Es ist kaum zu übersehen: Die Neuen sind fremd und anders. Trotzdem werden sie begrüßt. Sie werden sogar sehr freundlich begrüßt: durch lautes Brüllen. Das Gebrüll der Heckrinder, dieser Rückzüchtung des längst ausgestorbenen Auerochsen, ließe sich auch als Muhen bezeichnen. Gleichwie, es klingt keineswegs bedrohlich, was die mächtigen Rinder im Hepbacher-Leimbacher Ried da von sich geben.

Bei den Heckrindern handelt es sich um Auerochsenrückzüchtungen. Werden sie sich mit den Wasserbüffeln vertragen?
Bei den Heckrindern handelt es sich um Auerochsenrückzüchtungen. Werden sie sich mit den Wasserbüffeln vertragen? | Bild: Jörg Büsche

Die Neuen, das sind drei Wasserbüffel, machen sich trotzdem eiligst aus dem Staub: Sie schlagen sich hügelan in die Büsche, die das Wiesengelände im Hepbacher-Leimbacher Ried nach Osten hin säumen.

Das Begrüßungskomitee der Heckrinder

Landwirt Werner Spenninger hat den Büffeln eben gerade das Eisengatter geöffnet, das die Tiere im schützenden Unterstand festhielt. „Was passiert, wenn ich sie rauslasse, kann keiner wissen“, hatte Spenniger vorher den Umstehenden erklärt. Ob die Wasserbüffel langsam heraustrotten? Ob sie gar nicht aufs Weidestück im Ried hinauswollen und stattdessen lieber im behaglichen Unterstand verbleiben? Alles offen, ebenso offen wie die Reaktion der Heckrinder, die sich mit einigem Abstand in Dutzendstärke aufgereiht haben, ihre künftigen Weidepartner im Ried neugierig beäugend. Hier die deutlich kleineren Wasserbüffel mit ihren nach hinten gerichteten Hörnern, dort die imposanten Heckrinder. Werden sie sich vertragen?

Neugierig haben sich die Heckrinder dem Unterstand angenähert, in dem ihre neuen Weidegenossen noch eingesperrt sind.
Neugierig haben sich die Heckrinder dem Unterstand angenähert, in dem ihre neuen Weidegenossen noch eingesperrt sind. | Bild: Jörg Büsche

Gemischte Rinderherden sind nichts Ungewöhnliches

Franz Beer ist zuversichtlich. Der Biologe und Mitvorsitzende des Markdorfer BUND-Ortsverbands berichtet von gemischten Rinderherden. Hausrinder und Wasserbüffel lebten durchaus friedlich zusammen, sagt er. Dort, wo es noch Wasserbüffel gibt in Europa. Etwa in Ungarn, aber auch in direkter Nachbarschaft. Jenseits des Sees, in der Schweiz, sind sie mancherorts sogenannte Mitläufer in den Rinderherden. Allerdings, so betont Beer, „darf man unsere Wasserbüffel nicht mit den Rindern verwechseln, die wir aus den Tierfilmen kennen“. Denn die zeigen vor allem jene weit größeren Büffelarten, die in Indien, andernorts in Asien oder in Afrika leben.

Warten darauf, dass sie frei gelassen werden: zwei Wasserbüffel.
Warten darauf, dass sie frei gelassen werden: zwei Wasserbüffel. | Bild: Jörg Büsche

Es geht vor allem um Landschaftspflege im Ried

„Nein, keine Exoten“, wehrt Beer ab. Mit den Wasserbüffeln soll keine neue Attraktion ins Hepbacher-Leimbacher Ried kommen, geeignet um noch mehr Spaziergänger anzulocken. Und die Produktion von Büffelmozzarella hatte der BUND auch nicht im Sinn, als er seine Tiere bei einem Billafinger Züchter bestellte.

Neu im Ried: Die Wasserbüffel Video: Jörg Büsche

„Über Wasserbüffel denken wir schon seit drei Jahrzehnten nach“, erklärt der Umweltschützer, „genau genommen, seitdem wir hier im Ried unser Projekt begonnen haben“. Schließlich leisten auch Wasserbüffel das, was im Ried gewünscht ist und was die Heckrinder dort nun bereits zwei Jahrzehnte lang betreiben: Sie halten die Landschaft offen und drängen das Gehölz zurück. Sie machen aufwendige Entbuschungsaktionen überflüssig. Mühsame Maßnahmen, zu denen der BUND seine Mitglieder regelmäßig aufruft, damit sie Sträucher per Hand und Kleingerät entfernen. Übrigens auch dort, wo größere Gerätschaft und Menschen nur mit Mühen hinkommen, nämlich auf den nassen Flächen.

Freuen sich über die Spende der Familie Faden: Alwin Ströbele (von links), Jörg Münch, Franz Beer und Franz Kieferle vom BUND. Dank der ...
Freuen sich über die Spende der Familie Faden: Alwin Ströbele (von links), Jörg Münch, Franz Beer und Franz Kieferle vom BUND. Dank der Zuwendung konnten sie die drei Wasserbüffel für den Eisweiherbereich kaufen. | Bild: Jörg Büsche

Büffel sind Spezialisten für nasse Flächen

Die Wasserbüffel fressen Pflanzen, die ansonsten Überhand nähmen, zum Beispiel Binsen, Schilfrohr, Brennnesseln oder Springkraut. Das hat den überaus positiven Effekt, dass Raum für andere Gewächse entsteht und neue, andere Arten gedeihen können. Und die Wasserbüffel bearbeiten den Boden. Dank ihrer breiten Klauen walken sie das Gelände durch und schaffen somit Lebensräume. Wo sie hintreten, bleiben Senken, die sich unter Umständen mit Wasser füllen und so zu Miniaturbiotopen werden, in denen seltene Kräuter wachsen.

Franz Beer entlässt die drei neu gekauften Wasserbüffel in ihre Freiheit im Eisweihergebiet.
Franz Beer entlässt die drei neu gekauften Wasserbüffel in ihre Freiheit im Eisweihergebiet. | Bild: Jörg Büsche

Der Hauptgrund aber, Wasserbüffel ins Ried zu holen, sei der Biber, erklärt Franz Beer. Seitdem der emsige Nager immer weitere Wasserflächen angestaut hat, wachsen dort die Schilfgürtel. Sie aber gilt es etwas zu öffnen, wobei der Wasserbüffel behilflich ist, zumal die Tiere sich liebend gerne suhlen. Denn durch Schlammbäder schützen sie sich vor lästigen Insekten. Beim Schlammbaden aber wälzen sie das Schilf flach. Und die so entstehenden Mulden werden wiederum zu neuen Lebensräumen, zu Laichtümpeln für Amphibien. Möglich wurde der Kauf der drei Wasserbüffel im Ried durch ein Vermächtnis, erklärt Franz Beer. Der Erblasser hatte festgelegt, dass sein Geld in ein Naturschutzprojekt investiert werden solle.

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Im Sinne des verstorbenen Helmut Faden

Ein ähnliches Anliegen hatte jüngst die Familie Faden. Sie bat ausdrücklich, auf Blumen wie auf Kränze zu verzichten und stattdessen für den BUND zu spenden, als jüngst der Markdorfer Kommunalpolitiker und frühere BZM-Rektor Helmut Faden beigesetzt wurde. „Uns hat er immer unterstützt“, sagt Franz Beer über seinen verstorbenen Lehrerkollegen am Bildungszentrum.

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Faden war Mitbegründer der Markdorfer Umweltgruppe. Als Stadt- wie auch als Kreisrat hatte er sich stets stark für Umweltbelange gemacht. „Und dass wir das von seiner Familie überwiesene Spendengeld für Wasserbüffel am Eisweiher verwenden“, so Beer, „wäre unbedingt in seinem Sinne gewesen, das hat uns seine Witwe versichert.“ Denn am Eisweiher, im Südwesten Markdorfs, wo der BUND-Ortsverband ein weiteres Natur- und Landschaftsschutzgebiet betreut, lässt er sich seit Anfang vergangener Woche ebenfalls von drei Wasserbüffeln helfen. Sie werden künftig von der Weidegemeinschaft Salem betreut. Beim Hepbacher-Leimbacher Ried übernimmt diese Aufgabe Landwirt Spenninger.