Es wird keinen neuen Bürgerentscheid zur Südumfahrung Markdorf geben, jedenfalls nicht auf Initiative von Stadtverwaltung und Gemeinderat: Bei einem Patt von 13 zu 13 Stimmen scheiterte am Dienstagabend der entsprechende Antrag der Fraktionen von Umweltgruppe (UWG) und SPD an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat. Der Bürgerentscheid hätte keine rechtlich bindende Wirkung gehabt, sondern wäre die Grundlage für die Stellungnahme der Stadt an den Kreistag zum Baubeschluss für die Südumfahrung gewesen. Der Kreistag wird voraussichtlich Ende des Jahres über den Baubeschluss entscheiden.
Südumfahrungs-Gegner kündigen eigenes Bürgerbegehren an
Nachdem der Antrag von UWG und SPD im Rat durchgefallen war, kündigte das Aktionsbündnis Stop Südumfahrung noch am Mittwoch ein eigenes Bürgerbegehren an, mit dem es aus seinen Reihen heraus den Bürgerentscheid doch noch herbeiführen möchte.
Im Rat am Vorabend hatten die Fraktionen von UWG und SPD sowie CDU-Chefin Kerstin Mock und Bürgermeister Georg Riedmann für den Bürgerentscheid gestimmt, der Rest der CDU, die Freien Wähler und FDP-Rat Rolf Haas dagegen. Die knapp 50-minütige Debatte war dann allerdings doch wieder dominiert von der üblichen Grundsatzdiskussion um das Für und Wider der Straßenbaumaßnahme. Das Thema Bürgerentscheid hingegen stand in weiten Teilen der Aussprache nicht im Zentrum.
Mutschler kritisiert Umfahrungsbefürworter hart
Zu Beginn erhielten UWG und SPD als erste die Gelegenheit, ihren Antrag nochmals zu begründen, ehe die anderen Fraktionen zu ihren Fraktionserklärungen aufgerufen wurden. UWG-Chef Joachim Mutschler wies erneut darauf hin, dass die Entscheidung über den Bau der Südumfahrung alleine der Kreistag treffen werde. Heute gehe es nur um die Frage, ob es einen Bürgerentscheid als Grundlage für die Stellungnahme der Stadt an den Kreis geben solle. Für die UWG sei ein Bürgerentscheid unerlässlich, denn nur so sei gewährleistet, dass diese Stellungnahme der Stadt für oder gegen einen Bau von einem breiten Rückhalt aus der eigenen Bürgerschaft getragen sei, so Mutschler.

Der UWG-Chef nutzte dann die Gelegenheit, um harte Kritik an den Umfahrungsbefürwortern zu üben. Diese würden zunehmend mit grenzwertigen Beleidigungen und Bedrohungen agieren. „Gemeinderäte mit Straftätern gleichzusetzen, weil sie die Gesundheit der Bürger gefährden würden, geht zu weit, da wird für mich die rote Linie überschritten“, sagte Mutschler. Im Folgenden führte der UWG-Sprecher erneut nochmals alle Gründe auf, die für die Kritiker der Südumfahrung zur Ablehnung des Projektes geführt hätten. Auch dass viele Menschen heute eine andere Einstellung zur Natur hätten als noch vor 18 Jahren, spreche für einen neuen Bürgerentscheid, so Mutschler: „Es gehört zum guten Demokratieverständnis, die Bürgerschaft nach 18 Jahren wieder zur Mitentscheidung zu bitten.“
SPD-Chef Achilles: Zur Demokratie gehören Regeln
Auf die „Angriffe“ der Befürworter verwies auch SPD-Sprecher Uwe Achilles. Diese würden mit „selektiver Interpretation“ von Zahlen aus Gutachten den Entscheidungsprozess beeinflussen wollen. „Da werden Argumente benutzt, die eine sachliche Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen“, so Achilles.
Abgesehen davon seien weder ein Bürgerentscheid noch ein Gemeinderatsbeschluss „in Stein gemeißelt“. Beides könne wieder geändert werden und das komme auch immer wieder vor. Zum Demokratieverständnis gehöre auch das Akzeptieren von Regeln, so Achilles. Und die sähen vor, dass ein neuerlicher Bürgerentscheid durchgeführt werden könne. Zuletzt bekäme die Stellungnahme der Stadt nur durch einen Bürgerentscheid das nötige Gewicht, das ihrer Tragweite angemessen sei.
CDU zwar gespalten, doch nur Mock stimmt für Bürgerentscheid
CDU-Chefin Kerstin Mock verwies auf die Gespaltenheit ihrer Fraktion: Es gebe in der CDU Befürworter und Kritiker der Südumfahrung und auch jene, die das Vorhaben zwar kritisch sähen, aber nicht das Verfahren nochmals aufrollen wollten. CDU-Rat Alfons Viellieber betonte daraufhin, er sei „überhaupt nicht einverstanden“ mit einem Bürgerentscheid. Der hätte erstens keine Rechtswirksamkeit, würde zweitens die Stadt viel Geld kosten und bliebe zuletzt voraussichtlich unverbindlich aufgrund mangelnder Beteiligung. „Das ist ein klarer Versuch, nur wieder schlechte Stimmung in das Thema zu bringen“, so Viellieber.
FW-Chef Bitzenhofer: Kein Bürgerentscheid ohne aktuelle Daten
Statt Nägel mit Köpfen zu machen, werde in Markdorf versucht, eine „Straße mit klarer Entlastungswirkung“ zu verhindern, sagte FW-Chef Dietmar Bitzenhofer. Um den Bürger tatsächlich entscheiden lassen zu können, brauche es auch aktuelle Daten und Fakten. Die lägen aber nicht vor, die letzten zur Verkehrsprognose etwa datierten aus 2014, so Bitzenhofer. Auch der FW-Chef nutzte im Folgenden seine Erklärung dazu, um nochmals alle Argumente der Umfahrungsbefürworter aufzuführen. Für die FW sei daher klar: Nein zu einem Bürgerentscheid. Stattdessen solle die Verwaltung die Ergebnisse der jüngsten Emissions- und Verkehrsmessungen zeitnah vorlegen.

Als FDP-Mann sei er stets für Bürgerbeteiligung, so Rolf Haas. In diesem Falle aber nicht, da die Planungen und Beschlüsse über die Jahre hinweg dafür gesorgt hätten, dass „die Straße quasi schon durch“ sei. Für ihn habe es keinen Sinn, über einen Bürgerentscheid zu entscheiden, der nichts bringe. UWG und SPD würden das Argument der Bürgerbeteiligung „als Keule“ nehmen.
Riedmann: Es fehlt „stabiles Gespür“ für die Meinung der Bürger
Ausführlich begründete auch Riedmann seine Haltung. Dass er „kein Freund der Südumfahrung“ sei, sei inzwischen bekannt, sagte er. Der Antrag für einen Bürgerentscheid habe für ihn aber nichts mit einem „queren Demokratieverständnis“ zu tun. Im Gegenteil sei es statthaft, nach so langer Zeit die Dinge noch einmal zu beleuchten. Jeder, der sich betroffen fühle, dürfe in unserem Land die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einsetzen. Dazu gehöre auch das Instrument eines Bürgerentscheides. Er sei dankbar, dass der Landkreis die Stadt nochmals anhören wolle. Er müsse aber auch gestehen, dass er selbst „kein stabiles Gespür“ dafür habe, wie die Mehrheit der Bürgerschaft inzwischen zur Südumfahrung stehe. „Deswegen werde ich dem Antrag zustimmen“, betonte Riedmann.
In der weiteren Aussprache warf FW-Rat Arnold Holstein UWG und SPD vor, sie würden einen „vermeintlich harmlosen Antrag“ stellen, aus dem sie dann weitreichende Ansprüche ableiten würden. Der Antrag sei für ihn ein „neuerlicher Verhinderungsversuch durch das Beharren von Uneinsichtigen“. Nachdem Mutschler anschließend daran appelliert hatte, „dass sich jeder hier im Gremium mal ein bisschen zurücknimmt“, bekannte auch Achilles mit Blick auf die Diskussionskultur: „Wir im Gemeinderat sind nicht gerade das leuchtende Beispiel.“ Riedmann knüpfte in seinem Schlusswort daran an: Er wäre dankbar, wenn man in den nächsten Monaten versuchen würde, die Emotionen wieder ein bisschen abzukühlen: „Das Thema wird uns noch weitere Monate beschäftigen“, so der Bürgermeister.