Zu den Kernkompetenzen von Stadtkämmerer Michael Lissner gehört es, den Überblick über die städtischen Finanzen zu bewahren. Doch darauf hat sich Bürgermeister Georg Riedmann nun nicht bezogen, als im Gemeinderat von einer „besonders schwierigen Aufgabe“ für den Chef der Markdorfer Finanzverwaltung sprach. Lissner wollte dem Rat seinen Zwischenbericht zum Haushaltsvollzug 2024 vorlegen – so wie er dies regelmäßig gegen Ende des Halbjahres zu tun pflegt.

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Statt 8,4 Millionen nun nur noch 5,9 Millionen

„Heute wird das nicht so angenehm“, bereitete Lissner die Räte vor. Es gelte, zwei harte Einbußen zu verkraften: Die Stadt muss an ein Markdorfer Unternehmen rund 600.000 Euro plus Zinsen an Gewerbesteuer zurückzahlen und sie verliert eingeplante Einnahmen in Höhe von 1,9 Millionen Euro. Sie fallen aus, weil ein anderes Unternehmen vom Finanzamt von der Gewerbesteuervorauszahlung befreit ist. Macht insgesamt ein Minus von 2,5 Millionen Euro. Eingeplant im Haushalt 2024 sind Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 8,4 Millionen Euro. Mit dieser neuen Lage werden es Stand jetzt also nur noch 6,5 Millionen Euro sein, minus die 600.000 Euro Rückzahlung stünde beim Posten Gewerbesteuer dann also als Endsumme 5,9 Millionen.

„Ein ausgeglichenes Jahresergebnis ist derzeit in weite Ferne gerückt“, sagt Kämmerer Michael Lissner.
„Ein ausgeglichenes Jahresergebnis ist derzeit in weite Ferne gerückt“, sagt Kämmerer Michael Lissner. | Bild: Ganter, Toni

Droht langfristiger Einnahmeausfall?

FW-Sprecher Dietmar Bitzenhofer zeigte sich besorgt ob dieser „Auf-Null-Stellung“ durchs Finanzamt. Wie dramatisch denn der betriebswirtschaftliche Hintergrund des betreffenden Unternehmens einzuschätzen sei? Seine Sorge wurde auch in der Verwaltung geteilt. Könnte der Stadt doch durchaus ein langfristiger Steuerausfall drohen. Die Frage sei, ob es ein einmaliger Effekt oder ein Dauerzustand sei, erklärte Lissner. Und Riedmann ergänzte, dass das betreffende Unternehmen eine Tochter eines großen Konzerns sei. Riedmann hofft, dass sich in Markdorf nur die Folgen einer strategischen Umorientierung des Konzerns niederschlügen. Und dass die Nullstellung nicht etwa die Folge eines Problems des Unternehmens am Standort Markdorf sei.

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Kein ausgeglichener Haushalt mehr in Sicht

Hatte Lissner Ende vergangenen Jahres noch auf ein ausgeglichenes Jahresergebnis für 2024 gehofft, sei dies „derzeit in weite Ferne gerückt“. In Anbetracht der „heiklen Finanzlage“ der Stadt, schlug der Kämmerer die Aufnahme von Kreditmitteln vor: „Drei Millionen halte ich für vertretbar“, erklärte Lissner. Im Übrigen riet er dringend von neuen „Großbaustellen“ ab. Und der Öffentlichkeit müsse klargemacht werden, dass für Freiwilligkeitsleistungen vorerst kein Raum mehr sei.

Wenn irgend möglich sollen geplante Bauprojekte gestreckt werden. Der Stadtkämmerer wünscht sich „verdaubare Häppchen“, etwa am dritten ...
Wenn irgend möglich sollen geplante Bauprojekte gestreckt werden. Der Stadtkämmerer wünscht sich „verdaubare Häppchen“, etwa am dritten Grundschulstandort im Markdorfer Süden. | Bild: Jörg Büsche

Der Kämmerer kündigte einen Nachtragshaushalt an mit Streichungen. Gestrichen sei dann „alles, wozu wir nicht verpflichtet sind“. Dem Rat empfahl Lissner, alle derzeit geplanten Maßnahmen wenn möglich zu verschieben. „Ich habe den Ehrgeiz, die nun fehlenden zwei Millionen in den nächsten sieben Monaten wieder reinzuholen“, kündigte Riedmann an. Und mit Blick aufs geplante Schulprojekt Markdorf-Süd erklärte er: „Jeder nicht ausgegebene Euro hilft bei der Realisierung des dritten Grundschulstandorts.“

Keine neuen Großprojekte lautet nun die Maßgabe des Stadtkämmerers. Damit gibt es auch bei der Stadthalle keinen Ausblick auf eine ...
Keine neuen Großprojekte lautet nun die Maßgabe des Stadtkämmerers. Damit gibt es auch bei der Stadthalle keinen Ausblick auf eine Sanierung oder einen Neubau. | Bild: Jörg Büsche

Eine schöngeredete Insolvenz?

In der freien Wirtschaft, so meldete sich der merklich bestürzte Arnold Holstein (Freie Wähler) zu Wort, bedeute die vom Lissner avisierte Haushaltssperre die Insolvenz. Von Insolvenz könne keine Rede sein, antwortete der Kämmerer. „Wir wollen es aber nicht so halten wie manche Städte in NRW“, verglich es Bürgermeister Riedmann, „wo die Kämmerer einfach eine Null an ihre Zahlen hängen“. Rolf Haas (FDP) warnte davor, „sich die Sache schönzureden“. Aus seiner Sicht sei „das Kind längst in den Brunnen gefallen“. Haas‘ Behauptung, die Stadt nehme Kredite auf, um die Gehälter ihrer Angestellten zu bezahlen, wies Riedmann verärgert zurück. Die Kredite seien ausschließlich für notwendige Investitionen gedacht, „keineswegs für die laufenden Ausgaben“.

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„Unser Haushaltsplan war schon seriös“, befand UWG-Chef Joachim Mutschler. Gleichwohl bedauerte er die nun eingetretenen „negativen Einflüsse auf die städtische Einnahmen- und Ausgabenseite“. Vergleichbare Situationen mit schwieriger Kassenlage habe es auch schon früher in Markdorf gegeben, erklärte CDU-Fraktionssprecherin Kerstin Mock. Ähnlich äußerten sich Christiane Oßwald (Umweltgruppe) und SPD-Fraktionssprecher Uwe Achilles, der sich im Übrigen bei der Verwaltung bedankte, dass sie den Rat zeitnah informiert habe.

Haushaltssperre in der Juni-Sitzung

In der Juni-Sitzung des Rats möchte die Verwaltung eine Haushaltssperre beschließen lassen. Dies sei eine „Kurzfristmaßnahme“, erläutert Lissner auf Anfrage des SÜDKURIER: „Die Haushaltssperre soll dafür sorgen, dass wir das Jahr 2024 eben nicht mit einem höheren Fehlbetrag abschließen.“