Des einen Freud, des anderen Leid. Das gilt aktuell an der Ortsdurchfahrt Stetten, die durch die Sperrung der Bundesstraße 33 zwischen Markdorf und Ittendorf deutlich weniger befahren wird als an gewöhnlichen Tagen. Bürgermeister Daniel Heß sagt: „Tatsächlich sind dies derzeit angenehme, erträgliche Zustände in unserer Ortsmitte. Unsere Anwohner der Ortsdurchfahrt sind hocherfreut über die wesentlich geringere derzeitige Lärmbelästigung, wie mir berichtet wird. Eine Wohltat, wenn unsere Ortsdurchfahrt bei den derzeitigen Straßenplanungen durch den Bau einer Umgehung Berücksichtigung finden würde.“
Handel und Gastro leiden durch Sperrung
Aber: Handel und Gastronomie leiden laut Heß „erheblich“ unter der Straßensperrung, die mehrere Wochen andauert. Heß berichtet: „Enorme Umsatzeinbußen sind zu verzeichnen, da wir Richtung Markdorf – Ravensburg komplett abgeschnitten sind. Viele Kunden und Gäste nehmen die große Umleitung nicht in Kauf, um unsere Gastronomie und Handel zu besuchen. Im Umkehrschluss betrifft dies natürlich auch unsere Bürger, die zum Einkaufen oder zum Arztbesuch nach Markdorf und Umgebung müssen.“ Der Bürgermeister ist nach eigenen Angaben froh, „dass der ÖPNV trotzdem unsere Haltestellen in der Ortsmitte anfährt“.
Sperrung und Ausweichverkehr
Marianne Kaindl führt eine Marketing-Agentur und arbeitet als Autorin. Sie wohnt und arbeitet in einem Haus aus dem Jahr 1857, das wenige Meter von der Ortsdurchfahrt entfernt liegt. „Momentan ist es ein großer Unterschied zu sonst“, sagt die Wahl-Stettenerin. „In der Corona-Zeit habe ich Kundengespräche draußen geführt. Das war wegen des Durchgangsverkehrs schwierig.“ Ihr ist allerdings bewusst: „Was ich genieße, ist für andere ein Nachteil.“ Kaindl zählt beispielsweise das Gartencenter Röhm in Stetten sowie die Ittendorfer und Hagnauer Bürger auf. Die Umleitung führt über die Bundesstraße 31 und somit durch Hagnau in Richtung Immenstaad und die L207 durch Friedrichshafen-Kluftern und Lipbach sowie zurück.

Kaindl ist 1994 in ihr Haus eingezogen. „Da war es schon ein Thema mit der Umgehung. Ich weiß es nicht, ob wir das noch erleben werden. Es wäre für fast alle eine große Erleichterung“, sagt die Autorin. Nachts weckt sie der Krach der B33 nicht mehr. „Mit dem Schlafen gewöhnt man sich dran. Die ersten Jahre habe ich im Hochsommer mit geschlossenem Fenster geschlafen. Jetzt schlafe ich mit gekipptem Fenster“, erläutert Kaindl. Doch in ihrem Garten, den sie gern mit ihren Katzen besucht, fühlt sie sich generell gestört. „Der Garten sollte Erholungs- und Rückzugsort sein“, meint sie. Jedoch verursachen Lastwagen gerade beim Bremsen und Anfahren an der Ampel an der Hauptstraße hohe Lärmbelästigungen.
„Es ist so etwas wie eine Dorfidylle spürbar“
Heiko Mantzsch ist Vorsitzender der Verkehrsinitiative Team B31-Stetten und Anwohner von der B33 und B31. Er schreibt in einer Stellungnahme an den SÜDKURIER: „Bekanntlich ist Stetten durch zwei sehr stark befahrene Bundesstraßen übermäßig und unverhältnismäßig durch Lärm betroffen. Daher ist die derzeitige Sperrung der B33 für sehr viele lärmgeplagte Stettener eine wahre Wohltat. Tags und nachts dürfen Fenster geöffnet bleiben und die Ortsdurchfahrt kann problem- und gefahrlos jederzeit überquert werden.“ Selbst in entfernten Bereichen in Stetten (Schule, Kindergarten und Sportplatz) sei sonst eine signifikant wahrnehmbare Geräuschkulisse durch die B33 permanent präsent. „All das ist derzeit verschwunden und im Dorf ist so etwas wie eine Dorfidylle spürbar“, findet Mantzsch.
Würde der Weiterbau der B31-neu zwischen Immenstaad und Meersburg beziehungsweise die Umgehung auf der Vorzugstrasse B1 realisiert, hält Mantzsch diese „Dorfidylle“ für dauerhaft möglich. „Die in Stetten ansässigen Gastronomiebetriebe und Beherbergungsbetriebe könnten attraktive Außenbereiche gestalten und dem Dorf ganz neuen Glanz ermöglichen. Voraussetzung wäre nur, dass die B33 als Durchfahrt verschwindet“, schlägt Mantzsch vor. Momentan fühlt es sich so an, als ob die B33 verschwunden und die Ortsdurchfahrt nur eine normale Hauptstraße wäre. Der Stettener appelliert an all jene, die sonst die B33 in dem Dorf nutzen: „Bitte denken Sie doch mal darüber nach, wie das wäre, wenn vor Ihrer eigenen Haustür ständig, zu jeder Tag- und Nachtzeit Lärm erzeugt und oft auch provoziert wird.“ Er ruft zudem dazu auf, nicht über den Verkehr durch die Umleitung zu „schimpfen“, sondern die ruhigere Lage im Ort zu genießen.
Ruhe auf der einen, mehr Verkehr auf der anderen Seite. Bürgermeister Daniel Heß teilt mit: „Aufgrund der Verkehrsverlagerung auf die B31 ist hier folglich ein höheres Verkehrsaufkommen zu verzeichnen. Auf unserer Fahrradstraße entlang der B31 herrschen durch den Ausweichverkehr mittlerweile chaotische, untragbare Zustände. Verkehrszeichen werden ignoriert, es wird viel zu schnell gefahren, Radfahrer beschimpft und Autofahrer, die sich an die Geschwindigkeitsvorgaben (höchstens 30 Stundenkilometer) zwischen Stetten Unterführung und Hagnau halten, genötigt.“ Das habe er schon selber mehrmals erlebt. „Hier mache ich mir große Sorgen, dass es auf diesem Abschnitt zu einem schrecklichen Unfall kommt“, sagt Heß. Vor Kurzem wurde als Gegenmaßnahme ein Blitzer an der Fahrradstraße positioniert.