Der SÜDKURIER und das Mehrgenerationenhaus Markdorf (MGH) sammeln bereits im dritten Jahr Spenden für den „Familien-in-Not-Topf“, mit denen alleinerziehenden Müttern und Familien, die in Notlagen geraten sind, geholfen werden soll. Bereits über 6000 Euro an Spenden sind in den vergangenen drei Wochen im MGH eingegangen. „Wie erhalten sehr viele kleine Spendensummen, worüber wir uns sehr freuen“, bedankt sich Renate Hold vom MGH-Leitungsteam. „Es kommen auch Menschen persönlich bei uns vorbei, um das Geld für eine bestimmte Familie oder Person abzugeben“, berichtet Hold. Sie bittet um Verständnis, dass der Spendentopf unter allen Betroffenen aufgeteilt werde und nicht nur an diejenigen gehe, die ihre Geschichte mit der Öffentlichkeit teilen.
Gewalt in der Familie
Eine, die ihre ganz persönliche Geschichte gerne erzählen möchte, ist die 26-jährige Najra (Name von der Redaktion geändert). Najra ist auf den Philippinen geboren, in einem Kinderheim aufgewachsen und mit drei Jahren von einem deutschen Ehepaar adoptiert worden. Doch eine glückliche Kindheit erlebt sie in Deutschland nicht, die Jahre sind geprägt von Gewalt in der Familie, wie sie dem SÜDKURIER berichtet. Mit 13 Jahren verlässt sie die Familie. Es beginnt eine Zeit, in der es für sie darum geht zu überleben, sie geht verschiedene Beziehungen ein, arbeitet in unterschiedlichen Dienstleitungsberufen und gerät in einen gefährlichen Strudel. Sie droht abzurutschen, kommt in Kontakt mit Drogen und käuflichem Sex. „Da war ich psychisch am Ende und habe gemerkt, dass ich nicht mehr zurechtkomme“, erinnert sich die junge Frau nur ungern an diese Phase in ihrem Leben zurück.
Den Kontakt zum Mehrgenerationenhaus nimmt sie auf, als ihr klar wird, dass sie kein soziales Umfeld hat, dass sie unterstützt und begleitet. „Najra hat eine sehr bewegte Kindheit und Jugend hinter sich“, sagt Renate Hold. Dann verliebt sich Najra, wird schwanger und bekommt mit 18 Jahren ein Kind. „Meine Tochter war meine Rettung“, sagt sie heute rückblickend. Sie möchte ihr Leben in den Griff bekommen, doch die Traumata aus ihrer Kindheit lassen sich nicht so einfach abschütteln. Sie habe nach eigener Aussage eine „Kette an Kliniken und Therapeuten durch“, eine Zeit lang wird sie engmaschig therapeutisch betreut, derzeit geht es ihr wieder besser. Seit mehreren Jahren ist das MGH-Team an der Seite der jungen Frau und hat ihr einen finanziellen Zuschuss gewährt, damit sie die Therapiestunden bezahlen kann.
Die Vergangenheit würde sie gerne hinter sich lassen
„Im Mehrgenerationenhaus habe ich gelernt, dass ich als Mensch gut bin, so wie ich bin“, berichtet Najra, die auch in Gesprächen mit anderen Frauen gelernt hat, sich selbst nicht zu verurteilen. Die Vergangenheit würde sie gerne hinter sich lassen, aber sie wird immer wieder von ihr eingeholt. „Ich versuche, meinen Weg zu gehen“, sagt die 26-Jährige, die derzeit eine Ausbildung zur Altenpflegerin im Bodenseekreis macht. Eine Ausbildung, die gerade in Zeiten von Corona, nicht zur Herausforderung, sondern auch Belastung mit sich bringt. Auch hier bekommt sie Unterstützung vom MGH-Team, denn eine abgeschlossene Ausbildung ermöglicht die Ausübung eines Berufes und eine finanzielle Sicherheit.
Die Tochter lebt bei ihrem Vater, Najra sieht sie alle zwei Wochen. Für die Zukunft wünscht sie sich „Normalität in meinem Alltag“ – eine stabile Partnerschaft, eine Familie, ein glückliches Zuhause. „Sie ist eine starke Frau, andere wären an ihrer Biografie längst zerbrochen“, fügt Renate Hold am Ende des Gespräches hinzu. „Wir glauben, dass sie ihr Leben meistern wird.“
Aktion „Familien in Not“
Das Mehrgenerationenhaus und der SÜDKURIER rufen im dritten Jahr in der Adventszeit gemeinsam zur Aktion „Familien in Not“ auf. Es werden kleine und große Geldspenden gesammelt, die in einem Spendentopf für Notlagen landen. Jede Spende kommt direkt bei den Betroffenen an. Renate Hold und Christin Jungblut vom Leitungsteam des Mehrgenerationenhauses entscheiden nach dem Vier-Augen-Prinzip, wem welcher Geldbetrag zugute kommt.
Ziel ist es, schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe zu leisten, um wieder Hoffnung und Lebensmut zu schenken. Bis Weihnachten wird der SÜDKURIER regelmäßig über die Aktion berichten. Wer Hilfe braucht oder spenden möchte, kann sich unter der Telefonnummer 0 75 44/91 29 65 beim MGH-Team melden.
Spendenkonto:
Familienforum Markdorf
Stichwort: Familien in Not
IBAN: DE83 6905 0001 0001 8709 30
Sparkasse Bodensee