„Die Situation ist dramatisch“, sagt Bürgermeister Daniel Heß in der aktuellen Sitzung des Gemeinderats in Stetten. Zahlreiche Versuche, in der kleinen Seegemeinde geeigneten Wohnraum für Geflüchtete zu finden, habe er schon unternommen. Er warb auf Social-Media-Kanälen, inserierte im Amtsblatt und sprach Privatpersonen auf leer stehende Wohnungen und Häuser an. Stetten ist nicht groß, hier sind alle gut vernetzt. Bisher war Heß erfolglos.
Was den Rathauschef umtreibt, ist die Tatsache, dass er gesetzlich gezwungen ist, bis zum Jahresende vier weitere Geflüchtete aufzunehmen. Im kommenden Jahr sollen sukzessive zehn weitere geflüchtete Menschen hinzukommen. „Wir laufen derzeit leider Gefahr, unsere Turnhalle für diesen Zweck in Anspruch nehmen zu müssen“, bedauerte Heß. Nach Ansicht des Bürgermeisters wäre das ein „No-Go“, eine überaus schlechte Lösung. Andere Optionen werden parallel geprüft, wie er auf Nachfragen von Ex-Gemeinderat Jürgen Kammerer in der Bürgerfragestunde erklärte. „Wir tanzen derzeit auf mehreren Hochzeiten“, unterstrich Heß.
Eine Möglichkeit könnte demnach der Um- und Ausbau des ehemaligen alten Feuerwehrhauses auf dem Bauhofgelände sein. Ferner denke er über das Aufstellen von Wohncontainern nach. Dabei schreckten ihn die hohen Kosten. Ein Container mit Platz für 14 Menschen kostete rund 160.000 Euro. Am Ende sei nicht klar, wie viel von der Summe an der Gemeinde hängen bleibe. „Es ist klar, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen“, resümierte Heß das Unterbringungs-Dilemma. Die Belastungsgrenze sei erreicht. Das bekräftigten er und die Gemeinderäte per einstimmigem Beschluss. Es sei momentan nicht gegeben, mehr Flüchtlinge adäquat unterzubringen, zu versorgen und zu integrieren.

Dringender Appell an die Bürger, Wohnraum zu stellen
Einen Appell richtete der Bürgermeister an die Stettener Bevölkerung, den Ernst der Lage zu erkennen, und der Gemeindeverwaltung wenn möglich Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ein anderer Aufruf erging an Bund und Länder. Die Beschlüsse des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingspolitik von Anfang November seien aus kommunaler Sicht nicht ausreichend. Es wären deutlich weitreichendere Beschlüsse notwendig gewesen, „um die irreguläre Migration wirksam zu begrenzen und damit die Kommunen in der aktuellen, enorm angespannten Lage zu entlasten“, hieß es in der gemeindlichen Tischvorlage. Es gehe vor allem um schnelle und unbürokratische Maßnahmen, so Heß. Einvernehmlich stimmten er und die Räte ab über den Schulterschluss der Gemeinde mit den Vorstößen des Gemeindetags Baden-Württemberg.
In dem von Heß vorgestellten Positionspapier des Gemeindetags wird die Überlastung der Kommunen thematisiert und eine neue Prioritätensetzung von Bund- und Länderseite gefordert. Die Gemeinden hätten ihre humanitäre Verantwortung durch die bisherige, umfangreiche Aufnahme von geflohenen Menschen bewiesen, so der Tenor. Es sei aber auch kommunalpolitische Aufgabe, die „Grenzen des Leistbaren zu erkennen (…) und auf ein harmonisches Dorfleben zu achten“. Vorschläge für Sofortmaßnahmen von Gemeindetag-Seite sind unter anderem „eine konsequente Begrenzung der irregulären Zuwanderung beispielsweise durch Grenzkontrollen, das Beschleunigen von Asylverfahren oder das Aberkennen des Aufenthaltsrechts für Personen, die schwere Straftaten begangen haben“.
Die Stettener Gemeinderäte beauftragten ihren Bürgermeister unisono damit, zusammen mit Landkreis, Wahlkreisabgeordneten und Medien auf die angespannte Flüchtlingssituation und notwendige Handlungsschritte von Regierungsseite hinzuweisen. „Wir sitzen alle in einem Boot und müssen eine Lösung finden“, so Heß.