Ernst Arnegger war im Wald. Nicht alleine, sondern umgeben von einer ganzen Menschentraube hat er sich kürzlich durch den Wald am Hang des Gehrenbergs bewegt. Der Moderator der beliebten Markdorfer Bürgerrunde mit dem vielsagenden Namen „I mein‘ halt“ hatte zur Wanderung durch den städtischen Forst beziehungsweise über jene Wege geladen, die durch privaten Waldbesitz führen. „Wir wollen einmal von kompetenten Fachleuten und auch von Betroffenen hören“, so erklärte Arnegger sein Anliegen, „wie sich die vielen unterschiedlichen Interessen im Wald unter einen Hut bringen lassen.“

Haben interessierte Bürger durch den Wald geführt: Ansgar Oker (Biker), Georg Enderle (Schwäbischer Albverein), Hansjörg Bentele ...
Haben interessierte Bürger durch den Wald geführt: Ansgar Oker (Biker), Georg Enderle (Schwäbischer Albverein), Hansjörg Bentele (Hegering), Claudius Keller (Waldbesitzer) Moderator Ernst Arnegger und Stadtförster Jörn Burger (von links). | Bild: Jörg Büsche

Gegenwind blies Ansgar Oker ins Gesicht. Als der Sprecher der Biker-Szene rund um den Gehrenberg von den wachsenden Bedürfnissen der von ihm vertretenen Radfahrer – vor allem Mountainbikefahrer – sprach, auch von deren Wunsch nach einem weiteren Streckenausbau, erntete er deutlichen Widerspruch. Ganz nach dem Motto „I mein‘ halt“ gab es Protest gegen dieses Anliegen. Obendrein kam der Hinweis auf angeblich immer wieder zu beobachtendes Fehlverhalten der Biker. Ansgar Oker mag da nicht verallgemeinern. „In jedem Bereich gibt es Menschen, die sich nicht so verhalten wie es sein sollte.“ Insgesamt aber sieht er, „dass das Radeln im Gehrenbergwald immer weiter zunimmt“. Dazu beigetragen habe die Corona-Pandemie. Da sei die Fahrt unter Bäume willkommene Ausflucht gewesen. Okers Wünsche: mehr wechselseitiges Verständnis und neue Wege – möglichst auch im regionalen Verbund der Stadt Markdorf und der Gemeinden Salem, Bermatingen und Deggenhausertal mit ihren schönen zusammenhängenden Waldflächen.

Die meisten Wege sind begehbar

Bei Stadtförster Jörn Burger traf Ansgar Oker da auf viel Verständnis. Den Forstmann hatte Moderator Arnegger eingeladen hatte, damit er schildern konnte, wie sich die Natur an Markdorfs Hausberg entwickelt. Und vor welche Aufgaben sich die Waldwirtschaft vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen, aber auch anbetrachts des immer stärker wachsenden Bedarfs an Brenn- und Bauholz gestellt sieht. „Der Wald ist für alle da“, nannte Burger seine Überzeugung. Und im Markdorfer Stadtwald seien es etwa 90 Prozent der Fläche, auf deren Wegen sich Ausflügler und Touristen bewegen dürfen.

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Rund 1200 Hektar sei der Gehrenberg-Wald groß. Ein Drittel davon mache der Wald in städtischem Besitz beziehungsweise in Spitalbesitz aus. Der Rest sei Privatwald – zum Teil in recht kleinen Streifen. Und der Wald sei im Wandel, erklärte Burger. Der Anteil an Nadelbäumen sinke stark, damit auch der Anteil an Nutzholz. Tiefe Spuren haben auch die Stürme der letzten zwei Jahrzehnte hinterlassen. Die teils wieder aufgeforstet werden müssen, auf denen teils aber schon wieder neue Gehölze wachsen. „Bäume wie diese“, zeigte der Förster auf eine 100-jährige Fichte, „sind in großer Gefahr.“ Je älter die Bäume seien, desto anfälliger würden sie für Stressfaktoren wie Hitze, wie Stürme, wie Schädlingsbefall.

Die Wälder geraten in Trockenstress, sodass mehr Holz gefällt werden muss.
Die Wälder geraten in Trockenstress, sodass mehr Holz gefällt werden muss. | Bild: Jörg Büsche

Warum der einzelne Riese immer noch rage, erkundigte sich jemand aus der Gruppe. „Das hat auch ästhetische Gründe“, antwortete der Forstmann. Für Spaziergänger sei‘s ein schöner Anblick. Überdies taugten allein stehende Bäume als Aussichtsplatz für Milane und andere Raubvögel, erklärte Jörn Burger. Bessere Aussichten, ja, mehr Überblick überhaupt wünschen sich auch die Privatwaldbesitzer. Das erklärte Claudius Keller. Er beantwortete auch die Frage nach dem Wuchsschutz: „Braucht‘s denn unbedingt diese Kunststoffhülsen um die neu gepflanzten Bäume – und verrotten die überhaupt?“ Bereits sein Vater habe mit natürlichen Materialien experimentiert. Schafwolle schütze gegen den Verbiss durchs Wild. Es sei aber überaus arbeitsintensiv. Schafwolle, deren Geruch den Rehen den Appetit verdirbt, müsse Jahr für Jahr erneuert werden. Es gebe freilich Alternativen: Draht zum Beispiel. „Doch der wächst ein mit der Zeit“, erklärte Keller, „so hat alles seine Vor- und Nachteile.“

Besonders am Wochenende nimmt der Andrang auf den Gehrenberg stark zu.
Besonders am Wochenende nimmt der Andrang auf den Gehrenberg stark zu. | Bild: Jörg Büsche

Franz Frick wollte wissen: „Welche langfristigen Auswirkungen bringt der Einsatz von den großen Maschinen mit sich?“ Die mächtigen Fahrzeuge verdichten tatsächlich den Waldboden, räumte Privatwaldbesitzer Keller ein. Doch bliebe ihm mitunter kaum eine andere Wahl, als den Vollernter zu bestellen – etwa wenn die Zeit dränge, weil das geschlagene Käferholz aus dem Wald muss, damit die Schädlinge nicht noch mehr Schaden anrichten.

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Wo denn die Rehe überhaupt sind? Die Frage tauchte beim Thema Verbiss auf. Im Wald seien sie nur sehr, sehr selten zu sehen – allenfalls am Waldrand oder auf offenem Feld, antwortete Hans-Jörg Bentele vom Markdorfer Hegering. Es seien überaus scheue Tiere, die in Stress gerieten, wenn Spaziergänger oder gar Radler von den ausgezeichneten Wegen abweichen. Ein Problem, dass, so Alt-Förster Konrad Jegler, erst aufgetaucht sei, seitdem die Wälder von jedermann betreten werden dürfen. Was das Bundeswaldgesetz von 1975 regelt. Die recht zahlreichen Teilnehmer der forstlichen „I mein‘ halt“-Runde um Ernst Arnegger wichen übrigens nicht ab von vorgegebenen Wegen.