Wie viele Künstlerkollegen konnte auch der Meersburger Schauspieler Bastian Stoltzenburg seinen Beruf während der Pandemie nicht ausüben. “Alles wurde runtergefahren – ich habe mich wie eingekerkert gefühlt“, beschreibt der 51-Jährige sein Empfinden im ersten Lockdown. Bedrohlich war für ihn neben der wirtschaftlichen Unsicherheit auch die fehlende Schauspieltätigkeit. „Auch wenn ich mich nach über 30 Jahren auf der Bühne nicht mehr beweisen muss, fehlt mir doch die Auseinandersetzung mit dem Publikum“, sagt der Künstler im Gespräch. Getröstet habe er sich mit der Geschichte über einen Kollegen, der sich, um sich über Wasser zu halten, als Fabrikarbeiter verdingt habe.
“Was andere können, kann ich auch“, dachte sich Stoltzenburg und machte sich auf die Suche nach einem Job. Der befreundete Wirt und Hotelier Anton Iseni habe ihm zunächst einen Job als Kellner angeboten. Weil Stoltzenburg wegen einer Herzerkrankung nicht über längere Zeit eine FFP2-Maske tragen kann, sei das Kellnern in für ihn nicht in Frage gekommen. Dafür habe er das Jobangebot als Parkhauswächter in der Parkgarage Im Weinberg gerne angenommen. Seit Pfingsten 2020 ist er jetzt dort tätig. Einiges hat er seither erlebt und er wäre kein ausgebildeter Mime, wenn er die Anekdoten nicht mit ganzem Körpereinsatz erzählen würde.
Rehkitz verirrt sich ins Parkhaus und schreit verzweifelt
So berichtet er zum Beispiel von verzweifelten Schreien aus dem Dunkel des Parkhauses. Ein Rehkitz sei wohl durch einen seitlichen Fensterschacht hereingekommen und habe vergebens versucht, den Weg nach draußen zu finden. Auf dem glatten Boden sei das Tierchen mit seinen dünnen Beinen immer wieder ins Straucheln geraten. Weil er sich keinen anderen Rat wusste, rief Stoltzenburg kurzerhand die Polizei. Die wiederum habe den zuständigen Jagdbeauftragten Karl Schmäh benachrichtigt, berichtet Stoltzenburg. Trotz mehrfacher Runden über die Parkdecks wurden die beiden nicht fündig.
Erst Stunden später habe ein Gast beim Ausparken das Kitz hinter seinem Auto entdeckt. „Es war vollkommen erschöpft und hat tief geschlafen“, führt Stoltzenburg aus. Noch einmal sei Schmäh gekommen und mit vereinten Kräften hätten sie das Tier einfangen können. Der erfahrene Jäger habe zunächst die Läufe des Rehleins abgetastet, um einen Bruch auszuschließen und es dann zur Erleichterung des Garagenwächters zurück in den Weinberg gebracht.

Andere Parkhaus-Anekdoten Stoltzenburgs kommen weniger aufreibend daher. So habe einmal ein junges Paar das Parkhaus mit einem „Liebestempel“ verwechselt – und das bei laufendem Automotor. Nur nach mehrmaliger Aufforderung durch Rufen habe das Paar den Motor endlich ausgeschaltet. Ein anderes Mal hätten Leute behauptet, der Ticketautomat habe ihren 20-Euro-Schein behalten. Nach Öffnen des Automaten sei aber gar kein Zwanziger dabei gewesen. „Die wollten wohl ihre Parkgebühr von 5 Euro nicht zahlen und brauchten noch ein bisschen Benzingeld“, vermutet Stoltzenburg im Nachhinein.
Ansonsten pflegt der Wächter eher ein herzliches Verhältnis zu den Parkhausbesuchern. Viele winkten ihm bei der Ausfahrt zu und manchmal bekomme er sogar ein kleines Dankeschön für seine Hilfsbereitschaft. Einmal habe ein älteres Pärchen, dem er bei der Parkplatzsuche behilflich war, sogar ein kleines Modellauto plus Dankeskarte vom Besuch in Meersburg mitgebracht.
Leicht ist dem Schauspieler der Einstieg in den Parkhausjob nicht gefallen. „Es war eher wie ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert sich Stoltzenburg. Er habe sich in eine brandneue Computeranlage einarbeiten müssen. Anfänglich habe es wegen einer Systemumstellung Probleme beim Öffnen der Schranke gegeben. Mittlerweile sind alle technischen Probleme behoben und er fühlt sich sicher in seinem Übergangsjob. „Auch wenn es bestimmt nicht mein Lebenstraum ist, in einem Parkhaus zu arbeiten, mache ich das Beste draus“, erklärt er. Viel Freude hat Stoltzenburg an dem Ausblick aus seinem Bürofenster, aus dem er zwischen vorbeifahrenden Fähren den See sehen kann. Die Rosen in der Parkhauseinfahrt gefallen ihm ebenfalls und er pflegt sie, damit sie lange schön bleiben, wie er sagt.
„Auch wenn es bestimmt nicht mein Lebenstraum ist, in einem Parkhaus zu arbeiten, mache ich das Beste draus.“Bastian Stoltzenburg, Komödiant
Kehren, Aufpassen und Vorfreude auf nächsten Auftritt
Beim Erzählen über seine zu erfüllenden Aufgaben blitzt sein komödiantisches Talent wieder durch. „Das Kehren der Parkplätze betrachte ich als eine Art Zen-Meditation“, scherzt er in Anspielung auf die buddhistische Form des Selbstversenkens zum Beispiel durch das Rechen eines Zen-Gartens. Darüber hinaus hält er die Garage sauber, wartet das Ticketgerät oder passt auf, dass Gäste mit großen Fahrzeugen keine zwei Stellflächen besetzen. Wenn er Leerlauf hat, greift er zum Laptop und bearbeitet alte Noten für sein nächstes Soloprogramm plus Ukulele. Er freut sich schon auf seinen ersten Auftritt nach dem Arbeitsverbot. Am 29. Juli tritt er unter freiem Himmel im Meersburger Reithof auf. Denn auch nach über 30 Jahren auf der Bühne, liegt ihm der Austausch mit seinem Publikum am Herzen.