Frau Zwerger, wann und wo kamen Sie zum ersten Mal mit Büchern und einer Bücherei in Kontakt?
Das war auf jeden Fall sehr früh. Ich war schon immer eine Leseratte und als Kind Stammgast in der Gemeindebibliothek von Grünkraut. Auch später in Ravensburg, während meiner Schulzeit, war ein Besuch der Bibliothek für mich immer ein Event. Zu Weihnachten habe ich mir regelmäßig einen Stapel Bücher gewünscht. In meiner Familie hat Lesen ganz natürlich dazu gehört und zu Hause war immer Lesestoff da. So habe ich das Lesen bereits in meiner Kindheit als Hobby entdeckt.
Ist Lesen für Sie inzwischen eine berufliche Pflicht oder immer noch ein Vergnügen?
Lesen ist für mich immer noch ein großes Vergnügen. Eigentlich ist es sogar eine Leidenschaft und nach wie vor ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens.
Die Oberteuringer Mediathek war länger geschlossen als andere Bibliotheken. Was war der Grund?
Ich bin die einzige Angestellte, ansonsten setzen wir auf die wirklich gute Arbeit unserer Ehrenamtlichen. Durch die Corona-Pandemie konnten einige nicht mitarbeiten, auch weil sie selbst zur Risikogruppe gehören. Hinzu kam, dass ich ein Jahr Erziehungszeit nehmen musste, um meine Kinder während des Lockdowns beim Homeschooling zu begleiten. Inzwischen sind wieder viele Ehrenamtliche ins Team zurückgekehrt und darüber freue ich mich natürlich sehr.
Was sagen die Besucher jetzt, wo die Mediathek wieder geöffnet ist? Wie sehr haben sie das Angebot vermisst?
Viele Leute melden mir zurück, wie sehr sie sich freuen, dass wir wieder da sind. Das gilt auch für die Kinder. Ich habe mir den Neustart schwieriger vorgestellt, aber gleich zu Beginn sind viele gekommen. Eine Frau erkundigte sich, warum wir so lange geschlossen hatten. Jetzt möchte sie sich selbst als Ehrenamtliche in der Mediathek engagieren. Das freut mich sehr.
Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Leiterin der Mediathek?
Ich mache alles von der Planung über die Verwaltung bis zur Begleitung der Ehrenamtlichen. Ich bin im Ausleihdienst tätig, pflege die Homepage, binde Bücher ein und organisiere Veranstaltungen. Eine wichtige Aufgabe ist natürlich die Auswahl der Medien. Das schwingt im Hintergrund immer mit.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Bücher und andere Medien aus?
Ich informiere mich, was aktuell auf den Bestsellerlisten steht und spreche mit Mitarbeitern von Buchhandlungen. Bücher, die auf der Short List für Preise stehen sind in unserer Mediathek ebenfalls zu finden. Ich nehme auch die Wünsche unserer Stammgäste und Ehrenamtlichen auf. Im Kinderbereich schaue ich immer wieder nach Medien, die den inklusiven Aspekt betonen. Wichtig ist mir auch der Bereich mit Büchern und Spielen für demenziell erkrankte Menschen. Aktuell bin ich dabei, einen Bereich zum Thema Nachhaltigkeit aufzubauen. Er reicht vom nachhaltigen Gärtnern bis zum Upcycling. Da wir so klein sind können wir auf die Wünsche und Interessen unserer Besucher eingehen. Das finde ich sehr schön.
Wie viele Bücher und andere Medien sind in der Mediathek zu finden?
Wir haben Platz für maximal 6000 Medien und stehen aktuell bei etwa 4500. Im Erwachsenenbereich sind es hauptsächlich Bücher. Bei den Kindern machen die Hörbücher etwa ein Drittel aus.
Welches sind die beliebtesten Bücher beziehungsweise Medien?
Gern ausgeliehen werden Krimis und Thriller, aber auch Familienromane. Kinderbücher laufen in der Mediathek am allerbesten.
Wieso sind Kinder eine so wichtige Zielgruppe?
Als Mediathek haben wir auch einen Bildungsauftrag, das heißt, wir möchten allen Menschen und insbesondere Kindern das Kulturgut Buch nahebringen. Kinder lernen hier, wie sie außerhalb des Internets Wissen finden. Geschichten sind für Kinder ganz zentral. Sie entdecken andere Welten und finden Gleichgesinnte in ihnen. Für die Kleinsten ist das Anschauen von Bildern und das Vorgelesen bekommen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Lesen lernen. Es regt ihre Fantasie und Vorstellungswelt an. Dies eröffnet einen wichtigen Raum, um eigene Ideen zu entwickeln und Gedankenexperimente zu machen.
Welche Möglichkeiten bieten Sie in der Mediathek neben dem Ausleihen, um Kindern Bücher nahezubringen?
Wir wollen bald wieder unsere Vorlesestunden im zweiwöchigen Rhythmus anbieten. Dabei verwenden wir das Erzähltheater Kamishibai mit Bildern passend zum Buch. Das kommt sehr gut an. Wieder aufleben lassen wollen wir auch unsere Führungen für Grundschulkinder.
Wie kann man Kindern helfen, dass der Lese-Funke auf sie überspringt?
Der Besuch unserer Vorlesestunden ist eine gute Möglichkeit, so wie Vorlesen allgemein. Wichtig ist auch, dass die Bücher dem Interesse der Kinder entsprechen. Manche Jungs lesen zum Beispiel lieber Comics oder Sachbücher mit weniger Text. Auch das sind gute Möglichkeiten, um das Lesen für sich zu entdecken.
Welche Rolle spielen die digitalen Medien in der Mediathek?
In unserem Erwachsenenbereich werden die Hörbücher weniger häufig ausgeliehen. Wer Hörbücher mag nutzt vermutlich entsprechende Apps und Abos statt CDs. Ich glaube, dass das Buch allein wegen seiner Haptik und Ästhetik bleiben wird. Kinder mögen Hörbücher allerdings sehr und leihen sie entsprechend häufig aus.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mediathek?
Ich wünsche mir, dass unsere Veranstaltungen wieder Fahrt aufnehmen. Dazu gehört zum Beispiel auch unser Literaturfrühstück, das vor der Corona-Pandemie sehr gut ankam. Der persönliche Kontakt spielt bei uns eine sehr große Rolle. Ein Wunsch wäre auch, dass die Zahl unserer Besucher noch weiter wächst. Den Bereich für demenziell erkrankte Menschen möchte ich noch weiter ausbauen. Als Mediathek wollen wir noch nachhaltiger werden. Eine Möglichkeit wäre, Bücher nicht mehr in Plastikfolie, sondern in abbaubare Bio-Folie einzubinden. Meine Aufgabe ist sehr vielseitig und die Arbeit wird ganz bestimmt nicht langweilig.
Welche Bücher lesen Sie selbst am liebsten?
Sehr gern lese ich Bücher über sozial und gesellschaftlich relevante Themen wie beispielsweise „Die Bagage“ von Monika Helfer oder „Lempi, das heißt Liebe“ von der finnischen Autorin Minna Rytisalo, ebenfalls eine Familiengeschichte, die in einer schwierigen Zeit spielt. Ich lese aber auch gern mal einen Krimi.
Welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Zuletzt war es „Identitti“ von Mithu Sanyal, ein witziges, total verrücktes Buch über Identität und Geschlechterrollen. Ganz oben auf dem Stapel liegt aktuell „Deutsches Haus“ von Annette Hess.