Helga Konzet-Horn war knapp zehn Jahre alt, und es war das Jahr 1948, als sie am 4. April vor 70 Jahren in Bergheim zur Erstkommunion kam. Markdorf stand unter französischer Besatzung und Deutschland befand sich zwei Monate vor der Währungsreform. "Das Geld war nichts mehr wert, überhaupt konnte man nichts kaufen, es gab ja immer noch Marken für alles", sagt die heute 80-Jährige. "Von Frau Karle in der Marktstraße bekam meine Mutter ein Stück weißen Stoff, es war nicht viel, denn die Familie hatte selbst vier Kinder." Aus dem Stoff nähte die Mutter das Kommunionkleid. "Mit Geld bezahlen konnten wir nicht", sagt Helga Konzet-Horn. "Aber wir hatten Bienen und Hennen und Frau Karle bat uns um ein Glas Honig und ein paar Eier."

Es war der 4. April 1948, als Helga Konzet-Horn in Bergheim zur Erstkommunion ging. Das Foto zeigt sie mit ihren beiden Schwestern.
Es war der 4. April 1948, als Helga Konzet-Horn in Bergheim zur Erstkommunion ging. Das Foto zeigt sie mit ihren beiden Schwestern. | Bild: privat

Auch das Geld für eine Kommunionkerze konnte die Familie nicht aufbringen. "In diesem Fall durfte man sich beim Pfarrer eine ausleihen, man musste sie aber wieder zurückgeben", erinnert sich Helga Konzet-Horn. Es musste für sie ein ganz großes Glück gewesen sein, "dass die Frau Braunwarth auf dem Bauernhof neben der ,Letze' mir eine Kerze gekauft hat". So stolz sei sie auf ihre Kerze gewesen und das eingeforderte "Vater unser" als Dank hätte sie liebend gerne gebetet. "Geschenke gab es wenige, ein Halskettele mit einem Kreuzle dran, das die Tante schon getragen hatte und insgesamt 240 Reichsmark", erzählt sie. Zwei Monate später schon war das Geld wertlos, und es blieb nichts als der symbolische, der wahre Wert der Kommunion.

Helga Konzet-Horn erzählt von ihrer Erstkommunion. Heute ist sie 80 Jahre alt.
Helga Konzet-Horn erzählt von ihrer Erstkommunion. Heute ist sie 80 Jahre alt. | Bild: Helga Stützenberger

 

 

Pfarrer Ulrich Hund hat eine ganze Weile lang gesucht. "Nein, ich finde sie auf die Schnelle nicht", bekennt er. Gemeint ist seine Kommunionkerze. "Wer mich kennt, würde sagen: Das ist ja wieder typisch", sagt er lachend. Er nimmt's mit Humor, wie er überhaupt sehr vieles mit Humor nimmt. "Meine Erstkommunion aber habe ich ganz ernst genommen", betont er. "Das war für mich etwas ganz Wichtiges." Zwar sei sein Werdegang zu diesem frühen Zeitpunkt noch lange nicht vorgegeben gewesen – denn die Entscheidung, Priester zu werden, hätte sich erst in der Oberstufe abgezeichnet – "aber ich war schon immer ein religiös empfindsamer Mensch", weiß er heute.

Heute ist Ulrich Hund 54 Jahre alt, die Erinnerungen an den Weißen Sonntag sind stellenweise etwas verwaschen, so, wie die Farben auf dem Foto aus dem Jahr 1973. In Oberkirch bei Offenburg ist er aufgewachsen. "Wir waren 84 Kinder an der Erstkommunion, das weiß ich noch ganz genau", erzählt er. Außerdem empfingen 65 Kinder bereits am Ostersonntag das Sakrament, weil ansonsten die Kirche aus allen Nähten geplatzt wäre. Auch erinnere er sich gerne an seine Kommunion-Mutter, die erste Generation und sozusagen Pilotprojekt in dieser Art Kommunionsvorbereitung. "Wir stehen heute noch in Kontakt. Sie ist und bleibt für mich ein besonderer Mensch."

Dem neunjährigen Ulrich Hund war die Erste Heilige Kommunion sehr wichtig.
Dem neunjährigen Ulrich Hund war die Erste Heilige Kommunion sehr wichtig. | Bild: privat

 

 

Joachim Mutschler lacht beim Blick auf sein Kommunionsfoto aus dem Jahr 1974, das ihn zusammen mit seinem größeren Bruder Bernd zeigt: "Wenn man genau hinschaut, sieht man das Loch in den Haaren. Meine Mutter musste mir Tage zuvor einen Kaugummi aus dem Pony schneiden."

Mit seinem Bruder Bernd ging Joachim Mutschler (rechts) im Jahr 1974 zur Erstkommunion.
Mit seinem Bruder Bernd ging Joachim Mutschler (rechts) im Jahr 1974 zur Erstkommunion. | Bild: privat

So ganz zum Lachen war ihm an seiner Erstkommunion nicht. Er war der Jüngste von drei Brüdern, die finanziellen Verhältnisse waren zu der Zeit bescheiden. "Meine Eltern dachten wirtschaftlich und legten die beiden Kommunion einfach zusammen", sagt er heute. Für ihn sei dieser Tag eher das Fest seines Bruders gewesen. "Mich hat man da einfach gleich mitgemacht, dann musste die Mutter nur einmal kochen und so ein großes Fest ausrichten." Gefeiert wurde daheim in Meßkirch, die gute Stube wurde dafür ausgeräumt und eine große Tafel eingedeckt, sodass rund 30 Personen Platz fanden.

Die Geschenke zur Kommunion waren praktischer Art. "Ein Rosenkranz war Pflicht und an die Gästehandtücher erinnere ich mich auch noch ganz genau. Die waren jahrelang originalverpackt." Heute wisse er nicht mehr, wo sie geblieben seien. "Komischerweise erinnere ich mich noch an einen Schulranzen", wundert er sich selbst. Beide, er als auch sein Bruder, hätten einen Schulranzen zur Kommunion bekommen. "Der meines Bruders war, wie es in den 70er Jahren üblich war, knallorange." Der Schock über diese Farbe musste so tief gesessen haben, "dass mein Bruder Rotz und Wasser geheult hat". Der seinige dagegen sei giftgrün gewesen. Ganz zu seiner Zufriedenheit.

Seine Kommunionkerze hat Joachim Mutschler noch heute.
Seine Kommunionkerze hat Joachim Mutschler noch heute. | Bild: Helga Stützenberger

 

 

Leah Radau empfing im Jahr 2006 die Erste Heilige Kommunion. Früher wie heute gilt für die 20-Jährige das Motto: Bloß keine Kleider. Und wer Leah Radau kennt, weiß, dass sie das ernst meint. Wer sich an "früher", also an die Zeit, als die Mädchen in Markdorf zur Erstkommunion noch weiße "Brautkleidchen" und die Buben schicke Anzüge trugen, erinnert, weiß auch, dass bis zur Verabschiedung von Pfarrer Werner Reihung trotz manch erhitzt geführter Diskussion das weiße Kleid nicht wegzudenken war. Jedoch sollte im ersten Jahr von Pfarrer Ulrich Hund – es war das Jahr 2006 – nichts übereilt werden, selbst wenn der Ruf nach den heute längst gewohnten "Alben" laut und lauter geworden ist.

Mit Leah Radau hielt im Jahr 2006 die erste Albe am Weißen Sonntag Einzug in die Kirche.
Mit Leah Radau hielt im Jahr 2006 die erste Albe am Weißen Sonntag Einzug in die Kirche. | Bild: privat

Erst im Jahr 2007 wurde schließlich die Albe in der Pfarrgemeinde Markdorf zum einheitlichen Dresscode ernannt. "Ich habe mich geweigert, so ein weißes Rüschenkleid anzuziehen", sagt Leah Radau heute. Mit ihrer Mutter sei sie ins Deggenhausertal gefahren und hatte in Roggenbeuren eine Albe ausgeliehen. "Das war die erste in Markdorf", betont sie mit ein bisschen Stolz. "Nein, komisch angeschaut hat mich keiner, denn etwas anderes hätte einfach nicht zu mir gepasst." Wie sie bekundet, fühlte sie sich sehr wohl in ihrem Gewand. Heute fühlt sich Leah Radau am Wohlsten in der Ministranten-Albe. "Mini zu sein war mir schon als Kind sehr wichtig. Und das ist es noch heute."

Heute sieht sich Leah Radau gerne in der Ministranten-Albe.
Heute sieht sich Leah Radau gerne in der Ministranten-Albe. | Bild: Privat

 

Lisa Bitzenhofer erinnert sich eher an das selbst genähte Dirndl zu ihrer Erstkommunion, als an das weiße Kommunionkleid. "Das war das Geschenk meiner Tante, sie war eine patente Näherin." Überhaupt sind die Erinnerungen an ihre Erste Heilige Kommunion im Jahr 1967 geprägt von Kleidern unterschiedlicher Art. "Ich hatte neben dem weißen Kommunionkleid für den Dankgottesdienst am nächsten Tag ein extra dafür angefertigtes Samtkleid", erzählt sie. "Der Montag wurde noch einmal ganz festlich begangen. Es waren auch alle Gäste noch einmal eingeladen. Sogar unser Bäckergeschäft hatte an diesem Tag zu."

1967 feierte Lisa Bitzenhofer (links) ihre Erstkommunion. Das Foto zeigt sie mit ihrer älteren Schwester.
1967 feierte Lisa Bitzenhofer (links) ihre Erstkommunion. Das Foto zeigt sie mit ihrer älteren Schwester. | Bild: privat

Bereits ab Freitag vor dem Weißen Sonntag sei die Familie Kopf gestanden. "Das waren zwei Tage Action und Adrenalin pur; ich liebte diese Atmosphäre", erinnert sich Lisa Bitzenhofer. "Kochfrauen", wie sie einst in ihrer Heimat im Kölner Raum genannt wurden und zur traditionellen Weißsonntagvorbereitung zählten, waren seit Freitag im Haus und dabei, zusammen mit der Mutter das Fest vorzubereiten. Auch an die Geschenke erinnert sie sich. Neben Büchern seien – aus ihrer Sicht in der damaligen Zeit – völlig unnütze Dinge dabei gewesen. "An ein Geschenk erinnere ich mich noch ganz besonders", erzählt sie und lacht. Es sei dies ein versilbertes Frisierset gewesen. "Das habe ich niemals benutzt." Erst viele Jahre später sei dem hübschen Handspiegel eine ganz neue Funktion zuteilgeworden, sagt Lisa Bitzenhofer. Nämlich als Requisit am Rosenmontag bei "Markdorf total verruckt".

Heute ist Lisa Bitzenhofer selbst Kommunionhelferin.
Heute ist Lisa Bitzenhofer selbst Kommunionhelferin. | Bild: Helga Stützenberger