Zwischen acht und zwölf Minuten braucht ein Rettungswagen, bis er in Oberteuringen am Einsatzort ist, das Team der „Helfer vor Ort“-Gruppe nur zwischen zwei und vier Minuten. Als Steven Grote, der seit 2016 ehrenamtlich bei den Johannitern im Einsatz ist und eine Ausbildung zum Notfallsanitäter macht, beim Gespräch mit dem SÜDKURIER diese Zahlen nennt, wird deutlich, wie lebensrettend die „Helfer vor Ort“-Gruppe (HvO) sein kann, wenn in einem Notfall jede Minute zählt.

Oberteuringer Gruppe besteht seit November 2018
Der 23-jährige Grote wohnt in Oberteuringen und gründete hier im November 2018 die Gruppe. „Gutes bewirken und den Menschen helfen, das ist mein Antrieb.“ Und dafür sei er gerne bereit, einen Teil seiner Freizeit zu geben – oder seinen Schlaf zu unterbrechen. Außerdem bekomme er über die Einsätze mehr Routine für seinen Beruf.
Hintergrund war der, dass zuvor die HvO-Gruppe Bavendorf-Taldorf von April bis November 2018 knapp 50 Mal in die Gemeinde Oberteuringen alarmiert wurde. „Der Bedarf bei uns war also da“, sagt Grote und so schlossen sich einige ehrenamtliche Helfer von Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz zusammen.
Gruppe besteht aus zwölf Personen, die medizinisch ausgebildet sind
Derzeit besteht die Gruppe aus zwölf Personen, im Alter zwischen 19 und 30 Jahren, die alle eine entsprechende medizinische Grundausbildung haben. Jeder verfügt über eine spezielle Ausrüstung zur Sicherung der Atemwege, Material zur Blutstillung von lebensgefährlichen Blutungen und Wunden und vereinzelt auch über einen automatischen externen Defibrillator, der bei einer Reanimation eine wichtige Rolle spielen kann.
2019 wurde die Gruppe zu rund 240 Einsätzen alarmiert, berichtet Steven Grote. Sie werden von der Leitstelle zusammen mit dem Rettungsdienst alarmiert, wenn es um zeitkritische Notfalleinsätze geht. Rund 80 Prozent der angeforderten Einsätze können sie abdecken, so Grote. Die Gruppe sei nicht zum Einsatz verpflichtet.

Wer von den Helfern von seinem Arbeitsplatz aus oder in der Freizeit mit dem privaten Auto losfährt, wird über eine App geregelt. Vor Ort geben sie eine aktuelle Lagemeldung ab, fordern bei Bedarf weitere Einsatzkräfte ein, betreuen die Patienten und überbrücken die Zeit, bis der Rettungsdienst eintrifft.
Corona-Pandemie sorgt für Rückgang der Einsätze
Seit der Corona-Pandemie ist es bei den Helfern ruhiger geworden. Zunächst habe es kaum noch Einsätze gegeben, dann wurden sie als ehrenamtliche Gruppe vom Dienst „abgeschaltet“ und ausschließlich nur noch zur Reanimation alarmiert.
„Hier haben wir in der kurzen Zeit auch tatsächlich zwei Alarmierungen zu einer gemeldeten Reanimation gehabt“, sagt Grote. Sonst waren in der Zeit nur die hauptamtlichen Sanitäter unterwegs.

Mittlerweile wurden diese Vorgaben wieder gelockert und mit speziellen Schutzvorkehrungen und strengen Hygienemaßnahmen können sie wieder Leben retten.
2020 gab es bis Anfang August 84 Einsätze
Die Zahl der Einsätze liegt in diesem Jahr (Stand Anfang August) bei 84 Einsätzen, 86 Prozent davon konnten bedient werden, darunter drei Reanimationen, fünf Verkehrsunfälle und zwei Brände. Fünfmal waren die Retter in Markdorf, dreimal in Friedrichshafen.

„Nicht jeder Einsatz ist einfach“, sagt Steven Grote, denn es geht meist um Leben und Tod, und sie können nicht jedes Leben retten. Der 23-Jährige erzählt von einem Fahrradfahrer, der von einem Auto erfasst worden war und auf der Bundesstraße wiederbelebt werden musste – leider ohne Erfolg.
Helfer müssen mit dem Erlebten abschließen können
Vor Ort, so berichtet Grote, versuchen er und sein Team die Verletzung oder Krankheit entsprechend ihrem Wissen und Können professionell „abzuhandeln“, schwierig werde es danach, gerade wenn es um Todesfälle oder Kindernotfälle geht. „Reden mit den Kollegen hilft, denn es ist wichtig, dass wir mit dem Erlebten umgehen und abschließen können.“ Denn der nächste Einsatz wartet.

Besonderer Einsatz mit glücklichem Ausgang
Im Juni 2019 gab es einen besonderen Einsatz für die Helfer, erinnert sich Steven Grote. Früh morgens ging der Notruf „Schwangerschaft, unbekannter Zustand“ ein. Vor Ort wurden die Helfer bei einer Familie im Haus von zwei Kindern empfangen. Der Vater war bei seiner schwangeren Frau, deren Fruchtblase wenige Sekunden zuvor geplatzt war.
Starke Wehen verkündeten die einsetzende Geburt, die dann im Bett stattfand. Beim Eintreffen des Notarztes war das kleine gesunde Mädchen bereits auf der Welt. „Daran denkt man natürlich gerne zurück“, so der 23-Jährige.

Steven Grote plant, weitere Gruppen zu installieren. Die HvO Deggenhausertal wird „gerade scharf geschalten“, das bedeutet laut Grote, dass vermutlich ab dem 10. August diese aktiv ist und ihre ersten Einsätze fahren wird.
Auf der Suche nach Helfern und Unterstützern
Er ist auf der Suche nach weiteren freiwilligen Helfern, aber auch nach finanzieller Unterstützung, um das notwendige Einsatzmaterial zu beschaffen und die Gruppe entsprechend auszurüsten. „Wir haben uns als Oberteuringer Gruppe einen guten Ruf erarbeitet, da wir gute Leute haben und oft vor Ort sind“, ist Grote stolz auf sein Team.