Wenn die Markdorfer Gottesdienstbesucher durchs Portal treten, um anschließend eine Kerze zu empfangen, dann empfängt sie bereits der Glanz sehr vieler Lichter. Es ist zwar stets noch sehr früh. Denn die Roratemessen an den vier Adventsfreitagen beginnen schon um sechs.
Doch Mesmerin Theresia Moser hat die Stufen zum Altar längst geschmückt. Viele, viele Dutzend Lichter werfen dort ihren tänzelnden Schein, der die Figuren des Hochaltars aus ihrer hölzernen Starre befreit, wie belebt wirken lässt.
Kerzengeschmückt ist aber auch der Altar der Schutzmantelmadonna im barocken Anbau. Auch hier flackern Kerzen.
Hoffnungszeichen in der Krise
„Sie stehen für unsere tiefe Sehnsucht“, wendet sich Pfarrer Ulrich Hund an die Besucher dieses frühmorgendlichen Gottesdienstes. Unmittelbar vor dem kürzesten Tag des Jahres, in den Wochen, da Dunkelheit und Kälte so manches Gemüt belasten – zusätzlich zu den zahlreichen Beschwernissen, die dieses besondere Jahr mit seiner Corona-Pandemie mit sich gebracht hat –, verbreite der Kerzenschein Hoffnung.
Die Zuversicht, dass es doch noch einen Ausweg gibt aus der Dunkelheit. Auch wenn es im Moment so gar nicht danach aussieht.
Gesang von überirdischer Schönheit
„Und öffne unser Ohren“, bittet Kirchenmusiker Johannes Tress von droben auf der Orgelempore. Dort steht eine kleine Abordnung des Kammerchors. Die Sängerinnen wahren den pandemiebedingt gebotenen Abstand.
Die Messe werden sie mit zarten Stimmen begleiten. So hell, so klar, dass unmittelbar ohrenfällig wird, warum die Rorate-Messe auch Engel-Amt genannt wird. Der zuzeiten so vermisste Gesang zum Orgelspiel lässt diesen besonderen Gottesdienst noch feierlicher werden. Sehr sachte, ganz zart tönt das „Ave Maria“ – und innig die Bitte: Bete für uns, „Ora pro nobis“, der kleinen Chor-Delegation.
Josef einmal im Mittelpunkt
Beim Beten, beim Lauschen auf die Predigt oder den Gesang wirken die Gottesdienstbesucher in sich gekehrt. Lisa Bitzenhofer vom Familiengottesdienst-Team der Gemeinde, hatte erläutert, warum dort eine Josefs-Figur vor dem Altar steht. Dieses Mal stehe nicht seine Frau, die jungfräuliche Gottesmutter im Zentrum der Feier.
Sonst kreist stets das gesamte Denken der Rorate-Messen um Maria, gehören die doch zur marianischen Glaubenstradition. An diesem Morgen aber sei es ihr Bräutigam, der heilige Josef, über den an diesem Morgen gesprochen werde. Erinnert wird auch an seinen Takt, seinen Wunsch, die Schwangere, die indes kein Kind von ihm unterm Herzen trägt, nicht bloß zu stellen, der öffentlichen Schande preiszugeben.
Beinahe unzeitgemäße Frömmigkeit
„Ich möchte auch manchmal wie Josef sein“, hatte Lisa Bitzenhofer gesagt. Ihren Wunsch dürften viele Außenstehende heutzutage zweifeln. Zumal die ungeteilte Frömmigkeit, wie sie im Rorate-Gottesdienst aufscheint, heute keineswegs mehr selbstverständlich ist. In den Zeiten des Zweifels. „Für mich ist das ein ganz wichtiger Gottesdienst“, hatte Theresia Moser gesagt.

Ein Gottesdienst, der sie stets aufs Neue berühre. Das frühe Aufstehen, der Weg durch die Kälte, machten ihr da wenig aus. Auch nicht das wieder Löschen und Wegräumen der Lichter, erklärt sie, während die Frauen vom Familiengottesdienst, unterstützt von weiteren Helfern, die Kirchenbänke mit großer Sorgfalt desinfizieren.
Das sonst übliche gemeinsame Frühstück der Rorate-Gottesdienstbesucher im großen Gemeindesaal muss in diesem Jahr ausfallen – wegen der Covid-19-Pandemie.