Wenige Tage nach seinem 90. Geburtstag, den er am 24. Januar hatte begehen können, ist der Landwirt Ernst Beck gestorben. Der gebürtige Nußdorfer, der zum Billafinger wurde, widmete beiden Heimatorten Erinnerungen, erschienen 2014 und 2022. Sein erzählerisches Talent beeindruckte den Literaten Martin Walser, der über Becks Nußdorfer Text schreibt: „Ich bin hingerissen!“
Ein Begleiter war Ernst Beck über viele Jahre der Überlinger Lehrer, Literaturförderer und Historiker Oswald Burger. Er hatte bis zuletzt Kontakt und verabschiedet sich von ihm in einem Brief an die Familie, in dem er den Freund persönlich anspricht. Burger hat dem SÜDKURIER gerne gestattet, dieses Schreiben als Nachruf abzudrucken:

Oswald Burgers Zeilen an seinen Freund Ernst Beck
Lieber Ernst, nun bist Du also auch gegangen. Du hast es schon gewusst, dass Deine Zeit begrenzt sein würde. Alle unsere Verabredungen im vergangenen Jahr standen unter dem Vorbehalt, ob Du sie noch erleben würdest.
Du bist vor 90 Jahren 1934 in einer Zeit geboren, als Deutschland und Dein Heimatdorf Nußdorf gerade in die schlimmste Phase der gewalttätigsten Unterdrücker hineinglitt, die je über Deutschland herrschten, und die sich dann anschickten, Europa und die Welt zu erobern. Du hast uns in Deinen Kindheits- und Jugenderinnerungen eindringlich davon erzählt.
Schlaglichter auf Ernst Becks Leben

Burger erinnert an Becks politische Karriere
Nach dem Krieg hast Du Dein Leben selbst in die Hand genommen, hast daheim in Nußdorf und in der großen weiten Welt gelernt, wie man in der Landwirtschaft leben, arbeiten und zufrieden sein kann und mit Deiner Anneliese in Billafingen einen Hof aufgebaut und eine Familie mit einem großen Clan um Dich herum gegründet, mit vier Kindern, zwölf Enkeln und auch schon mit Urenkeln. Und dass Du nicht nur im Beruf und in berufsständischen Vereinigungen, sondern auch in der Gestaltung des öffentlichen Lebens aktiv warst, war selbstverständlich für Dich. Schon als junger Mann warst Du Gemeinderat in Nußdorf, später dann in Billafingen, auch im Kreistag und schließlich als Ortsvorsteher in Deiner Heimatgemeinde.
Legendär sind Deine Besuche bei Jubilaren, denen Du immer mit passenden Worten gratuliertest und auf deren zurückgelegte Zeit Du zurückblicktest, oder Dein Wanderführer zu den Höfen, Menschen und durch die Landschaft rund um Billafingen. Als Martin Walser 1968 mit seiner Familie nach Nußdorf kam, lebtest Du gerade seit drei Jahren nicht mehr dort, sondern schon in Billafingen. Aber Du hast den Kontakt gesucht und Walsers immer wieder besucht, nie ohne einen großen Strauß bunter Blumen, wie sich Käthe Walser erinnert. Das war auch im vergangenen Jahr noch so, und bei einem Deiner Besuche hast Du erzählt, dass Du in der Corona-Zeit begonnen hast, Deine Erinnerungen an die Kindheit in Nußdorf aufzuschreiben.
Ernst Beck und Martin Walser
Der fast sieben Jahre ältere Martin Walser war entzückt über diese Idee und erfreut darüber, von Dir mehr über das Dorf aus den Jahrzehnten vor der Zeit zu erfahren, seit der er in Nußdorf lebte. So konntest Du das große Glück erleben, einen warmherzigen und kompetenten Lektor für Dein Manuskript und einen kompetenten Laudator für Dein Buch zu erhalten. Walser sorgte dafür, dass der Text zu einem tüchtigen Verleger gelangte und so erblickte Dein letztes Werk das Licht der Öffentlichkeit „Was von der Kindheit bleibt – mein Nußdorf, wie ich es erlebt habe“.
Als wir zu dritt im Dorfgemeinschaftshaus in Nußdorf im vergangenen November Dein Buch vorstellten, war Eure Situation schon so gefährdet, dass wir ständig damit rechnen mussten, dass der eine oder andere den Termin nicht mehr erleben würde. Zwei Tage vor der Lesung war Martin Walsers jüngerer Bruder gestorben, Du warst immer wieder in Behandlung, auch Martin Walser war schon vom Tod gezeichnet. Es waren die letzten Wochen seines Lebens, und wenn ich ihn fragte „Wie geht‘s?“, antwortete er: „Ich sterbe.“. Er ist Dir ein paar Wochen vorausgegangen.
Aber nun warst Du dran. Du warst nicht verzweifelt, sondern gefasst. Sicher bist Du noch oft im Geiste durch das Dorf Deiner Kindheit gewandert, mit dem Traktor von Billafingen nach Nußdorf gefahren oder noch einmal den Weg rund um Billafingen gegangen, den Du in Deinem Buch beschrieben hast.
Leider kann ich Dich auf dem letzten Weg zu Deinem Grab am nächsten Freitag (9. Februar, 11 Uhr, Anm. d. Red.) nicht begleiten, weil ich eine Reise nach Hamburg geplant habe. Ich werde dort im „Alten Land“ schauen, wie es den Obstgütern heute geht, auf denen Du in Deinen jungen Jahren zwei Jahre lang gelernt hast. Ich danke Dir für die Zeit, die wir miteinander verbringen durften, und Deine vielen Anregungen, Dein Oswald.