„Ruhe in Frieden, mein liebes Kind. Du wirst immer in meinem Herzen bleiben.“ Mit diesen berührenden Worten verabschiedete sich die Mutter von Sabrina P. in einem sozialen Netzwerk von ihrer Tochter. Mit 24 Jahren wurde sie in Stockach gewaltsam und viel zu früh aus dem Leben gerissen. Sie hinterlässt eine knapp sechsjährige Tochter und einen erst wenige Monate alten Säugling.
Der Schock, die Anteilnahme und die Betroffenheit in der Bodensee-Region und weit darüber hinaus sind groß: In Stockach haben Trauernde an einem Baum an der Straße Am Stadtwall Blumen niedergelegt und zahlreiche Trauerkerzen angezündet, um der Getöteten zu gedenken.
Auch ein nachdenklicher Engel und ein Bilderrahmen mit einem Foto stehen dort, das die junge Mutter zeigt. Seit Freitagabend fehlte jedes Lebenszeichen von ihr. Ihre Familie setzte alle Hebel in Bewegung, suchte tagelang verzweifelt nach ihr. 96 Stunden später herrschte traurige Gewissheit.
„Ich bin total geschockt“
Rund 500 Menschen kondolierten allein auf Facebook unter einem Posting der Familie: „Eine wundervolle Mama von zwei wunderschönen Kindern, eine tolle Freundin (...) – ich vermisse sie“, schrieb eine Bekannte. Eine andere Frau: „Ich bin total geschockt (...) mein herzliches Beileid. Ich habe so gehofft, dass ihr sie gesund und munter findet.“
Sie alle und viele mehr fragen sich: Warum musste Sabrina P. sterben? Wie konnte es nur zu dieser Tat kommen?
Streit und Eifersuchtsszenen?
Aufgewachsen in Konstanz, besuchte Sabrina die Grundschule und später die kaufmännische Wessenberg-Schule direkt am Konstanzer Seerhein. Früh verliebt sie sich in einen jungen Mann. Die beiden verloben sich im Jahr 2016 und Sabrina P. wird schwanger. Die gemeinsame Tochter kommt im Frühjahr 2017 zur Welt. „Mama & Papa lieben dich Prinzessin“, schrieb Sabrina P. wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter. Doch die Beziehung zum Kindesvater hält nicht.
Sabrina P. lernt später einen zwei Jahre jüngeren Mann kennen, der wie sie ein Kind aus einer früheren Beziehung hat. Sie wird erneut schwanger und bringt vor wenigen Monaten einen gemeinsamen Sohn zur Welt. Doch wieder steht die Beziehung unter keinem guten Stern. Es soll zu Streit und Eifersuchtsszenen gekommen sein.
Mitte November schrieb Sabrina P. in eine Flohmarkt-Gruppe: „Mein zwei Monate altes Baby und ich ziehen um und haben noch nichts an Möbeln.“ Sie erkundigt sich, ob jemand günstig ein Sofa, ein Bett oder Schränke abzugeben hätte.
Familie wartet auf letzten Zug
Am Freitag, 13. Januar, soll die 24-Jährige in einer schwarzen Lederleggins, einem hellgrauen flauschigen Pullover und einer schwarzen Jacke gegen 17 Uhr ihre Wohnung in Stockach verlassen haben, das nahm ihre Familie zunächst an. Die letzte Nachricht empfing Sabrina P.s Handy gegen 18 Uhr. Danach ist ihr Smartphone entweder ausgeschaltet oder der Akku leer. Das Baby verbrachte die Nacht beim 22-jährigen Kindsvater.
Die Familie vermutet, dass die zweifache Mutter eventuell nach Radolfzell gefahren sein könnte und wartet am Stockacher Bahnhof auf sie – in der Hoffnung, dass sie doch noch nach Hause kommt. Denn dieses Verhalten sei sehr untypisch für Sabrina P., die sonst äußerst verlässlich sowie fürsorglich war und sich selten von ihrem Neugeborenen getrennt haben soll. Der letzte Zug kommt in Stockach gegen 23.10 Uhr an, doch Sabrina P. befindet sich weder im Zug noch rund um den Bahnhof.
Kripo entdeckt die Leiche
Um 3 Uhr früh in der Nacht auf Samstag schaltete die tief besorgte Familie die Polizei ein. Am nächsten Morgen teilte sie auch einen Aufruf in sozialen Netzwerken mit der Bitte um Hinweise zur Verschwundenen.
Das Konstanzer Polizeipräsidium veröffentlichte am Montag um 22:46 Uhr eine Vermisstenfahndung nach Sabrina P. mit Fotos und einer Personenbeschreibung. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die 24-Jährige bereits drei Tage lang tot gewesen sein.
Am Dienstagabend durchsuchte die Kripo erneut die Wohnung von Sabrina P. in der Nähe des Stockacher Stadtwalls, in der laut SÜDKURIER-Informationen auch ihr 22-jähriger Freund zeitweise lebte. Dabei machten die Beamten in unwegsamen, steilem Gelände eine fürchterliche Entdeckung: In einem Gebüsch direkt unter einem Balkon fanden sie den Leichnam der zweifachen Mutter. Noch am selben Abend nahm die Polizei den 22-Jährigen vorläufig fest, weil er als dringend tatverdächtig gilt, seine Freundin getötet zu haben.

Um 20.55 Uhr alarmierte die Polizei die Stockacher Feuerwehr, um den Leichnam zu bergen. „Da der Fundort schwer zugänglich war, haben wir die Bergung mit unserer Drehleiter durchführen müssen“, sagte Kommandant Uwe Hartmann dem SÜDKURIER. Aus den offiziellen Einsatzdaten geht hervor, dass es sich beim Einsatzort um einen rund drei Meter hohen Abhang handelte.
Tötung im Affekt?
Die Konstanzer Staatsanwaltschaft beantragte für Mittwoch, dass der Mann einem Haftrichter vorgeführt wird. Wie der SÜDKURIER aus mehreren gesicherten Quellen erfahren hat, soll der 22-Jährige bereits beim Haftrichter ein Geständnis abgelegt haben.
Demnach sei es in der Wohnung zu einem heftigen Streit gekommen, während sich das Baby im nebenliegenden Schlafzimmer befand. Laut Aussage des Tatverdächtigen habe Sabrina P. ihm eine Eifersuchtsszene gemacht, worauf er völlig ausgerastet sei. Der 22-jährige soll seine um zwei Jahre ältere Freundin mit einem Kabel erdrosselt und den Leichnam vom Balkon geworfen haben.

Es ist der dritte Femizid – also Frauenmord durch den männlichen Partner oder Ex – in Stockach und Umgebung seit dem Jahr 2017.
„Weiße Rose mit schwarzen Schatten“
Der Haftrichter verhängte nach dem Geständnis Untersuchungshaft gegen den Tatverdächtigen. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung, bis ein Prozess seine mutmaßliche Schuld rechtskräftig bewiesen hat.
Für den wenige Monate alten Säugling hat inzwischen das Jugendamt die Obhut übernommen. Es prüft derzeit, ob eine familiäre Unterbringung, etwa bei den Großeltern, möglich ist.
„Die Liebe stirbt erst, wenn Dir die Hoffnung voll und ganz genommen wurde“, schrieb Sabrina P. vor drei Jahren kurz nach Weihnachten. Ihr Leitspruch lautete: „Auch eine weiße Rose hat einen schwarzen Schatten.“