Der Prozess beginnt: Affekt statt Mord?

Affekt, kein Mord: Das sagt der Angeklagte am Morgen zum Auftakt des Prozesses vor dem Landgericht Konstanz am 6. Juli. Der Verteidiger verliest eine Einlassung seines Mandanten. Er habe nicht geplant gehabt, seine Frau zu erschießen. Er habe die Pistole aus Angst vor Blutrache dabei gehabt. Der 48-Jährige ist wegen Mordes, Verstoßes gegen das Waffengesetz und mehrfacher Körperverletzung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale niedrige Beweggründe und Heimtücke als erfüllt an. Weitere Verhandlungstage sind der 12. und 18. Juli und der 3. August. Die Urteilsverkündung ist auf den 4. August angesetzt. Neben dem Angeklagten sind insgesamt 24 Zeugen geladen.

Lebensgeschichte des Angeklagten und Blutrache in Albanien

Wird Gezim F. zu lebenslänglicher Haft verurteilt oder nicht? Nach dem ersten Verhandlungstag im Mordprozess am Landgericht Konstanz gegen den 48-Jährigen steht fest: Die Strafzumessung entscheidet sich für das Gericht unter Vorsitz von Arno Hornstein an der Frage des Vorsatzes. Die Lebensgeschichte des Angeklagten ist Thema vor Gericht.

Mutter und Tochter von Sebastiana F. sagen aus

Wie kam es zu der Bluttat? Der zweite Verhandlungstag liefert weitere Erkenntnisse. Die Beziehung des Ehepaares steht im Fokus.

Angeklagter und Partner von Sebastiana F. begegnen sich

Das Aufeinandertreffen endet mit einer Beleidigung: Beim dritten Prozesstag sagen der Lebensgefährte von Sebastiana F. und Familienmitglieder aus. Die Strategie der Verteidigung scheint nun zu bröckeln.

Zäher vierter Verhandlungstag

Ein Zeuge, zwei Gutachter und vier Plädoyers stehen auf dem Tagesplan am Landgericht am zweitletzten Verhandlungstag. Anträge der Verteidigung verzögern alles enorm.

Urteil: Gezim F. muss lebenslänglich ins Gefängnis

„Die Tat verdient nur eine Überschrift: kaltblütiger Mord“, sagt Richter Hornstein am Mittag vor dem Landgericht Konstanz. Hier lesen Sie alles über das Urteil.

Wird der Prozess neu aufgerollt?

Tage nach dem Urteilsspruch stand bereits fest, dass das Urteil geprüft werden wird. Denn sowohl Oberstaatsanwalt Ulrich Gerlach als auch Gezim F.s Verteidiger Klaus-Martin Rogg hatten Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision mittlerweile zurückgezogen, bestätigt Erster Staatsanwalt Andreas Mathy auf Anfrage. Wird dem Revisionsantrag des Verteidigers stattgegeben, kommt es zur Neuauflage des Verfahrens, an einer anderen Kammer und mit einem anderen Vorsitzenden.

Hintergrund zum Fall

Was passierte am 21. Januar?

Die Tat geschah in den Minuten vor Ladenschluss: Im Schnäppchenmarkt Megamix in der 14.000-Einwohner-Gemeinde Markdorf am Bodensee erschießt ein 47-Jähriger am Samstag, 21. Januar, laut Polizei seine von ihm getrennt lebende Frau. Die Frau war Mutter eines Kindes. Der Mann konnte kurz später gefasst werden, nachdem er zunächst mit einem Taxi nach Pfullendorf im benachbarten Landkreis Sigmaringen geflohen war.

So reagieren die Markdorfer

Eine Tat wie diese mitten im kleinen Markdorf? Zur Mittagszeit? Die Menschen sind fassungslos und trauern, die Anteilnahme ist groß. Stadt und Kirchenvertreter reagieren schnell. Am Tag nach der Tat kommen viele bei einem Gottesdienst zusammen und trauern gemeinsam. Auch Tage später fällt es schwer, zum Alltag überzugehen: Viele überfordert die Brutalität des Gewaltverbrechens vor der eigenen Haustür. Einfach so weitermachen? Das ist nicht so einfach.

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Wo ist der Täter jetzt?

Bereits am Sonntagmittag wird der Tatverdächtige dem Haftrichter vorgeführt. Der ordnet Untersuchungshaft an, der 47-Jährige wird in eine Justizvollzugsanstalt gebracht. Zur Aufklärung des genauen Geschehensablaufs und der Hintergründe der Tat richtet die Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen die Ermittlungsgruppe „Mix“ ein.

Kommentar: Diese Taten nehmen uns alle in die Pflicht

Erst Stockach, dann Markdorf. Die Bluttaten in der Bodenseeregion sind erschütternd. Wer sie als Eifersuchtsdramen abtut, sieht das wahre Problem nicht: Gewalt gegen Frauen, in jeglicher Art. Ein Kommentar von Dominik Dose.

Spuren führen auch in den Linzgau

Die Puzzleteile der Tat beginnen sich zwei Tage später zusammenzufügen. Das Verbrechen ist am Montag das alles beherrschende Thema auf den Straßen und in den Geschäften der Stadt. Was am Montag feststeht: Der Tatverdächtige hatte sich zuvor von seinem Wohnort im Raum Pfullendorf mit einem Taxi nach Markdorf bringen lassen, wohin seine Frau mit ihrem zehnjährigen Sohn nach der Trennung vor einigen Monaten offenbar gezogen war und eine neue Arbeit in dem Schnäppchenmarkt gefunden hatte. In Pfullendorf wurde er auch festgenommen, wie die Polizei bestätigt.

Blumen und Kerzen vor dem Geschäft. Die Anteilnahme der Menschen ist groß.
Blumen und Kerzen vor dem Geschäft. Die Anteilnahme der Menschen ist groß. | Bild: Cian Hartung

Wie erkläre ich meinem Kind, was passiert ist?

Die Betroffenheit vieler Menschen ist groß: Vor dem Laden, in der Nachbarschaft – und auch unter jungen Leuten. Die Menschen stellen Fragen. Wer war die Frau? Nicht aus Neugier, sondern auf Betroffenheit. Viele waren oft bei der Post, kennen die Frauen, die hier arbeiten. Notfallnachsorgedienst und Pädagogen geben Tipps zum Umgang mit der Bluttat und zur Frage, wie Eltern ihren Kindern erklären können, was passiert ist.

Details über die Flucht im Taxi und die Waffe

Tag für Tag fördern die Ermittler weitere Details zum Tötungsdelikt in dem Schnäppchenmarkt zutage. Die von ihrem Ehemann erschossene 44-Jährige wird obduziert. Der Laden bleibt bis Ende der Woche geschlossen. Am Mittwoch steht das Obduktionsergebnis fest: Die Frau wurde von mehreren Schüssen getroffen, von denen mindestens einer todesursächlich war. Die Polizei geht davon aus, dass der 47-Jährige sich die Pistole, die er am Tatort zurückließ, auf illegalem Wege besorgt hatte. Zudem ist nun klar, dass der Mann sich am Ende selbst stellte: Das Taxi fuhr auf seine Weisung zum Polizeiposten in Pfullendorf.

Muster hinter Stockach und Markdorf

Daten zeigen: Vergleichbare Taten sind in der Region häufiger als man denkt. Profiler Axel Petermann und der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer erklären, wann und welche Männer besonders häufig zu Tätern werden.

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Jetzt spricht die Tochter: „Wir hatten Angst vor meinem Vater“

Luisa F. ist die Tochter der Getöteten. Sie hat eine Spendenaktion gestartet, um die Beisetzung zu finanzieren und ein finanzielles Polster für ihren kleinen Bruder zu schaffen. Sie erzählt auch die Vorgeschichte der Tat: ‚Wir hatten Angst vor ihm‘, sagt sie über ihren Vater. Ein Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Alkohol, Gewalt. Helmar Grupp schreibt in seinem Kommentar deshalb auch: ‚Die Bluttat von Markdorf wirft drängende Fragen auf.‘

Was wusste die Polizei über die Vorgeschichte – und was nicht?

Uwe Stürmer, Präsident des Polizeipräsidiums Ravensburg, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren intensiv mit dem Thema Gewalt gegen Frauen. Aktuell koordiniert er ein bundesweites Forschungsprojekt zu Intimiziden, den Tötungen unter Partnern. Der Fall von Markdorf macht ihn persönlich betroffen, daraus macht er keinen Hehl. Im Präsidium in Ravensburg spricht er mit dem SÜDKURIER über die Tat, deren Hintergründe und Folgen. Und er legt ganz transparent offen, was der Polizei im Vorfeld bekannt war.

Warum mussten die Sanitäter auf die Polizei warten?

Die Retter des Roten Kreuzes waren zuerst am Tatort. Sie mussten warten und der Polizei den Vortritt lassen. Das Vorgehen hat Gründe.

Wie die Polizei Fälle wie in Markdorf verhindern will

Das Verbrechen im Schnäppchenmarkt erschüttert – und wirkt nach. Fälle wie dieser sind die Spitze des Eisbergs von Gewalt gegen Frauen, die verborgen bleibt. Betroffene können sich aber Hilfe holen. Wir erklären auch zentrale Begriffe wie Gefährderansprache, Platzverweis, Rückkehrverbot und Leaking-Verhalten.

Abschied bei öffentlicher Trauerfeier

In Meßkirch, wo sie aufwuchs und ihre Kindheit und Jugend verbrachte, wurde Sebastiana F. am 7. Februar beerdigt. Gut 200 Menschen kamen zur Trauerfeier.