Neugierig trotten die zotteligen Hochlandrinder mit ihren eindrucksvollen Hörnern auf Laura Matscher und Herbert Reichmann zu. Könnte es doch sein, dass die beiden Landwirte der extra für die Betreuung der Tiere gegründeten Weide GbR ein Leckerchen für sie in der Tasche haben?
„Sie sind sehr gechillt und bisher kamen noch keine Klagen“, sagt Reichmann auf die Frage, wie es den Rindern nach einem Jahr im Hepbacher-Leimbacher-Ried geht. Aber Spaß beiseite. Ihnen gefalle, dass sie hier Ruhe und ganz unterschiedliche Flächen von der Wiese über schattenspendenden Wald bis zu einem Weiher haben, in dem sie sich gern abkühlen.

Kälber wachsen bei ihren Müttern auf
Einige Kälbchen sind in diesem Jahr zur Welt gekommen, sodass sich die Herde von anfangs 20 auf aktuell 32 Tiere vergrößert hat. Sie haben das Glück, bei ihrer Mutter in sogenannter Ammenhaltung aufwachsen zu dürfen. „Der Besuch des Bullen wurde extra so gelegt, dass die Kälber im Frühjahr zur Welt kommen“, berichtet Herbert Reichmann. Sind die robusten Schottischen Hochlandrinder doch das ganze Jahr über im Freien.

Bereits am ersten Tag bekommt das Kalb seine vorgeschriebenen Ohrmarken. „Beim Stechen entnimmt man gleichzeitig eine Gewebeprobe“, erklärt Reichmann. Natürlich passt die Mutterkuh auf ihr Kleines auf. „Deshalb ist es so wichtig, dass sie Vertrauen zu uns haben und uns kennen“, sagt Laura Matscher und zieht ein Leckerchen aus der Tasche.
Komplettes Futter stammt von der Fläche
Mit 32 Tieren hat die Herde jetzt ihre Obergrenze für die Fläche von rund fünf Hektar erreicht. Soll sie doch die komplette Futterversorgung inklusive Heu, das im Winter zugefüttert wird, gewährleisten. „Auch das Heu stammt von dieser Fläche, es wird nichts von außen zugefüttert“, erklärt Dieter Schmid vom Umweltschutzamt des Bodenseekreises. So werden die ersten Tiere noch in diesem Jahr geschlachtet. Entschieden haben sich die Landwirte für den so genannten Weideschuss. „Das bedeutet für das Tier deutlich weniger Stress und auch das Fleisch ist besser, da keine Stresshormone einschließen“, erklärt Laura Matscher.

Ziel ist Artenvielfalt und Insektenschutz
Das Beweidungsprojekt im Leimbacher-Hepbacher-Ried ist eine Partnerschaft des Landratsamtes und der Stadt Friedrichshafen, die die Flächen in den vergangenen Jahren gekauft haben, um sie für Naturschutzzwecke nutzen zu können. Während die Landwirte von der Weide GbR für das Tierwohl und die Vermarktung des hochwertigen Fleisches zuständig sind, hat Dieter Schmid die Entwicklung der Artenvielfalt und den Insektenschutz im Blick.
„Durch eine maschinelle Mähung ist dieses Ziel nicht zu erreichen“, sagt Schmid. Die Hochlandrinder würden selektiv fressen, das heißt sie rupfen ihr aktuelles Lieblingsgras und gehen dann weiter zum nächsten. „Dadurch haben wir verschiedene Stufen der Pflanzenentwicklung nebeneinander, was es bei einer gemähten Fläche nicht gibt“, erläutert Schmid.

Auch für Franz Beer vom Markdorfer BUND-Vorstand sind die Schottischen Hochlandrinder ein wertvoller Beitrag zum Naturschutz. „Eine Artenvielfalt wie bei diesem Beweidungsprojekt ist auf Mähwiesen nicht zu erreichen“, weiß er aus Erfahrung. Hat er doch vor gut 20 Jahren im nördlichen Riedbereich und am Eisweiher im Südwesten Markdorfs Herden mit Heckrindern angesiedelt. „Durch die Rinder wird die unerwünschte Verbuschung unterdrückt.“
Hinterlassenschaften leisten wichtigen Beitrag
Durch ihr leichteres Gewicht verursachen die Hochlandrinder im Gelände kaum Trittschäden. „Ihre Eindrücke bilden sogar Keimnischen für Pflanzen und Insektenlarven und schaffen so mehr Biodiversität“, erklärt Dieter Schmid. Einen wichtigen Beitrag leisten auch die Hinterlassenschaften der Rinder. Jedes von ihnen produziert jährlich mindestens zehn Tonnen Mist. „Die Kuhfladen sind der Beginn einer intensiven Nahrungskette“, sagt Beer und macht eine Rechnung auf. Von zehn Tonnen Mist ernähren sich rund 100 Kilo Insekten, von denen wiederum circa 10 Kilo Vögel leben.

Belastbare Zahlen zu einer Veränderung in Sachen Arten- und Insektenvielfalt gibt es nach einem Jahr noch nicht. „Nach fünf Jahren werden wir ein Monitoring für Heuschrecken und Zikaden durchführen“, kündigt Schmid an. Sie seien ein guter Indikator. „Gibt es viele Heuschrecken, geht es auch den anderen Insekten wie Faltern und Käfern gut.“ Es wäre zwar spannend alles genau zu ermitteln, aber dafür würden sowohl die Zeit als auch die Mittel fehlen. „Die Beweidungsflächen für die Heckrinder zeigen aber, dass es funktioniert“, so Schmid.