Kneipen, Clubs, Bars und Restaurants sind geschlossen, Freizeiteinrichtungen ohnehin. Offen bleibt der Einzelhandel. „Und die Tafel auch“, erklärt Günther Wieth. Der Vorsitzende des Vereins „Zukunftswerkstatt“ ist gleichzeitig Leiter des Tafelladens im Markdorfer Stadtgraben. „Es haben schon etliche unserer Kunden angerufen“, berichtet Wieth. Weil sie fürchteten, dass – so wie beim Lockdown im vergangenen Frühjahr – donnerstags keine Lebensmittel mehr verteilt würden. Hier kann der Tafel-Chef vorläufig entwarnen. „Bei uns gelten die gleichen Regeln wie im Lebenmittelhandel – und der hat ja auch auf.

Brauchen dringend neue Mitarbeiter, die ehrenamtlich bei der Tafel mithelfen: Günther Wieth und Reinhard Hendricks, Vorsitzender und ...
Brauchen dringend neue Mitarbeiter, die ehrenamtlich bei der Tafel mithelfen: Günther Wieth und Reinhard Hendricks, Vorsitzender und Vize der Tafel. | Bild: Jörg Büsche

Christa Wieth macht die Eingangskontrolle

Bei einer Ladengröße von etwa 140 Quadratmetern dürften sich 14 Personen im Tafelladen aufhalten. „Sieben Kunden und sieben Mitarbeiter, die Lebensmittel verteilen.“ Dass diese Vorgabe streng eingehalten wird, darauf achte seine Frau, Christa Wieth, mit Argusaugen, schmunzelt der Tafel-Chef. In der Regel mache sie die Eingangskontrolle und habe dabei auch die Schlange im Hof der Tafel im Blick. „Bei uns herrscht kein höheres Risiko als in jedem anderen Geschäft“, erklärt Wieth.

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Zahl der freiwilligen Mitarbeiter wird so langsam eng

Vor allem zwei Dinge hat Günther Wieth beobachtet in den Monaten seit der Wiedereröffnung des Tafelladens nach Pfingsten: Die Furcht vor einer möglichen Ansteckung im Gewölbekeller der Tafel halte vor allem Ältere vom Einkauf ab. „Dabei achten wir peinlich auf Abstand und Hygiene“, versichert der Tafel-Leiter. Diese Ansteckungsängste sind es auch, die etliche der freiwilligen Tafelmitarbeiter von ihrem ehrenamtlichen Einsatz zurückschrecken lässt. Insbesondere jene, die zur Risikogruppe durch eine Infektion mit dem Covid-19-Virus gehören. „Vor Corona hatten wir etwa 85 freiwillige Mitarbeiter“, berichtet Wieth, „nun sind es nur noch 70.“ „Deshalb wird es allmählich eng bei den Mitarbeitern“, erklärt der Tafel-Chef, „neue Helfer könnten wir gut gebrauchen.“ Wer sich diesen Einsatz vorstellen könnte, wer im Tafelladen Lebensmittel ausgeben, wer Brot-, Fleisch-, Gemüse- oder Milchprodukte-Spenden in Geschäften, auf dem Markt beziehungsweise direkt beim Erzeuger abholen möchte, der möge sich bei der Tafel melden. Auf der Suche ist Wieth übrigens auch nach haltbaren Lebensmitteln. Da herrsche großer Bedarf.

Ingrid Schulle kommt vom Wochenmarkt, den Wagen voll mit gespendetem Gemüse für die Tafel.
Ingrid Schulle kommt vom Wochenmarkt, den Wagen voll mit gespendetem Gemüse für die Tafel. | Bild: Jörg Büsche

25 Jahre Tafel-Dachverband aktuell kein Grund zum Feiern

Der Dachverband der bundesdeutschen Tafeln hat vor wenigen Wochen an sein 25-jähriges Bestehen erinnert. Ein Grund zum Feiern, kann es für Günther Wieth zu diesem Jubiläum aber nicht geben. Im Gegenteil: „Mit welcher Rasanz sich die Armut bei uns entwickelt, bedrückt mich“, erklärt Wieth. Menschen mit geringem Einkommen sind es, an die die Tafeln gespendete Lebensmittel abgeben. Und eben diese Gruppe ist auch von den Folgen der Corona-Krise stark betroffen. So dass Armutsforscher nun vor Verelendungstendenzen warnen. In diesem Zusammenhang bedauert es Tafel-Leiter Wieth, besonders, „dass wir trotz all unserer Bemühungen die bedürftigen Älteren überhaupt nicht erreichen“. Alle Versuche, die Senioren mit zu kleiner Rente auf das Tafel-Angebot aufmerksam zu machen, seien fehl geschlagen. Vor allem sei es die Scham, nach oftmals jahrzehntelanger Erwerbsarbeit im Alter in Armut zu leben, die vom Besuch im Tafelladen abhalte, erklärt Wieth.

Ingrid Hahn gibt das Brot aus. Sie freut sich, dass das Backwerk noch gegessen wird.
Ingrid Hahn gibt das Brot aus. Sie freut sich, dass das Backwerk noch gegessen wird. | Bild: Jörg Büsche

Zum Verbands-Jubiläum an die Öffentlichkeit zu gehen, hielt die Markdorfer Tafel für wenig ratsam. Dagegen sprach Corona. „Wir werden wohl 2021 zu einem Tag der offenen Tür einladen“, kündigt Günther Wieth an. Das sei dann durchaus turnusgemäß, öffne der Tafelladen doch nur im Zweijahres-Rhythmus seine Pforte für die Markdorfer Öffentlichkeit.

Zahl der Tafelkunden könnte im neuen Jahr deutlich steigen

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Noch sei von der corona-bedingten Talfahrt der deutschen Wirtschaft so gut wie gar nichts zu spüren in der Tafel. „Die Rezession spielt derzeit keine Rolle für uns“, erklärt Wieth. Aber er rechnet, dass sich das schon zum Jahreswechsel ändere. Im Moment federe noch die Kurzarbeit viel ab. Was sich im nächsten Jahr aber schon ändern könne. Weshalb Wieth mit einem deutlichen Anstieg der Tafelkunden rechnet. Mit großen Sorgen schaut er dabei auf die Entwicklung in manchem Markdorfer Betrieb. Sowohl die Zulieferer der Automobilbranche wie auch die der Flugzeugindustrie leiden derzeit stark. „Da wird es wohl oder übel zu Entlassungen kommen“, fürchtet Wieth.