Im Garten von Winfried und Monika Thum hat jede Pflanze ihre Geschichte – und der Bambus spielt die Hauptrolle: Aus dem nach Südwesten gerichteten Wintergarten über zwei Etagen schaut man auf eine acht Meter hohe wogende grüne Wand. Lichtfetzen blitzen durch die sich sanft im Wind wiegenden Rohre des Riesengrases. Es schützt das "wilde Wohnzimmer" der Thums sommer wie winters vor neugierigen Blicken.

Die Abendsonne wirft ein Streifenmuster aus Licht und Schatten auf den Rasen, und es raschelt zart. Man kann der Pflanze, die ihren Ursprung in Asien hat, buchstäblich beim Wachsen zuschauen. Bis zu 20 Zentimeter legt der Bambus täglich zu und er ist äußerst hartnäckig. Seinem Vermehrungsdrang ist nicht so leicht Einhalt zu gebieten: Es ist eine Sache der Zeit, bis er dicke Teichfolien durchbohrt und selbst Rhizomsperren – Rhizome nennt man die unteriridisch wachsenden Triebe, die sich ihren Weg gerne mal in Nachbars Garten suchen -, überwindet er zuweilen. Um des nachbarlichen Friedens willen hat der Bambusliebhaber seine Pflanzen eingesperrt, die oberirdischen Triebe kann man kappen. Erziehung muss sein!
"Zu jeder Jahreszeit hat der Garten seinen Reiz. Wenn alles kahl ist, grünt der Bambus immer noch. Er ist elegant, richtet sich nach Schneelast wieder auf, und er vermittelt ein exotisches Flair", schwärmt Winfried Thum, der auf zahlreichen Reisen in die halbe Welt kaum einen botanischen Garten ausgelassen hat. Und er erinnert ihn an viele Urlaube, an tropische Inseln und seine erste Begegnung mit der grünen Art, die übrigens in Prafrance/Südfrankreich Anfang der 80er stattgefunden hat. Er stand mitten im gigantischen Bambuswald: "Ich war einfach von den Socken." Lange suchte er dann nach einer Sorte, die nicht horstig wächst. Phyllostachys galt zwar als nicht winterhart, hat sich aber wider Erwarten so akklimatisiert, "dass sich die Nachbarn die Haare gerauft haben."

Die Haare rauft sich Winfried Thum auch selbst – wenn es ans Rechen geht. Denn so schön der Bambus ist, er hat einen Nachteil: Er wirft ständig Blätter ab. Und er produziert Rohre in Überfülle. Bunt geht es trotzdem auf 300 Quadratmetern des ehemaligen Hanggrundstücks zu, das er terrassiert hat. Auf der Ebene konnten so diverse Sitzplätze entstehen, die oft und gern für gesellige Runden genutzt werden; Monika und Winfried Thum sind Gastgeber aus Leidenschaft. Selbst in tropischer Sommerhitze sitzt es sich angenehm unter der mit Kiwipflanzen bewachsenen Pergola, neben einem Smoker zum Grillen und Räuchern oder am 1962 selbst ausgehobenen Teich, den sein Vater den beiden Söhnen als Planschbecken betonierte und in dem sich heute Goldfische und "Schildi", die Schildkröte, verlustieren und in dem "Schnappi", das täuschend echt wirkende Krokodil aus Plastik, inmitten der Seerosen vor sich hindöst.
Im VW-Bus Zitrusbaum mitgebracht
Der Teich ist auch Wasserreservoir für die täglichen zehn Kannen Gießwasser. Er wird meist mit Regenwasser aus der Dachrinne gespeist. Auf der Holzterrasse kann man sich beim Beobachten des gemächlichen Treibens entspannen, über die fast handzahmen Fische beim Füttern freuen oder sich im Planschbecken abkühlen.

Urlaubserinnerungen sind auch die bis zu zwei Meter hohen Zitronenbäumchen, die eine tragende Rolle mit ihren leuchtenden Früchten spielen, für 17 Mark in Spanien erstanden und im VW-Bus mitgenommen wurden, ebenso wie der "faule" Orangenbaum. Während der Zitrus seither mehr als 500 Früchte getragen hat, brachte es die Orange gerade mal auf zwei.
So dick wie ein Daumen war 1991 der Trompetenbaum; inzwischen hat der Stamm einen Durchmesser von 30 Zentimetern. Der Rote Schlitzahorn ist seinen Bonsai-Kinderschuhen entwachsen und ohne Schale in der Erde groß geworden. Ebenfalls bizarre Formen entwickelt haben die 40 Jahre alten Kiefern-Bonsais. Dazwischen blüht es bunt: Hibiskus, Rosen, Dahlien, Lobelien in Kübeln und Kästen und am Rande des Gartens.

Den Blick aus dem Küchenfenster auf das vom Bruder Wolfgang erstellte Gartenhäuschen hat sich Winfried Thum mit einer gelben Rose, blauen Prunkwinden, Glockenrebe, Petunien und einer Sammlung bunter Deko-Papageien verschönert. Hauptsache exotisch, passend zu seinen Hawaii-Hemden!

Gartensteckbrief
- -Meine Lieblingspflanze:
Eindeutig der Bambus und Zitruspflanzen. - -Was ich an Gartenarbeit gar nicht mag:
Den Rasen rechen – wegen der mistigen Bambusblätter. - -Meine teuerste und meine günstigste Gartenanschaffung:
Das Teuerste war ein Deck-Chair aus Teakholz für 1100 Mark. Das Billigste: Samen, die ich aus Urlaubsländern mitgenommen oder mitgebracht bekommen habe, und ein heute fünf Meter hoher Feigenbaum, an dem Hunderte von Früchten hängen, die dieses Jahr schon einen Monat früher reif sind, als sonst. Er stammt aus Brezzo di Bedero oberhalb vom Lago Maggiore, wo Thum vor 30 Jahren im Garten eines Freundes einen Ast abschnitt, ihn bewurzelte und vor die südliche Hauswand pflanzte.