Wer in diesen Herbsttagen durch den Gehau-Wald an der Bundesstraße nach Meersburg geht, der sieht Ungewohntes. Zu Poltern gestapelte Stämme, abgesägte Kronen, Äste, ganze Haufen Gezweigs. „Wir konnten hier endlich durchforsten“, erklärt Stadtförster Jörn Burger.

Der trockene Sommer machte den nördlichen Gehaubereich zugänglich. Denn für schweres Gerät sind die feuchten Senken im Gehau sonst kaum erreichbar. Es ließen sich keine Rückegassen anlegen, auf denen die gefällten Stämme abgeholt werden können. „Darum wurde hier seit 20 Jahren nichts mehr gemacht“, blickt Burger zurück.

Der trockene Sommer 2022 machte ein Durchforsten im nördlichen Gehauwald möglich.
Der trockene Sommer 2022 machte ein Durchforsten im nördlichen Gehauwald möglich. | Bild: Jörg Büsche

Dank der über Wochen anhaltenden Trockenheit, konnte das Areal nun endlich durchforstet, von allem befreit werden, was minderwertig ist oder hemmt. Bis der Bereich dann wieder aufgeräumt ist, so kündigt der Stadtförster an, könnte es allerdings noch eine Weile dauern. Denn mit seinen zwei Mitarbeitern ist er stets auf mehreren „Baustellen“ im Wald unterwegs.

Die Ladenhüter des Walds sind plötzlich gefragt

Oftmals heißt es sehr kurzfristig zu reagieren: Weil Schäden zu beheben sind, weil für Verkehrssicherheit zu sorgen ist. Stadtförster Burger weist auf einen Holzpolder am Weg. Die rötlichen Schnittflächen der Stämme zeigen: Hier liegt Erlenholz. Eine Holzart, die bis vor kurzem kaum das Aufarbeiten gelohnt habe. So niedrig waren die Preise. Das habe sich inzwischen grundlegend verändert. Der Preis ist ums Vierfache gestiegen. Eine Folge der rasant nach oben schießenden Kosten für Gas und Öl.

Der kleine Polter für die Privatabnehmer.
Der kleine Polter für die Privatabnehmer. | Bild: Jörg Büsche

„Die Leute suchen nach Alternativen“, erklärt Jörn Burger. Einerseits häufen sich bei ihm die Anrufe von Menschen, die sich das Holz für ihren heimischen Ofen direkt aus dem Wald abholen möchten. Die kommen dann mit Kettensäge und Anhänger, um sich die für sie bereitgelegten Stämme aufs passende Format zu sägen.

Andererseits aber rufen auch vermehrt die Holzgroßhändler an. Sie wollen die Nachfrage nach Brennholz bedienen. „Man reißt mir das Holz förmlich aus den Händen“, berichtet Jörn Burger. Der Markt habe sich deutlich verändert. Verkaufte er in der Vergangenheit häufig an Kunden aus Italien oder Griechenland, so kommen die Käufer nun aus der Region.

Geschlagene Stämme, die auf einen Großabnehmer warten.
Geschlagene Stämme, die auf einen Großabnehmer warten. | Bild: Jörg Büsche

Digitaler Kampf gegen Holzdiebe

Was die Förster und Waldbesitzer im Norden inzwischen immer öfter beklagen, bleibt am Bodensee noch seltene Ausnahme: der Holzdiebstahl. Die Energiekrise führt dazu, das mancherorts schubkarrenweise Stamm-Stücke abgefahren werden. Mitunter kommen die Holzdiebe sogar mit dem Lastwagen in den Wald. Allzu große Sorgen macht sich Burger deshalb aber noch nicht. „Wir haben unseren Forst ziemlich gut im Blick – wir sind ja präsent im Wald“, erklärt er. Obendrein stecken auch Nadeln in manchen Holzpoltern. GPS-Tracker, die Jörn Burger auf seinem Handy melden, wenn die Stämme bewegt werden.

Künftig wieder mehr Nachhaltigkeit

Auch in diesem Jahr liegt die Menge des geschlagenen Holzes im Stadtwald höher als es die Grundsätze einer nachhaltig betriebenen Holzwirtschaft erlauben würden. „Unser üblicher Hiebesatz liegt bei etwa 5000 Festmetern im Jahr“, erläutert Jörn Burger. Dahin will er künftig auch wieder hingelangen.

Derzeit aber schlagen die Forstmitarbeiter jährlich rund 5500 Festmeter. Diese Schieflage, der vermehrte Hieb hat Gründe. „Die Ursache liegt in den Kalamitäten“, so Burger. In den Schwierigkeiten, in denen sich der Stadtwald seit geraumer Zeit befindet. Dazu zählen das Eschentriebsterben, der Käferbefall sowie die Trockenschäden unter denen insbesondere die Nadelholzbäume leiden.

Ein Rahmen für Spaziergänger. Beim Durchschauen können sich ein Bild vom Wandel im Wald machen – sofern sie sich das früher ...
Ein Rahmen für Spaziergänger. Beim Durchschauen können sich ein Bild vom Wandel im Wald machen – sofern sie sich das früher Gesehene eingeprägt haben. | Bild: Jörg Büsche
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Mehr Raum für Experimente

Einen gewissen Vorteil bringt die verstärkte Holzernte jedoch mit sich. „So haben wir mehr Platz für Neuanpflanzungen“, erklärt Stadförster Jörn Burger. Und neu angepflanzt werden dann weniger die alten Baumarten, sondern andere. Baumarten, die mehr Resilienz versprechen – die sowohl gegen die Hitze beständiger sind wie auch gegen die Trockenheit, die der Klimawandel mit sich bringt. Gänzlich unumstritten sei dieses Vorgehen allerdings nicht. Kritisch sehen es vor allem die Verfechter der Idee, dass in den heimischen Wäldern ausschließlich heimische Pflanzen wachsen sollen.

Hier werden auch Esskastanien aus Südtirol gepflanzt.
Hier werden auch Esskastanien aus Südtirol gepflanzt. | Bild: Jörg Büsche

Alte Waldneulinge aus Nordamerika

Unter dem für die fortgeschrittene Jahreszeit noch ungewöhnlich geschlossenen Laubdach in einem etwas weiter südlich gelegenen Areal des Gehauwalds kommen wohl die wenigsten Spaziergänger auf die Idee, dass sie sich gewissermaßen mitten in einem Freilandversuch befinden. Denn sie wandeln unter den Kronen hoch ragender Bäume. „Die hat einer meiner Vorgänger gepflanzt“, weist Stadtförster auf die es in einem halben Jahrhundert zu stattlicher Stärke gebracht habenden Stämme.

Diese Roteichen aus Nordamerika stehen schon seit rund 50 Jahren im Gehau.
Diese Roteichen aus Nordamerika stehen schon seit rund 50 Jahren im Gehau. | Bild: Jörg Büsche

Hier stehen Roteichen. Die rötliche Färbung ihrer spitz zulaufenden Blattlappen machte die Bäume aus Nordamerika schon im 18. Jahrhundert zu beliebten Pflanzen für Parkanlagen. Warum vor 50 Jahren im Gehau mit dem Fremdling aus den USA experimentiert worden ist, kann Burger nur mutmaßen.

In jedem Falle aber erweist sich die Roteiche als recht widerstandsfähig. Widerstandsfähiger zumal als mancher andere Baum, dessen Verwendung die Forstwissenschaftler derzeit diskutieren, dem die hier zu erwartenden Frühjahrsfröste jedoch erheblich zusetzen können. Im Gespräch sind aktuell auch Platanen und Esskastanien, erklärt der Stadtförster. Auch der Stadtwald befindet sich derzeit im Wandel.