Unter 100 Zimmern geht nichts in Markdorf? Einer, der die Antwort wissen muss, sieht das ganz anders. Auch ein kleineres Hotel mit 50 oder 60 Zimmern könne in der Gehrenbergstadt durchaus wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden, sagt Bernd Reutemann. Reutemann, der von 2002 bis 2017 das heute leerstehende Bischofschloss als Hotel geführt hatte, verweist dazu auf seine eigenen Geschäftszahlen.

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Bilanzgewinne von 365 000 und 200 000 Euro in den beiden letzten kompletten Geschäftsjahren 2015 und 2016 und Jahresüberschüsse von 160 000 und 130 000 Euro sprächen eine klare Sprache. Und dies bei einer Pacht, die, auch darauf legt der selbstständige Unternehmensberater wert, unter Berücksichtigung der durch den Pächter getätigten Investitionen mit 110 000 Euro pro Jahr durchaus marktüblich angesetzt gewesen sei.

Gemeinsam mit seiner Schwester Gerda Reutemann führte Bernd Reutemann das Mindness Hotel Bischofschloss von 2002 bis zum Oktober 2017.
Gemeinsam mit seiner Schwester Gerda Reutemann führte Bernd Reutemann das Mindness Hotel Bischofschloss von 2002 bis zum Oktober 2017. | Bild: Beatrice Strauch

Fragwürdige Experten in der Hotel-Debatte

Die damaligen Bilanzen der Bernd Reutemann GmbH als Betriebsgesellschaft für das Hotel im Schloss werfen ein bezeichnendes Licht auf die Aussagen von Branchenexperten, die in den vergangenen Jahren in der Markdorfer Hotel-Debatte immer wieder zitiert wurden. Auch die Stadt selbst hatte bekanntlich 2018 ein Gutachten erstellen lassen, das eine mögliche Hotelnutzung des Rathauses prüfen sollte.

Das Kieler Fachbüro Cordes Rieger Consulting hatte seinerzeit eine Mindestgröße von 100 Zimmern empfohlen, am besten noch kombiniert mit einem 30-Zimmer-Boarding-House im benachbarten Ex-“Adler“. Weniger, so Gutachter Robert Cordes, würde in Markdorf nicht funktionieren. Indirekt war dies zugleich natürlich eine Absage an den Hotel-Standort Schloss, obschon der seinerzeit nicht Gegenstand der Potenzialanalyse war.

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Die Gretchenfrage nach der Rendite

„Es ist ja immer die Frage, welche Rendite erwarte ich“, kommentiert Reutemann die 100-Zimmer-Postulate im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Gerade bei Investorenlösungen wollen ja oft viele mitverdienen, das geht aber nur ab einer bestimmten Größe.“ Mit 44 Zimmern im Schloss, zwischen 35 und 40 Mitarbeitern und einer durchschnittlichen Jahresauslastung von 75 Prozent habe er stets Renditen in zweistelliger Höhe erzielt – mit Ausnahme der schwierigen Zeiten um die Finanzkrise von 2008/2009. Sein Erfolgsrezept? „Exzellenter Service, hohe Qualität“, sagt Reutemann. „Und wir hatten ein unschlagbares Team. So war es uns möglich, pro Jahr einen Betrag von mehr als 300 000 Euro für Miete, Abschreibung und Instandhaltung zu leisten.“

Ex-Hotelier Bernd Reutemann: „Es war uns möglich, pro Jahr einen Betrag von mehr als 300 000 Euro für Miete, Abschreibung und ...
Ex-Hotelier Bernd Reutemann: „Es war uns möglich, pro Jahr einen Betrag von mehr als 300 000 Euro für Miete, Abschreibung und Instandhaltung zu leisten.“ | Bild: Gabriele Münzer

Corona-Krise: Keine gute Zeit für Hotels

Ähnlich wie 2009 sieht es allerdings jetzt zu Corona-Zeiten aus: Keine gute Zeit, um ein Hotel zu eröffnen. 2007 habe er noch in größerem Stil investiert, die Folgen des Lehman-Erdbebens hätten ihn dann fast fünf Jahre gekostet, um die Einbrüche wieder hereinzuholen, sagt Reutemann: „Das wäre jetzt auch wieder so.“

Corona werde dafür sorgen, dass noch viele Betriebe in Existenznöte geraten werden, prophezeit der 51-Jährige. Aktuell seien es Einbrüche um 30 Prozent zum vorherigen Markt. Bei seinem Mindness Hotel sei hingegen das Gegenteil der Fall gewesen. „Wenn du einen Gewinn von 300 000 Euro machst, wirfst du das dann einfach so weg?“, fragt er rhetorisch.

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Digitalisierung senkt die Personalkosten

Grundsätzlich, sagt Reutemann, müsse ein Hotel keine 100 Zimmer haben, um wirtschaftlich zu sein: „Sonst gäbe es in Baden-Württemberg bald keine Hotels mehr.“ Daher könnten auch 60 Zimmer für die Gehrenbergstadt ideal sein. „Wir selbst hätten uns schwer getan, an diesem Standort 100 Zimmer durchgängig ausreichend zu füllen“, gibt er zu bedenken. Dessen ungeachtet seien auch kleinere Hotels heute wirtschaftlicher zu betreiben als noch vor zehn Jahren, da im Zuge der Digitalisierung in vielen Bereichen weniger Personal benötigt werde.

Alles muss raus: Der Ausverkauf des kompletten Hotel-Inventars im Herbst 2017 sei eine schmerzliche Erfahrung gewesen, sagt Bernd Reutemann.
Alles muss raus: Der Ausverkauf des kompletten Hotel-Inventars im Herbst 2017 sei eine schmerzliche Erfahrung gewesen, sagt Bernd Reutemann. | Bild: Jenna Santini

Reutemann zur Schließung: Den einen Schuldigen gab es nicht

Seit drei Jahren steht das Schloss nun leer. Für die Stadt sei dies eine extrem große Herausforderung, meint Reutemann: „Einfacher ist es jetzt nicht geworden, jetzt muss man wieder bei Null anfangen.“ Auf die Frage, wer denn nun die Schuld getragen habe an der Schließung, antwortet er heute gelassen. Er hege keinen Groll, sagt er. Den einen Schuldigen habe es nicht gegeben, vielmehr sei es sei eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ gewesen, bei denen jeder der Beteiligten offenbar das Richtige tun wollte, es aber auch zu viele kleinere Differenzen mit der Stadt gab: Tiefgarage, Schlossplatz, Rittersaal.

Fakt sei gewesen, dass es ohne größere Investitionen in den Bau nicht mehr weitergegangen wäre. „Wir waren bereit, weiterhin in das Objekt zu investieren, so wie wir dies auch in der Vergangenheit getan haben“, sagt Reutemann. Heute blicke er mit Distanz auf diese Zeit, doch das Schloss liege ihm schon noch am Herzen. „Alles wäre besser, als zu sehen, wie das Gebäude langsam kaputt geht“, sagt er.

Ein Aufzug, der der Schäferstündchen-Wäschekammer von Boris Becker nachempfunden ist: Eine der vielen originellen Ideen von Ex-Hotelier ...
Ein Aufzug, der der Schäferstündchen-Wäschekammer von Boris Becker nachempfunden ist: Eine der vielen originellen Ideen von Ex-Hotelier Bernd Reutemann, mit denen er das Mindness Hotel Bischofschloss weit über die Region hinaus zur Bekanntheit führte. | Bild: Patrick Seeger/dpa
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Der Fakten-Check: So wirtschaftlich war das Markdorfer Hotel Bischofschloss

  • Das Ex-Hotel Bischofschloss: Das Hotel der „Schlossgeister“ (so nannte Reutemann sich und seine Mitarbeiter) galt bis zu seinem Aus im Herbst 2017 weit über die Region hinaus als eine der ersten Adressen unter den Tagungs- und Businesshotels. Mehrfach ausgezeichnet als eines der führenden Tagungshotels Deutschlands, erlangte es wegen seiner liebevollen Details überregionale Bekanntheit: Umarmkissen, Frühstückseier mit aufgemalten lachenden Gesichtern oder ein als Dusche gestalteter Fahrstuhl gehörten zu den originellen Ideen, mit denen der Hotelier für Aufmerksamkeit sorgte. Reutemann selbst wurde für seine Servicequalität als Dienstleister des Jahres Baden-Württemberg ausgezeichnet. Nachdem die Stadt Markdorf ihren eigenen Anteil von 17 Prozent an Schloss und Tiefgarage nicht an Mehrheitseigner Albert Weber übertragen wollte, verkaufte dieser seinen Anteil von 83 Prozent 2016 an die Stadt. Aufgrund anstehender hoher Investitionen in die Bausubstanz wollte Weber einen Weiterbetrieb als Hotel nur in kompletter Eignerschaft. Die Stadt wollte das Bischofschloss anschließend zum Rathaus umbauen. Diese Pläne kippte jedoch der Bürgerentscheid im Dezember 2018. Seit dem Ende des Hotels steht das Schloss leer.
  • Die Zahlen: Die Bernd Reutemann GmbH, die Betriebsgesellschaft für das Hotel Bischofschloss, erwirtschaftete 2016 einen Umsatz in Höhe von 1,6 Mio. Euro (2015: 1,7 Mio.). Der Bilanzgewinn belief sich 2016 auf rund 366 000 Euro (2015: 204 000), in der Gewinn- und Verlustrechnung wurde der Personalaufwand 2016 mit rund 735 000 Euro (2015: 801 000 Euro) beziffert, die sonstigen betrieblichen Aufwendungen mit 570 850 Euro (2015: rund 538 540). Als Ergebnis nach Steuern wurde 2016 ein Jahresüberschuss in Höhe von rund 162 000 Euro (2015: 130 000) bilanziert.
  • Die Pacht: Die Miete für das Hotel im Bischofschloss belief sich auf 110 000 Euro/Jahr. Fürs letzte komplette Betriebsjahr 2016 wurde die Miete auf 48 000 Euro herabgesetzt. Nach eigenen Angaben hatte Reutemann zuvor rund eine Mio. Euro in die Ausstattung und Modernisierung des Hotels investiert. An diesen Kosten beteiligte sich der Eigentümer mit einer Mietminderung als Rückfallregelung. Über die Jahre hinweg hatten sowohl Weber (Gebäude) als auch Reutemann (Hotel) immer wieder größere Summen in das Schloss investiert. (Quelle der Zahlen: Unternehmensregister/Registergericht Freiburg)