Kneipen, Clubs, Bars und Restaurants sind geschlossen, Freizeiteinrichtungen ohnehin. Offen bleibt der Einzelhandel. „Und die Tafel auch“, erklärt Günther Wieth. Der Vorsitzende des Vereins „Zukunftswerkstatt“ ist gleichzeitig Leiter des Tafelladens im Markdorfer Stadtgraben. „Es haben schon etliche unserer Kunden angerufen“, berichtet Wieth. Weil sie fürchteten, dass – so wie beim Lockdown im vergangenen Frühjahr – donnerstags keine Lebensmittel mehr verteilt würden. Hier kann der Tafel-Chef vorläufig entwarnen. „Bei uns gelten die gleichen Regeln wie im Lebenmittelhandel – und der hat ja auch auf.

Christa Wieth macht die Eingangskontrolle
Bei einer Ladengröße von etwa 140 Quadratmetern dürften sich 14 Personen im Tafelladen aufhalten. „Sieben Kunden und sieben Mitarbeiter, die Lebensmittel verteilen.“ Dass diese Vorgabe streng eingehalten wird, darauf achte seine Frau, Christa Wieth, mit Argusaugen, schmunzelt der Tafel-Chef. In der Regel mache sie die Eingangskontrolle und habe dabei auch die Schlange im Hof der Tafel im Blick. „Bei uns herrscht kein höheres Risiko als in jedem anderen Geschäft“, erklärt Wieth.
Zahl der freiwilligen Mitarbeiter wird so langsam eng
Vor allem zwei Dinge hat Günther Wieth beobachtet in den Monaten seit der Wiedereröffnung des Tafelladens nach Pfingsten: Die Furcht vor einer möglichen Ansteckung im Gewölbekeller der Tafel halte vor allem Ältere vom Einkauf ab. „Dabei achten wir peinlich auf Abstand und Hygiene“, versichert der Tafel-Leiter. Diese Ansteckungsängste sind es auch, die etliche der freiwilligen Tafelmitarbeiter von ihrem ehrenamtlichen Einsatz zurückschrecken lässt. Insbesondere jene, die zur Risikogruppe durch eine Infektion mit dem Covid-19-Virus gehören. „Vor Corona hatten wir etwa 85 freiwillige Mitarbeiter“, berichtet Wieth, „nun sind es nur noch 70.“ „Deshalb wird es allmählich eng bei den Mitarbeitern“, erklärt der Tafel-Chef, „neue Helfer könnten wir gut gebrauchen.“ Wer sich diesen Einsatz vorstellen könnte, wer im Tafelladen Lebensmittel ausgeben, wer Brot-, Fleisch-, Gemüse- oder Milchprodukte-Spenden in Geschäften, auf dem Markt beziehungsweise direkt beim Erzeuger abholen möchte, der möge sich bei der Tafel melden. Auf der Suche ist Wieth übrigens auch nach haltbaren Lebensmitteln. Da herrsche großer Bedarf.

25 Jahre Tafel-Dachverband aktuell kein Grund zum Feiern
Der Dachverband der bundesdeutschen Tafeln hat vor wenigen Wochen an sein 25-jähriges Bestehen erinnert. Ein Grund zum Feiern, kann es für Günther Wieth zu diesem Jubiläum aber nicht geben. Im Gegenteil: „Mit welcher Rasanz sich die Armut bei uns entwickelt, bedrückt mich“, erklärt Wieth. Menschen mit geringem Einkommen sind es, an die die Tafeln gespendete Lebensmittel abgeben. Und eben diese Gruppe ist auch von den Folgen der Corona-Krise stark betroffen. So dass Armutsforscher nun vor Verelendungstendenzen warnen. In diesem Zusammenhang bedauert es Tafel-Leiter Wieth, besonders, „dass wir trotz all unserer Bemühungen die bedürftigen Älteren überhaupt nicht erreichen“. Alle Versuche, die Senioren mit zu kleiner Rente auf das Tafel-Angebot aufmerksam zu machen, seien fehl geschlagen. Vor allem sei es die Scham, nach oftmals jahrzehntelanger Erwerbsarbeit im Alter in Armut zu leben, die vom Besuch im Tafelladen abhalte, erklärt Wieth.

Zum Verbands-Jubiläum an die Öffentlichkeit zu gehen, hielt die Markdorfer Tafel für wenig ratsam. Dagegen sprach Corona. „Wir werden wohl 2021 zu einem Tag der offenen Tür einladen“, kündigt Günther Wieth an. Das sei dann durchaus turnusgemäß, öffne der Tafelladen doch nur im Zweijahres-Rhythmus seine Pforte für die Markdorfer Öffentlichkeit.
Zahl der Tafelkunden könnte im neuen Jahr deutlich steigen
Noch sei von der corona-bedingten Talfahrt der deutschen Wirtschaft so gut wie gar nichts zu spüren in der Tafel. „Die Rezession spielt derzeit keine Rolle für uns“, erklärt Wieth. Aber er rechnet, dass sich das schon zum Jahreswechsel ändere. Im Moment federe noch die Kurzarbeit viel ab. Was sich im nächsten Jahr aber schon ändern könne. Weshalb Wieth mit einem deutlichen Anstieg der Tafelkunden rechnet. Mit großen Sorgen schaut er dabei auf die Entwicklung in manchem Markdorfer Betrieb. Sowohl die Zulieferer der Automobilbranche wie auch die der Flugzeugindustrie leiden derzeit stark. „Da wird es wohl oder übel zu Entlassungen kommen“, fürchtet Wieth.
Die Tafel
- Seit 2001 trägt der Verein „Zukunftswerkstatt“ die Markdorfer „Tafel“ – eine von 940 Einrichtungen dieser Art in der Bundesrepublik.
- Das Verteilen von Lebensmitteln an Bedürftige ist nicht das einzige Anliegen der Tafel. Außerdem verfolgt sie ökologische Ziele. Ihre Arbeit wendet sich auch gegen die Überschuss-Produktion im Lebensmittelsektor. Mehr als 50 Prozent der in Deutschland erzeugten Lebensmittel kommen auf den Müll. Wobei es die Privathaushalte sind, die den Löwenanteil ausmachen. Hier möchte die Tafel mehr Bewusstsein für einen behutsameren Umgang mit den Ressourcen wecken.
- Aktuell sind 190 Tafelausweise ausgegeben, an Familien, aber auch an Einzelpersonen. Der Empfängerkreis umfasst 640 Menschen.
Informationen im Internet: Markdorfer Tafel