Wer Einblicke in die Erdgeschichte gewinnen will, muss mitunter sehr tief bohren. Dass die Gesteinsschichten am nördlichen Bodenseeufer besonders aufschlussreich sein können, wissen Geologen schon länger. Doch rechtfertigt reines Wissenschaftsinteresse kaum das teure Sondieren des Untergrunds, auch wenn Aufschlüsse über 300 Millionen Jahre Entwicklung von Tiefengestein und Oberflächen-Kruste möglich sind.
In seinem Aufsatz „Geologie und Landschaft – Eine erdgeschichtliche Betrachtung“ für den Sammelband „Markdorf – Geschichte und Gegenwart“ schreibt Friedrich Beran 1994 von einem ganz anderen Anreiz. Er erinnert an jene drei Bohrungen bei Hepbach, bei denen Anfang der 1960er-Jahre erkundet wurde, ob es unter Markdorfer Scholle Erdöl oder Erdgas gibt. Es gibt beides. Doch in viel zu geringen Mengen, als dass eine Förderung wirtschaftlich wäre. Ein Gutes aber hatte der Vorstoß in die Tiefe, immerhin 2500 Meter, dann aus Sicht Berans doch. Die Bohrungen ergaben Aufschluss über den voralpinen Untergrund der Gehrenbergstadt.
Molasse-Ablagerungen beginnen vor 50 Millionen Jahren
Es war ein mächtiges Geschiebe. Als vor rund 100 Millionen Jahren die afrikanische auf die europäische Platte traf – und sich die Alpen falten. Manche Schichten wandern in die Tiefe, andere schieben sich nach oben. Ein Vorlandbecken bildet sich aus – und füllt sich mit Meerwasser, außerdem mit Sedimenten.
Es entstehen Molasse-Ablagerungen aus dem Abtragungsschutt der Alpenverfaltungsphase. Diese begann vor etwa 50 Millionen Jahren und dauerte rund 30 Millionen Jahre, vom mittleren zum jüngeren Tertiär und prägte auch die heutige Bodenseelandschaft. Den letzten Schliff bekam sie durch die gewaltigen Gletscher der Eiszeit.
Hangabriss am Berg ist auf ein Erdbeben zurückzuführen
Ganz jung, erst im letzten Stadium der Würmeiszeit entstanden, ist der Bodensee. Ihn schürfte der westliche Rhein-Gletscher aus der Molasseschicht. Zeuge dieser Vorgänge ist übrigens der Rutsch. Seit 1911 klafft am Gehrenberg ein Hangabriss, der sehr wahrscheinlich auf ein Erdbeben zurückzuführen ist. Es rutscht übrigens immer noch weiter – nur nicht mehr so spektakulär wie vor 100 Jahren. Was der Rutsch im Wortsinn offenlegt: Hier wechseln Kalksandsteinschichten mit Mergel. Es zeigen sich auch Geschiebelehme, die der Würmgletscher hangaufwärts gedrückt hat.
Friedrich Beran skizziert die geologische Situation am Gehrenberghang wie folgt: Es begegnet eine geschlossene Moränenauflage aus der Eiszeit, dies im Bereich Autenweiler – Wirmetsweiler. Zwischen Fitzenweiler und Gnadenau erodierte die Oberfläche – sodass Molasseschichten frei liegen. Bei Allerheiligen finden sich Gehrenbergkiese – als Reste aus der Eiszeit-Anfangsphase. Mithin schlägt der Berg an seiner Südflanke das große Buch der Erdgeschichte auf.