Er sei schon etwas zusammengezuckt, erklärte Landrat Luca Prayon. Denn „I mein‘ halt“-Moderator Ernst Arnegger habe seine Einladung zur Bürgerrunde im Markdorfer Obertor mit einem Themenkatalog verbunden. Prayon sollte außer über sich und seine Erfahrungen an der Spitze des Häfler Landratsamtes auch über Migration, über Integration, über die Landwirtschaft im Kreis, über die Ökonomie allgemein, über Bürokratie und außerdem über den Verkehr, den privaten wie den öffentlichen, sprechen. So habe es ihm Arnegger angekündigt.
Integration braucht Sprachunterricht
„Wir stehen vor riesigen Herausforderungen“, erklärte Prayon. Anders als von Statistikern angekündigt, stiegen die Bevölkerungszahlen an – gleichzeitig damit wüchsen auch die Probleme. Beruhe der Bevölkerungszuwachs doch in erster Linie auf dem Zuzug aus anderen Ländern. Problematisch sei zum Beispiel, wenn in den Grundschulen die Hälfte der Kinder aus Elternhäusern käme, in denen kein oder nur sehr wenig Deutsch gesprochen werde. Das aufzufangen, überlaste oftmals Erzieher wie Lehrer. Prayon, selbst Vater dreier Kinder, deutete gleichwohl an, dass es um die Bildung so schlecht nicht bestellt sein könne. „Was mein Sohn heute alles in der zweiten Klasse wissen muss, das hätte ich in seinem Alter damals nicht gewusst.“

Seine Zweifel am Bildungserfolg merkte hingegen Helmut Rieche aus dem Publikum an. Er befürchtet, dass die hohe Zahl von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist – und der damit verbundene intensive Betreuungsaufwand den Lernfortschritt der übrigen Schüler massiv bremse. Der Landrat widersprach nicht, verwies aber auf die Notwendigkeit der Integration – und auf die dafür notwendigen Investitionen. Es fehle vor allem an Personal. Räumlich und materiell seien Schulen und Kindergärten ebenso wie die vom Kreis getragenen Berufsschulen in der Regel recht gut ausgestattet. Woran es aber hapere, das sei die soziale Betreuung. Dort müsse mehr investiert werden, damit die Integration gelinge.
Leicht entspannte Flüchtlingssituation
Entspannt habe sich unterdessen die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung im Bodenseekreis. Prayon nannte Zahlen und Herkunftsregionen. Im Kreis leben zwar rund 3100 Geflüchtete aus der Ukraine. Doch nur 100 von ihnen sind in einer der Unterkünfte des Kreises untergebracht. Und zu den etwa 1000 Asylbewerbern sagte der Landrat, „da gibt es eine bunte Mischung, es überwiegen aber die Menschen aus Schwarzafrika und aus dem vorderasiatischen Raum“. Prayon bedauerte, „dass sich keine Pflegefamilien mehr finden, um die 100 unbegleiteten Minderjährigen, die Hälfte von ihnen unter 13, aufzunehmen“.
Warten auf den Bahnausbau
Arneggers Frage, wann die Umplanung für die beschlossene Markdorfer Südumfahrung fertig sei, konnte Prayon nicht beantworten. Dafür nannte er einen vagen Zeitrahmen für den Ausbau der Bodenseegürtelbahn. Wenn alles gut laufe, erklärte der Landrat, könnten in etwa 14 Jahren elektrifizierte Züge auf der dann zweigleisigen Strecke fahren.“ Zuhörerin Elli Miller ärgerte die immense Kostensteigerung des Projekts. Die ursprünglich veranschlagten 100 Millionen hätten sich inzwischen versechsfacht. Und Arnegger wiederum ärgerte, „dass Verkehrsminister Hermann die Bodenseegemeinden zur Kasse bitten möchte“ – mit dem Argument, sie hätten das Geld.

Zuhörer Frieder Staerke hingegen freute sich über die ausgebauten Buslinien in Markdorf, gab dem Landrat aber mit auf den Weg: „Es fehlt an Werbung für das Angebot, am Bahnhof gibt es nicht einmal einen Hinweis auf die Verbindung.“ Bürgermeister Georg Riedmann kündigte in diesem Zusammenhang an, dass der Stadtverkehr Friedrichshafen nach Ablauf der einjährigen Probephase einen Kurzstreckentarif für Markdorf in Aussicht stelle. Gründliche Kritik am ÖPNV-Konzept, das stets durch die Privilegien für den Individualverkehr benachteiligt werde, äußerten Norbert Beck und Staerke. Beck monierte, dass Parken in Markdorf gratis ist, mithin der Anreiz zur Bus- oder Bahnnutzung fehle. Und Staerke stellte sogar das kostenfreie Abstellen von Autos in Wohnstraßen infrage.
Genaues Hinschauen bei der Windkraft
Die Frage nach den möglichen Windkraftanlagen auf dem Gehrenberg warf Franz Frick auf. Und der Landrat versicherte: „Wir prüfen die Planungen ganz akkurat und schauen sehr genau auf alle Belange.“ Bodenbeschaffenheit und der Schutz des Waldes spielten da ebenso eine gewichtige Rolle wie der Schutz der Tiere. „Und wenn gegen irgend ein bestehendes Gesetz verstoßen wird, dann gibt es auch keine Genehmigung“, betonte Prayon.