Markdorf hat am Sonntag einen historischen Bürgerentscheid erlebt: Fünf Stimmen Unterschied bei 5435 abgegebenen gültigen Stimmen kippen den vom Gemeinderat im Juli beschlossenen Rathausumzug ins Bischofsschloss. Wenn es des Sonntagabends noch bedurft hätte, nun hat man es Schwarz auf Weiß: Die Markdorfer Bürgerschaft ist tief gespalten. Die Umzugsgegner erzielten 2720 Stimmen, die Befürworter 2715 Stimmen. Das amtliche Endergebnis soll am Montagabend um 18 Uhr im Rathaus festgestellt werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich nichts mehr ändert.
Riedmanns bitterste Stunde
Für Bürgermeister Georg Riedmann dürfte der Moment, als um 18.45 Uhr das Ergebnis des letzten noch ausstehenden Wahlbezirkes, des Briefwahlbezirkes 3 in der Stadthalle, an die Wand des Sitzungssaals geworfen wurde, der bitterste Augenblick seiner bisherigen fünf Jahre als Rathauschef gewesen sein. Denn nach 14 ausgezählten der 15 Wahlbezirke lag die Zustimmung zum Rathausumzug mit 50,6 Prozent der abgegebenen Stimmen in greifbarer Nähe.
„Es ist ein bindender Bürgerentscheid gegen den Umzug zustandegekommen“, begann Riedmann sichtlich erschüttert seine Stellungnahme. Unabhängig vom Ausgang sei es das Ergebnis, das „uns allen in den kommenden Wochen und Monaten die größten Aufgaben stellen wird“. Sein Appell: „Lassen Sie uns alle das tun, um mit diesem Ergebnis in eine gute Zukunft für die Stadt zu gehen.“ Im Gespräch mit dem SÜDKURIER antwortete er auf die Frage, ob dies seine schwerste Stunde sei: „Es ist eine schwere Stunde für uns alle.“ Es sei kein Ergebnis, „womit irgendjemand jubilieren kann“. Dies sei aber Demokratie, auch nur eine Stimme mehr könne eben entscheidend sein. Die Frage, wie es nun in Sachen Rathaus und Bischofsschloss weitergehen könne, wollte Riedmann noch nicht beantworten. Dafür sei es noch zu früh. In den kommenden Wochen und Monaten werde man nun die neuen Aufgaben angehen.
Befürworter fassungslos
Mitglieder des Bürgerforums „Unser Rathaus ins Bischofsschloss“ waren von dem Ausgang entsetzt. „Ich bin sehr enttäuscht und ich denke, dass da viele Wutbürger und Hotelträumer abgestimmt haben“, sagte Berthold Haller, der der Ansicht ist, dass auch viele andere Themen eine Rolle gespielt hatten. „Mir fehlen die Worte“, sagte Markdorfs CDU-Vorsitzende Susanne Schwaderer, die nicht verstehen kann, wie man die Zukunft der Stadt mit dieser Entscheidung „aufs Spiel“ setzen könne.
Ihre Vermutung: „Da wollten vielleicht einige der Verwaltung einen Denkzettel erteilen.“ Auch Otto Maier vom Bürgerforum zeigte sich schwer enttäuscht. „Offensichtlich haben wir zu wenig gekämpft und hätten noch präsenter sein müssen“, lautet seine erste Einschätzung: „Aber wir können es auch nicht übers Knie brechen.“ Er hatte mit einem knappen Ergebnis gerechnet, allerdings nicht mit einem so knappen. „Man hat kein richtiges Gefühl für eine Tendenz bekommen“, sagte er.

„Die Stadt ist gespalten“
Herta und Klaus Köhler hatten sich als Sprecher des Bürgerforums ebenfalls für den Umzug des Rathauses ins Bischofsschloss eingesetzt. „Die Stadt ist gespalten“, kommentierte Herta Köhler das vorläufige Endergebnis. Aber man müsse nun mit dem Ergebnis arbeiten und zurechtkommen. Für Annemarie Waibel ist der Ausgang des Bürgerentscheids „das Schlimmste, was hätte passieren können“. Das sei „richtig bitter“ und für die Stadt „ein schlimmes Ergebnis“. Und fragte: „Wie soll es nun weitergehen?“

Im Publikum sitzt auch Joachim Mutschler, Vorsitzender der Umweltgruppe. „Ich bin entsetzt“, so seine erste Reaktion. Das Ergebnis sei fatal für die Stadt. Er fordert nun, dass die von Seiten der Bürger eingeklagte Bürgerbeteiligung fortgesetzt werden muss. Auch Albert Weber, früherer Eigentümer des Bischofsschlosses, sieht eine Riesenchance vertan. „Wenn man die Zukunft nicht begreift, ist das sehr schade“, äußerte sich Weber, der ebenfalls in den Sitzungssaal des Rathauses gekommen war, gegenüber dem SÜDKURIER.
Fraktionschefs ringen um Worte
Fassungslos auch die Fraktionschefs. „Es gibt weder Sieger noch Verlierer, nur Markdorf hat verloren“, sagte FW-Chef Dietmar Bitzenhofer. SPD-Chef Uwe Achilles, selbst Gegner des Umzugsvorhabens, hätte sich ein klares Ergebnis gewünscht. „Wir haben eine geteilte Stadt, das war auch meine Wahrnehmung der letzten Wochen“, sagte er. „Ich finde, auf solch einer Basis können wir so ein großes Projekt überhaupt nicht anfassen“, sagte UWG-Chefin Susanne Deiters Wälischmiller.