Herr Begale, wir sind umgeben von jeder Menge Tauben. Seit wann betreiben Sie denn dieses Hobby?

1987 habe ich für damals noch 5 DM meine erste Taube gekauft und begonnen, zu züchten. Erst 2008 habe ich dann mehr investiert und seit 2010 sind meine Brieftauben gewerblich angemeldet.

Sie haben aber sicher nicht von heute auf morgen beschlossen, Brieftauben zu besitzen?

Nein, Tauben gab es hier auch schon vor meiner Zeit. Den ersten richtigen Bezug hatte ich, als ich fünf Jahre war. Da haben wir eine zugeflogene Taube gefunden und versucht, den Züchter zu finden. Seither habe ich mich stundenlang mit den Tieren beschäftigt. Wir haben als Kinder viel am Bach und am See gespielt und ich hab‘ immer eine Taube mitgenommen und sie da dann fliegen lassen. Mit 12 Jahren bin ich dann in den Brieftaubenzüchterverein eingetreten.

Das ist aber doch eher ein ungewöhnliches Hobby für einen Teenager. Wie haben ihre Freunde reagiert?

Tatsächlich habe ich die Tauben sogar mal mit zu einem Klassenfest genommen und dort fliegen lassen. Später machten wir einen Ausflug auf den Hohentwiel und ließen die Taube dort mit einer Nachricht versehen frei. Meine Klassenkameraden konnten es nicht glauben, als ich am nächsten Tag mit der Nachricht wieder in die Schule kam. Sie fanden es vielleicht ungewöhnlich, aber auch interessant. Mit 15 habe ich mehrere Tauben eingepackt und bin auf den Gehrenbergturm gelaufen, nur, um sie anschließend beim Fliegen zu beobachten.

Was genau fasziniert Sie denn so an Tauben?

Allein, ihnen zuzuschauen, wie sie fliegen, empfinde ich als total beruhigend, so komme ich runter. Die Tatsache, wie sie fliegen, dass sie fliegen und wie sie wieder heimfinden. Tauben sind schöne kluge Tiere und haben eine lange Geschichte. Bereits die Ägypter haben begonnen, Tauben als Haustiere zu halten. Später begann man, den Tauben Nachrichten mitzugeben, und durch die Kreuzritter gelangten sie nach Europa. In der Schweiz beispielsweise wurden Tauben noch bis 1985 zur Nachrichtenübermittlung verwendet. Eine der berühmtesten Tauben G.I. Joe erhielt sogar eine britische Kriegsauszeichnung. Die bisher teuerste Taube wurde letztes Jahr für 1,6 Millionen Euro versteigert. Und es gibt weltweit Wettflüge für Brieftaubem mit zum Teil hohen Preisgeldern. Die Brieftauben verbinden, ich habe bisher auf jedem Kontinent Züchter kennengelernt und mir ein Netzwerk aufgebaut, ob in den USA, Australien oder Kuba.

Das könnte Sie auch interessieren

Das ist tatsächlich faszinierend. Aber zurück zu Ihren Tauben. Wie viele besitzen Sie inzwischen?

Hier tummeln sich 124 Tauben. Meine älteste Taube ist von 2008. Normale Stadttauben werden meist nicht älter als ein Jahr. Sie essen, was sie in der Stadt finden: Pommes, Brotkrümel... trinken aus Pfützen und finden keinen Schutz vor ihren Feinden. Hier bekommen die Tauben gutes Futter, sauberes Wasser und eine regelmäßige Kontrolle durch einen Tierarzt und mich. Das ist mir allein schon wegen meiner Kinder wichtig. Auch für einen Auftrag in der Schweiz benötige ich einen Nachweis, dass meine Tauben gesund und geimpft sind.

Was benötigt es denn noch, damit die Tiere sich wohl fühlen?

Ein Vogel muss an den Himmel und fliegen. Das darf bei Brieftauben nicht unkontrolliert passieren. Natürlich besteht die Gefahr durch Raubvögel wie Sperber oder Habicht, aber das Risiko gehe ich ein. Gerade die jüngeren Vögel müssen ja auch lernen, wie sie sich bei Gefahr verhalten sollen. Abwandern tun die Tiere aber nur, wenn der Schlag zu voll ist, es nicht genug Futter und Wasser gibt.

Haben Ihre Tauben alle Namen?

Nein, schon lange nicht mehr. Trotzdem kenne ich von 95 Prozent die Geschichte, weiß, wo sie herkommen, auf welchen Events ich sie dabeihatte und was sie bereits erlebt haben. Jede Taube hat aber einen Ring, auf dem das Land steht, in dem der Vogel registriert ist, die Vereinsnummer und dann eine fortlaufende Nummer. So kann jede Taube ihrem Besitzer zugeordnet werden.

Tauben stehen einerseits für Schmutz, Plage, Krankheitsüberträger und andererseits für Frieden, Liebe, Hoffnung und Freiheit.

Die klassischen Hochzeitstauben sind klar aufs Aussehen gezüchtet. Für Hochzeiten sind weiße saubere Tauben erwünscht. Wobei mein Zuchtziel eher weiße Tauben mit verschiedenen dunklen Federn sind. Wichtig ist mir, dass alle Tauben fliegen dürfen, keine wird geschlachtet, nur weil sie für Hochzeiten vielleicht nicht geeignet ist.

Apropos Hochzeiten. Wie hat sich Corona auf Ihr Angebot der Hochzeitstauben ausgewirkt?

Klar sind die Umsätze zurückgegangen, viele Hochzeiten wurden ja verschoben oder fanden in anderem Rahmen statt. Es stehen zwar noch Hochzeiten aus, an denen ich gebucht bin, aber noch ist unklar, ob oder wann sie stattfinden. Noch dazu müssen ja dann die äußeren Bedingungen wie das Wetter passen.

Wie läuft es denn in normalen Jahren?

Die allgemeine Nachfrage ist schon recht hoch, in der näheren Umgebung scheine ich einer der wenigen zu sein, der Hochzeitstauben anbietet. Tatsächlich hatte ich mit 15 meinen ersten Auftrag für Freunde meiner Eltern. Da bin ich noch mit zwei Tauben im Körble mit dem Fahrrad zur Schlosskirche geradelt und habe natürlich kein Geld genommen. Viele Jahre war dann nichts. Nachdem ich das Gewerbe angemeldet habe, gab es aber Jahre, da hatte ich fast jeden Samstag im Sommer eine Hochzeit. Selbst an meiner eigenen Hochzeit habe ich noch eine andere Hochzeit beliefert (lacht).

Welches Gebiet decken Sie denn mit Ihren Brieftauben ab?

In der Region kann man mich eigentlich überall buchen, vom Hegau, Oberschwaben bis zum Allgäu. Südlich vom Bodensee fahre ich bis ins Montafon, St. Gallen bis Winterthur und Schaffhausen. Im Bregenzer Wald habe ich auch schon Hochzeiten beliefert.

Wie wird eine Taube denn zur Brief- oder Hochzeitstaube gemacht?

Wichtig sind die Kondition und Orientierung der Taube. Dafür werden sie erst am Haus fliegen gelassen. Dann gewöhne ich sie an den Korb und fahre ein bis zwei Kilometer von Fischbach weg und lasse sie dann fliegen. Meine Tauben lernen so den Ablauf kennen, dass sie eingefangen und transportiert werden und dann fliegen gelassen werden. Sie kennen den Ablauf, auch, dass ich in die Schläge komme und sie in die Hand nehme. Mit der Zeit nimmt man die Vögel dann immer ein Stückchen weiter mit und lässt sie fliegen. Meine Tauben finden aktuell aus einem Umkreis von circa 50 Kilometern wieder nach Hause. Dabei ist der See ein wenig ein Hindernis. Wenn die Tauben das andere Ufer nicht sehen, fliegen sie außen rum. So kommen sie zwar auch an, brauchen aber bedeutend länger. Für einen Rückflug von einer Hochzeit kein Problem, für einen Wettkampf nicht gerade förderlich.

Sind Sie mit Ihren Tauben schon einmal bei einem Wettkampf gestartet?

Ja, bis vor ein paar Jahren habe ich meine Tauben auf Wettflügen mitgegeben. Dieses Jahr möchte ich selbst wieder mitmachen. Es gibt vier Flüge und einen Flug aus Frankreich nach Hause. Dazu muss ich die Tauben aber trainieren und ihren Radius erweitern. Je erfahrener die Taube, desto mutiger wird sie. Tauben können bei günstigen Bedingungen wie Rückenwind bis zu 120 km/h fliegen und 500 Kilometer in fünf Stunden zurücklegen. Tauben sind also nicht nur schöne kluge Tiere, sondern auch ganz schön schnell.