Seit der Kreistag am 18. Mai den Antrag der Fraktionen der Grünen und der SPD, der Stadt Markdorf ein Vetorecht beim Baubeschluss zur Südumfahrung einzuräumen, abgelehnt hat, ist die Südumfahrung wieder das Aufregerthema in Markdorf. Die Stadt Markdorf soll stattdessen nun eine Stellungnahme an den Kreistag abgeben, die dann von den Kreisräten bei der Beschlussfassung berücksichtigt werden kann. Das ist den Gegnern der Straße zu wenig, die Befürworter wiederum finden es angemessen.

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Nun geht der Ball also wieder zurück nach Markdorf. Die Frage ist: In welcher Form will die Stadt sich äußern? Per Gemeinderatsvotum? Indem man zuvor nochmals die Bürger befragt? Genau dies wollen die Ratsfraktionen von Umweltgruppe (UWG) und SPD: Sie hatten in der Sitzung am 8. Juni den gemeinsamen Antrag eingebracht, dass die Stellungnahme der Stadt auf der Grundlage eines neuen Bürgerentscheids über die Südumfahrung erfolgen solle. Über diesen Antrag soll nun in der nächsten Sitzung am 13. Juli entschieden werden. Damit er durchgeht, benötigt es die Zweidrittel-Mehrheit im Gemeinderat.

UWG und SPD wollen die „Mehrheitsmeinung der Bürger“

Begründet hatten die beiden Fraktionen ihren Vorstoß damit, dass die Stellungnahme der Stadt „in dieser wichtigen Angelegenheit auf einer Mehrheitsmeinung der Bürgerschaft beruhen“ müsse. Denn zu viele Faktoren – Kosten, Verkehrs- und Umweltprognosen, die Entlastungsfrage – hätten sich seit dem Bürgerentscheid von 2003 geändert, in dem sich die Markdorfer mit knapper Mehrheit für die Umfahrung ausgesprochen hatten.

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Für einen Bürgerentscheid braucht es zwei Drittel des Gemeinderates

Wie die Entscheidung über den Antrag ausgehen wird, ist zwar offen, doch die Mehrheitsverhältnisse im Gremium lagen bei vorangegangenen Beschlüssen stets auf Seiten der Südumfahrungs-Befürworter. Wie auch immer: Für einen Bürgerentscheid haben UWG und SPD bereits eine Formulierung gewählt. „Soll die Stadt Markdorf in ihrer Stellungnahme an den Kreistag den Bau der Südumfahrung befürworten“, lautet die Formulierung. Wer in einem solchen Bürgerentscheid mit „Ja“ stimmt, stimmt also für die Umgehung, wer „Nein“ ankreuzt, dagegen.

Auch die Gegner der Südumfahrung positionieren sich immer wieder öffentlich, wie im vergangenen Herbst im Markdorfer Süden. Das ...
Auch die Gegner der Südumfahrung positionieren sich immer wieder öffentlich, wie im vergangenen Herbst im Markdorfer Süden. Das Aktionsbündnis gegen die Südumfahrung (von links): Rudolf Artur, Fritz Käser, Markus Mock, Joachim Mutschler, Albin Ströbele, Bernd Caesar, Frieder Staerke und Jonas Alber. | Bild: Jörg Büsche

„Wir haben den Satz bewusst positiv formuliert, um den Befürwortern der Straße die Antwort zu erleichtern“, sagt UWG-Fraktionschef Joachim Mutschler. Wenn im Oktober voraussichtlich die neuen Kostenberechnungen für die Südumfahrung vorlägen, sei für die UWG und die SPD auch der passende Zeitpunkt für einen Bürgerentscheid.

Ärger im Nachgang: Der Kreistagsantrag vom 18. Mai und seine Folgen

Interessant an der Debatte ist aber auch ein anderer Aspekt, der nach dem Kreistagsbeschluss vom 18. Mai noch überhaupt nicht öffentlich thematisiert wurde: Nicht nur die Gegner und Befürworter des Vorhabens beharken sich, auch die Südumfahrung-Gegner selbst sind sich untereinander nicht immer einig – und inzwischen auch nicht mehr ganz grün. Woran liegt das?

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Der Antrag von SPD und Grünen, der im Kreistag am 18. Mai abgelehnt wurde, ging auf eine Resolution an den Kreistag der Ratsfraktionen von UWG und SPD in Markdorf zurück, die der Gemeinderat im März mehrheitlich verabschiedet hatte. In dieser Resolution hieß es, der Stadt Markdorf sei ein Mitspracherecht beim Bau der Südumfahrung zu gewähren. Die Akteure in Markdorf gingen seinerzeit davon aus, dass ihre „Partnerfraktionen“ im Kreistag, die Grünen und die SPD, den Wortlaut der Resolution übernehmen würden. Von einem Vetorecht der Stadt Markdorf war darin jedoch nirgends die Rede.

Verärgerung in Markdorf über Wortlaut des Kreistagsantrags

Dass der Antrag im Kreistag eine andere, deutlich schärfere Formulierung hatte als die Resolution im Gemeinderat wird zumindest in Markdorf als unglücklich erachtet. UWG-Fraktionschef Joachim Mutschler findet klare Worte: „Die Grünen im Kreis haben einen Riesenfehler gemacht“, sagt er verärgert.

Joachim Mutschler, Fraktionschef der UWG im Markdorfer Gemeinderat: „Die Grünen im Kreis haben einen Riesenfehler gemacht.“
Joachim Mutschler, Fraktionschef der UWG im Markdorfer Gemeinderat: „Die Grünen im Kreis haben einen Riesenfehler gemacht.“ | Bild: UWG

Eine „Manöverkritik“ dazu habe es intern bereits gegeben. Resolution und Kreistagsantrag seien für ihn „völlig verschieden“ gewesen. „Ich fand das extrem unklug, das so zu formulieren, allerdings erst im Nachhinein“, kritisiert Mutschler die beiden Kreistagsfraktionen.

Viel Resonanz: In der Sitzung des Kreistages am 18. Mai in der Ludwig-Roos-Halle in Ettenkirch hatten sich auf den Zuschauerplätzen auch ...
Viel Resonanz: In der Sitzung des Kreistages am 18. Mai in der Ludwig-Roos-Halle in Ettenkirch hatten sich auf den Zuschauerplätzen auch die Befürworter der Südumfahrung (hinten rechts) und deren Gegner eingefunden (hinten links). | Bild: Grupp, Helmar

Auch Helmut Faden von den Kreis-Grünen rückt inzwischen von dem Antrag ab

Ähnlich sieht es inzwischen auch Helmut Faden. Der Markdorfer ist Mitglied der Grünen in Markdorf und auch der Grünen-Kreistagsfraktion, in der er stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist. Dort, im Kreistag, setzt sich Faden seit Jahren vehement gegen den Bau der Südumfahrung ein.

Helmut Faden, Markdorfer und stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Kreistag: „Im Nachgang muss man sagen, dass die ...
Helmut Faden, Markdorfer und stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Kreistag: „Im Nachgang muss man sagen, dass die Formulierung in unserem Antrag unglücklich war.“ | Bild: Grüne

„Im Nachgang muss man sagen, dass die Formulierung in unserem Antrag unglücklich war“, gesteht Faden ein. Weshalb man so stark von den Worten der Resolution abgewichen sei, ließe sich im Nachhinein nicht mehr schlüssig sagen. „Von heute her war das ein Fehler und der Sache sicher nicht dienlich“, bekennt Faden gegenüber dem SÜDKURIER.

Markdorfs SPD-Chef Achilles: Das hätte man miteinander abstimmen müssen

So weit möchte man bei der SPD hingegen nicht gehen. Uwe Achilles, der Markdorfer SPD-Fraktionschef, formuliert es diplomatischer. Zwar seien die Wortlaute verschieden, doch die Stoßrichtung, dass die Stadt Markdorf mitsprechen dürfen soll, sei dieselbe.

Uwe Achilles, Fraktionschef der SPD im Markdorfer Gemeinderat: „Vielleicht wäre es besser gewesen, den Wortlaut des Antrags vorher ...
Uwe Achilles, Fraktionschef der SPD im Markdorfer Gemeinderat: „Vielleicht wäre es besser gewesen, den Wortlaut des Antrags vorher gemeinsam abzustimmen.“ | Bild: SPD Markdorf

Ohne Zweifel sei aber der Wortlaut im Kreistagsantrag schärfer gewesen, so Achilles: „Vielleicht wäre es besser gewesen, den Wortlaut des Antrags vorher gemeinsam abzustimmen“ – also auch mit den beiden Markdorfer Ratsfraktionen. Für die Sache selbst sei die Verschärfung des Wortlauts „bestimmt nicht gut gewesen“, sagt aber auch Achilles.

Kreis-SPD-Chef Norbert Zeller versteht die ganze Aufregung nicht

Norbert Zeller, Fraktionschef der SPD im Kreistag, versteht hingegen die Aufregung nicht. „Für mich heißt die Formulierung mitentscheiden in der Resolution tatsächlich entscheiden, also nicht nur äußern“, sagt Zeller. Wenn er sie aber dahingehend interpretiere, sei für ihn auch schon in der Resolution des Markdorfer Gemeinderates ein Vetorecht beinhaltet.

Norbert Zeller, Fraktionschef der SPD im Kreistag: „Ich muss doch eine klare Aussage treffen: Zustimmung ja oder nein.“
Norbert Zeller, Fraktionschef der SPD im Kreistag: „Ich muss doch eine klare Aussage treffen: Zustimmung ja oder nein.“ | Bild: SPD Bodenseekreis

Hier verkennt Zeller jedoch, dass in der Resolution lediglich von einer „gleichberechtigten Beteiligung“ und einem Mitspracherecht die Rede ist, nicht aber dass die Umfahrung nur mit einer Zustimmung der Stadt Markdorf gebaut werden dürfe, wie es in dem Antrag heißt. Für ihn, so Zeller, sei die „Äußerung“ aus dem Gemeinderat aber „klar“ gewesen. „Alles andere ist für mich ein Rumgeeiere“, kommentiert Zeller Mutschlers Ansicht: „Ich muss doch eine klare Aussage treffen: Zustimmung ja oder nein.“

Wortlaut des Antrags gestattet Georg Riedmann einen eleganten Ausweg

Die Frage, weshalb der Wortlaut in dem Antrag so deutlich von jenem in der Resolution abwich, ist aber auch aus einem anderen Grund noch interessant: Hätten die beiden Kreistagsfraktionen den „weicheren“ Wortlaut der Resolution übernommen, hätten eventuell auch noch andere Kreisräte außerhalb der Fraktionen von Grünen und SPD zustimmen können, womit das Abstimmungsergebnis anders ausgefallen wäre.

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Anders abgestimmt hätte in diesem Falle zumindest Bürgermeister Georg Riedmann, der zugleich auch Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kreistag ist. Denn während Riedmann im Gemeinderat noch für die Resolution gestimmt hatte, hatte er anschließend im Kreistag gegen den Antrag gestimmt – auf einer Linie mit seiner Fraktion. Gegenüber dem SÜDKURIER hatte Riedmann noch am Tag danach sein Abstimmungsverhalten begründet: Hinter der Forderung der Resolution, der Stadt Markdorf ein Mitspracherecht beim Baubeschluss der Südumfahrung einzuräumen, habe er stehen können. Das in dem Antrag aber enthaltene Vetorecht für die Stadt Markdorf habe er dann nicht mittragen können. Denn, so Riedmann: Die Südumfahrung sei eine Kreisstraße, entscheidungsbefugt damit alleine der Kreistag. Ein Vetorecht der Stadt Markdorf sei weder vorgesehen noch wäre es rechtlich durchsetzbar.

Auf der B 33 vor Markdorf staut sich der Verkehr regelmäßig, wie hier im Sommer 2019 bei Steibensteg, bereits eineinhalb Kilometer ...
Auf der B 33 vor Markdorf staut sich der Verkehr regelmäßig, wie hier im Sommer 2019 bei Steibensteg, bereits eineinhalb Kilometer vor dem Markdorfer Ortseingang. Die Südumfahrung soll den Transit-Verkehr aus der Ortsdurchfahrt fernhalten. | Bild: Ganter, Toni

Riedmann konnte aufgrund der abweichenden Formulierungen also eine Art eleganten Ausweg wählen: In der Sache zwei Mal unterschiedlich abzustimmen, ohne sich des Vorwurfs erwehren zu müssen, umgefallen zu sein. Zeller wiederum sieht Riedmanns Abstimmungsverhalten im Kreistag kritisch. „Wenn Riedmann das so sieht, kann er das so sehen“, sagt er. „Aber für mich muss er eindeutig die Interessen von Markdorf vertreten und dieser Verantwortung wird er nicht gerecht. Offenbar will er lieber die Entscheidung dem Kreistag überlassen.“