Herr Reutemann, vor etwa 18 Monaten ging für Sie die Ära Bischofsschloss zu Ende. Was hat es für Sie bedeutet, das Hotel aufzugeben?
Ich habe das Bischofsschloss etwa 15 Jahre gemeinsam mit meiner Schwester betrieben, aus einer Ruine ein Hotel gemacht und es wirtschaftlich erfolgreich geführt. Am Ende hat es mich sehr belastet, meine knapp 40 Mitarbeiter entlassen zu müssen. Wir waren über die Jahre hinweg zu einem eingeschworenen Team zusammengewachsen, das Hotel war tragfähig und mit dem Überschuss wurde auch viel Gutes getan.
Ich habe direkt nach der Schließung das temporäre Management eines Hotels in Offenburg übernommen und war dann gleich wieder sehr eingebunden. Ein paar Monate später habe ich dann erst so richtig gemerkt, wie sehr mir meine „Schlossgeister“, die gewohnte Herzlichkeit und das Bischofsschloss fehlten. Mit meinen ehemaligen Mitarbeitern treffe ich mich tatsächlich noch heute regelmäßig zum Stammtisch.
Wie ist heute Ihr Verhältnis zum Markdorfer Bürgermeister und dem Gemeinderat? Ist das Tischtuch wegen der „Causa Bischofsschloss“ zerschnitten?
Der von mir sehr geschätzte Albert Weber hat einmal zu mir gesagt: „Hegen Sie keinen Groll, sind Sie nicht nachtragend, sonst stehen Sie sich selbst im Wege.“ Das ist ein sehr kluger Spruch, den ich mir auch in dieser Sache zu Herzen nehme. Als mein Grundsatz gilt, immer die Hand zu reichen und das habe ich auch in Sachen Bischofsschloss getan. Es zeigt sich jedoch immer wieder, dass es sehr schwer ist, die Interessen der öffentlichen Verwaltung mit denjenigen eines Wirtschaftsbetriebes zusammenzubringen, nicht nur in Markdorf.
Könnten Sie sich vorstellen, in Markdorf noch einmal ein Hotel- oder Gastronomieprojekt umzusetzen?
Ich habe derzeit viele Projekte in ganz unterschiedlichen Bereichen parallel laufen. Aber natürlich ist es so, dass mich Hotel- und Gastronomieprojekte nicht ganz loslassen. Es hat sich hier bei den Betreiberkonzepten viel weiterentwickelt und wenn sich etwas Attraktives in oder um Markdorf ergeben würde, wäre ich hierfür selbstverständlich offen.
Wie bewerten Sie persönlich den knappen Bürgerentscheid zum Bischofsschloss?
Das unglückliche Ergebnis spaltet die Markdorfer Bürger. Bürgerentscheide können bei manchen Themen mitunter sinnvoll sein, aber hier sind zu viele Emotionen hochgekocht. Das Thema „Bischofsschloss„ wird jetzt für den Bürgermeister und die Gemeinderäte eine durchaus herausfordernde Aufgabe über Jahre hinweg sein. Ich hoffe sehr, dass für alle Seiten, für die Stadt und ihre Bürger, eine gute Lösung gefunden wird.
Was treibt Sie in Ihrem derzeitigen Berufsleben als Berater und Unternehmer an?
Das, was mir schon zu Bischofsschloss-Zeiten am Herzen lag, steht auch heute noch bei mir im Mittelpunkt: den Menschen Wertschätzung und Respekt vermitteln. Als Unternehmensberater setze ich heute dem Management den Spiegel vor und versuche zu erklären, dass Wertschätzung und Moral im Unternehmen wieder attraktiv werden müssen. Oft sind es Kleinigkeiten, die die Mitarbeiter motivieren, glücklich machen und Freude ins Business bringen. In meinen Workshops und Vorträgen gebe ich dem Management Impulse und entsprechende Werkzeuge für die Umsetzung an die Hand.
Stehen Sie damit in der heutigen Berufswelt nicht auf verlorenem Posten?
Natürlich funktioniert das Konzept nur, wenn es das obere Management auch mitträgt. Meine Erfahrung zeigt jedoch, dass eine Veränderung in der Unternehmenskultur oft gewollt ist, aber den Führungskräften entsprechende Werkzeuge für die erfolgreiche Umsetzung fehlen. Hier komme ich dann ins Spiel. Ich selbst habe in der elterlichen Gastronomie sehr hautnah eine humanistische Unternehmensführung erlebt und möchte diese Prinzipien auch in andere Unternehmen tragen.
Für den Erfolg ist letztlich jedoch das Interesse am Menschen entscheidend. Beständige Werte müssen wieder in die Firmen eingebracht werden. Die Wirtschaft muss insgesamt wieder mehr Moral bekommen und sich von der reinen Betrachtung eines kurzfristigen Quartalsergebnisses verabschieden.
Neben Ihrer Beratungstätigkeit engagieren Sie sich im Kinderhospizdienst Amalie. Wie kam es dazu?
Über den Tod wurde bei uns in der Familie immer offen gesprochen. Mein eigener Vater ist recht früh verstorben und ich habe seinen Tod direkt miterlebt. Dazu kam, dass ich vor ungefähr 20 Jahren meine eigene Laudatio zum 80. Geburtstag unter dem Motto „Wer war der Bernd?“, verfasst habe. Dabei kristallisierte sich in den ganzen Überlegungen heraus, dass „Bernd“ auf jeden Fall sozial engagiert war.
Ich wollte mich eigentlich immer schon sozial engagieren und habe mich dann für die Hospizarbeit entschieden. Die einjährige Hospizausbildung war nicht nur die beste Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahme meines Lebens, sondern überhaupt das Beste, was ich je gemacht habe.
Hat die Laudatio letztlich dazu beigetragen, dass Sie heute Familien mit todkranken Kindern unterstützen?
Die Laudatio verstärkte tatsächlich dann noch den bereits vorhandenen Wunsch, mich sozial zu engagieren. In den zwölf Monaten der Ausbildung erfährt man Situationen, die sehr weit weg vom eigenen Leben sind. Oft denkt die Familie, sie hätte noch viel Zeit miteinander, aber leider hat man die meistens nicht. Im Rahmen der Ausbildung haben wir ehrenamtliche Hospiz-Mitarbeiter gelernt, zuzuhören, zu helfen, zu begleiten, uns um Geschwisterkinder zu kümmern oder als neutraler Ansprechpartner einfach nur da zu sein. Wir sind etwa vier bis sechs Stunden pro Woche da, als Stütze für die Familie.
Wie sind die Erfahrungen mit der Hospizarbeit? Belastet Sie das Erlebte nicht im Privatleben?
Die Erfahrungen im Kinderhospizdienst sind oft nicht einfach. Natürlich möchten insbesondere Kinder nicht sterben. Das fühlt sich einfach nicht richtig an. Aber es gibt in der Hospizarbeit wirklich viele erfüllende Momente, beispielsweise, wenn ich in eine Familie komme und das Kind mir zeigt, dass es sich über mein Kommen freut. Was mein Privatleben anbelangt, versuche ich, die Themen so weit es geht, nicht mit nach Hause zu nehmen.
Zur Person
Bernd Reutemann wurde 1969 geboren. Seine Eltern betrieben einen Gasthof in Gerbertshaus, sodass seine Ausbildung zum Koch quasi vorbestimmt war. Die Arbeit als Koch allein erfüllte ihn jedoch nicht, er interessierte sich auch für zahlenbasierte Erfolgsprognosen, sodass er sich für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre entschloss. Nach mehreren Jahren als Unternehmensberater in den Bereichen Hotel, Gastro und Freizeit, stolperte er eher zufällig über das Bischofsschloss in Markdorf, baute das Hotelprojekt auf und führte den Betrieb 15 Jahre erfolgreich. Als Unternehmer ist er heute in vielen verschiedenen Projekten engagiert, als Trainer und Berater vermittelt er Unternehmen unter anderem die Bedeutung von Humanität und Respekt im Geschäftsbetrieb. Reutemann lebt in Oberteuringen, ist verheiratet und hat zwei Töchter. (gmu)