Am letzten Lebenstag von Sebastiana F. lag offenbar etwas in der Luft – so schildert es zumindest ihr damaliger Lebenspartner. Am Morgen des 21. Januar sei sie geistig abwesend gewesen und habe ihm keinen Abschiedskuss gegeben, sagt der 43-Jährige vor dem Landgericht Konstanz. „In einer Sprachnachricht hat sie mir vormittags dann gesagt, dass er kommt.“ Mit „er“ meinte sie den Angeklagten, Gezim F., ihren Ehemann, von dem sie getrennt lebte.
Aufgrund eines schlechten Bauchgefühls habe der Lebenspartner sie daher früher von der Arbeit abholen wollen. „Auf dem Weg dorthin habe ich das Blaulicht der Polizeiautos gesehen.“ An der Absperrung am Megamix-Markt habe er einem Polizisten mit Maschinenpistole gefragt, ob es Sebastiana F. gut gehe. „Er hat mir gesagt, dass sie tot ist.“
Nervöser Angeklagter starrt Zeugen an
Ein halbes Jahr später sitzt der 43-Jährige im Gerichtssaal. Am dritten Tag im Prozess um den Mord im Markdorfer Megamix-Markt im Januar ist er einer der Zeugen aus dem erweiterten Umfeld der Getöteten. Sebastiana F. und er seien seit März 2022 zusammen gewesen und lebten mit dem jüngsten Sohn von F. in einer Wohnung in Markdorf, erzählt er. „Wir waren zusammen im Urlaub und sie hatte mich gefragt, ob wir heiraten wollen.“
Der Lebenspartner begegnet im Gerichtssaal des Landgerichts erstmals dem Mann, der seine Partnerin erschossen haben soll. Dieser hat seit Prozessbeginn geschwiegen. Das tut er auch an diesem Tag, wirkt aber unruhig. Während der ersten Zeugenaussagen sitzt er mit hibbeligen Füßen auf seinem Stuhl und massiert nervös seine Hände. Als der Lebenspartner aussagt, starrt er ihn durchgehend an und schüttelt bei vereinzelten Aussagen grinsend den Kopf.
Ihr Zuhause nannte sie „die Hölle“
Was der Lebenspartner über den Angeklagten erzählt, hat er von Sebastiana F. erfahren. Seine Aussagen decken sich aber weitgehend mit den Berichten anderer Familienmitglieder. Er spricht von einer Ehe mit viel Streit, Trennungen, Psychoterror gegen Sebastiana F., häuslicher Gewalt und Todesdrohungen. Während sich diese vor der Tat häuften, habe die Geschädigte zunehmend unter Angstzuständen gelitten, sagt er. Der Angeklagte habe aber wohl nicht gewusst, dass seine Frau einen neuen Partner hatte.

„Sebastiana war seine goldene Henne“, schildert er. Sie habe gearbeitet, mehrere Jobs gehabt, das Leben von Gezim F. organisiert und die Familie zusammengehalten. Der Angeklagte habe stattdessen selten gearbeitet, täglich Alkohol getrunken und sich verschuldet. Ihr Zuhause mit Gezim F. nannte sie immer „die Hölle“ – bis sie im Jahr 2022 dort auszog. Dennoch habe sie immer gewollt, dass ihr jüngster Sohn Kontakt zum Vater behalte, obwohl dieser sich bei Gezim F. nicht wohl fühlte, erzählt der ehemalige Lebenspartner.
Schulden bei Dealern in Holland
Staatsanwalt Ulrich Gerlach fragt ihn anschließend nach einem möglichen Tatmotiv: „Stichwort Stolz oder Blutrache“. Gezim F. ist Albaner. „Die Trennung wird seinen Stolz verletzt haben, das kann er sich nach seinem Verständnis nicht leisten“, sagt der ehemalige Lebenspartner, der aus Serbien stammt. Und dann schiebt er nach: „Die Albaner sind ein unemanzipiertes Volk.“
In diesem Moment endet das Schweigen von Gezim F. „Er hat mein Volk beleidigt!“, ruft er. Die Vernehmung geht aber weiter, bei den Fragen vom Verteidiger Klaus-Martin Rogg wird der Ton rauer. Der Lebenspartner spricht von Drogengeschäften, die der Angeklagte gemacht haben soll, die auch andere Zeugen an diesem Tag bestätigen. „Er hatte Schulden bei einem Dealer in den Niederlanden.“
Angeklagter mit abfälliger Äußerung
Nach seiner Vernehmung geht der ehemalige Lebenspartner aus dem Saal und schaut dem Angeklagten mit Tränen in den Augen ins Gesicht. Dieser schaut zurück und ruft ihm etwas auf Albanisch hinterher. Bei anschließender Nachfrage vom Vorsitzenden Richter Arno Hornstein gibt der Dolmetscher wieder, dass Gezim F. sich gerade abfällig über die Mutter des Lebenspartners geäußert habe. F. versucht, auf den Dolmetscher einzureden, aber dieser wiederholt seine Äußerung wahrheitsgemäß. Der Vorsitzende Arno Hornstein ist darüber gar nicht erfreut und notiert sich diesen Vorfall.
Neben diesem Zeugen sagten Personen aus dem Familienumfeld aus. Mehrere von ihnen würdigten den Angeklagten bei ihrer Aussage keines Blickes und bestätigten, dass Sebastiana F. bereits in den Wochen vor dem 21. Januar mit ihrem baldigen Tod gerechnet habe. „Sie hat sich innerlich darauf vorbereitet, dass er sie umbringen wird“, sagt ihr Bruder. Ihre Cousine erzählte, dass Sebastiana F. ihr sogar ein Abschiedsgeschenk gekauft habe.
Diese Fragen sind weiter ungeklärt
Offen bleiben nach diesem Prozesstag aber mehrere Fragen. Beispielsweise nach der Blutrache – das hatte der Angeklagte am ersten Prozesstag als Erklärung genannt, warum er bei der Tat überhaupt eine Waffe dabei hatte. Offen bleibt auch die Frage nach dem Tatmotiv, dieses stellte Richter Hornstein allen Zeugen. Die Antworten nach dem Warum bewegten sich zwischen Rache, Eifersucht, Verlust von Ehre und Stolz durch die Trennung.
Dass die Tat geplant war, darauf weisen zumindest Digitalauswertungen der Kriminalpolizei hin. Er soll am Tag vor der Tat Abschiedsnachrichten an seinen ältesten Sohn und seine Tochter geschrieben haben. Außerdem soll Gezim F. sich für den Tattag bereits ein Taxi bestellt haben lassen. Das könnte wichtig bei der Urteilsfindung sein: Es schließt möglicherweise aus, dass er im Affekt gehandelt hat.
Zwei Prozesstage stehen aus
Die Antworten auf die offenen Fragen wird die Strafkammer des Landgerichts in den kommenden beiden Prozesstagen suchen. Diese sind für den 3. und 4. August angesetzt. Dann folgen weitere Zeugenaussage, ein Gutachter sowie die Abschlussplädoyers.