zur regelmäßigen Nutzung ermuntern und der Tarif in den Tarifverbund Bodo integriert sein.
- Wie kann der Stadtbus finanziert werden? Das ist die große Frage. Denn die Einnahmen bezüglich der Tarifgestaltung tragen nur im geringem Umfang zur Deckung der Kosten bei. Es fallen unter anderem Anschaffungskosten, Kosten für Marketingmaßnahmen und Kosten für Haltestellen an. Die zu erwartenden höheren laufenden Kosten sind im städtischen Haushalt zu finanzieren. Dies kann durch Senkung anderer Ausgaben oder durch Erhöhung der Einnahmen erreicht werden. Die Finanzierung könnte zum Beispiel über eine Anpassung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B erfolgen.
Stadtbussystem: Die Meinungen bei Initiatoren und Stadträten gehen auseinander
- Wie kann ein Stadtbus erfolgreich sein? Holger Zuck, Suttgarter Anwalt, ist Experte für die rechtlichen Grundlagen von ÖV-Systemen und hat jahrelange Erfahrung in der Konzeption von Stadtbussystemen. Wichigstes Erfolgskriterium für ein neu aufzubauendes ÖV-System ist die Qualität insbesondere hinsichtlich Linienführung, Haltestellenabstand, Taktung, Fahrzeug und Verknüpfung mit weiteren Netzen wie den regionalen Buslinien sowie der Bodenseegürtelbahn. Ein weiteres Kriterium ist die Parkraumbewirtschaftung. Solange in der Innenstadt kostenlose Parkplätze zur Verfügung stehen, könne ein Stadtbus nicht erfolgreich sein, so Zuck.

- Welche Beispiele gibt es aus der Region? In Donaueschingen wurde 2018 ein von Grund auf neu konzipiertes System in Betrieb genommen. Seit August 2019 kostet eine Einzelfahrt statt 2,30 Euro nur noch 1,50 Euro. In Radolfzell kostet das Ticket für den Stadtbus ebenfalls 1,50 Euro (für Kinder und Jugendliche 50 Cent). Radolfzell habe seinem Stadtbus daduch zum Erfolg verholfen, dass der Takt verdicht, die Fahrpreise gesenkt und die dort bereits erhobenen Parkgebühren erhöht wurden. Auch in Meersburg gibt es einen Stadtverkehr – für einen Euro pro Fahrt.
- Wie geht es nun in der Planung weiter? Der Gemeinderat hat – mit vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen – dafür gestimmt, dass die Verwaltung auf der vorgeschlagenen Basis ein Stadtbussystem weiterentwickelt und für eine Direktvergabe an einen Anbieter eine Vorabinformation veröffentlicht. Hier geht die Stadt noch keine Verpflichtungen ein, diese ergeben sich erst mit einer Auftragsvergabe. Die Einführung eines Stadtbusses kann zu einem späteren Zeitpunkt verbindlich beschlossen werden. Eine frühestmögliche Betriebsaufnahme könnte im Dezember 2020 erfolgen. Weitere Details sollen in einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet werden.