Das Strickmuster historischer Romane sieht häufig so aus: „Frauen, die Hebammen sind oder Hexen. Das wollte ich nicht“, betont Birgit Rückert. Die Salemer Schlossverwalterin und promovierte Archäologin hat gerade ihren zweiten Roman um den Salemer Mönch und späteren Abt Johannes Scharpfer herausgebracht: „Schatten über Salem“.

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Johannes begibt sich auf die Reise in die Ewige Stadt

Die Fortsetzung ihres 2018 erschienenen Erstlings „Das Geheimnis von Salem“ spielt über weite Teile in Rom und auf dem Weg dorthin. Johannes reist 1489 im Auftrag des Salemer Abts Johannes Stantenat in zwei Missionen in die Ewige Stadt: erstens, um den Mord an einem Mitbruder aufzuklären, und zweitens, um die urkundlichen Beweise für die Selbstständigkeit des Klosters Salem zu sichern, auf das der Bischof von Konstanz ein begehrliches Auge geworfen hat. Und natürlich trifft Johannes auch seine Jugendliebe Magdalena wieder, deren Bruder Matthias Reichlin von Meldegg in Rom unter Mordverdacht steht.

Erneut bewegt sich die Handlung des Romans auf zwei Zeitebenen und wieder sorgt im 21. Jahrhundert ein spektakulärer Grabfund für Furore und Rätselraten.

Autorin möchte vermitteln, dass Geschichte spannend ist

Rückert verknüpft geschickt Fakten und Fantastisches. Der zweite Band enthalte „ein bissle mehr Fiktion“ als der erste, sagt sie. Doch erneut beweist sie, dass es keine wirklichkeitsfernen Plots braucht, um Historisches spannend zu vermitteln. Ihr ist es ein Anliegen zu zeigen, „dass Geschichte nicht langweilig ist. Die Geschichten sind da.“ So erweckte die wohlhabende Reichsabtei Salem tatsächlich immer wieder Neid und Übernahmegelüste. Auch musste jede Abtwahl von der Kurie in Rom bestätigt werden, sodass regelmäßig Salemer Abgesandte dorthin reisten.

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„Alles, was historisch drinsteht, stimmt auch“

Zum Beispiel der Mönch und spätere Abt Matthäus Roth, dessen Reisebericht „Itinerarium Romanum“ von 1554 Rückert als Vorlage diente. „Unsere Mönche sind geritten, haben Laienkleider getragen und Roth kleidete sich in San Sebastiano neu als Zisterzienser ein“, zählt Rückert einige Details auf, die sie für ihren Roman verwendet hat. „Alles, was historisch drinsteht, stimmt auch“, unterstreicht sie. So etwa das Prozedere in der päpstlichen Verwaltung, der Kurie, oder die bereits in der Renaissance erfolgte Wiederentdeckung der antiken Katakomben, in denen ein aufregendes Romankapitel spielt.

Autorin kennt Rom gut

Auch der römische Gelehrte Julius Pomponius Laetus, der im Roman eine tragende Rolle hat, ist eine historische Persönlichkeit. Er lebte von 1428 bis 1498. Sein Porträt steht auf Rückerts Schreibtisch. „Ein Geschenk meines Mannes zu meinem letzten Geburtstag“, erzählt sie. Mehr als ein Jahr lang hat sie an dem Buch gearbeitet. Rückert kennt Rom sehr gut. In ihrem früheren Berufsleben organisierte und leitete sie für das Leibnitz-Kolleg der Universität Tübingen rund ein Dutzend Rom-Exkursionen. Geholfen hat ihr bei ihren Recherchen auch, dass die gesamten Salemer Handschriften in Heidelberg mittlerweile digitalisiert vorliegen und auch große Teile der Salemer Archivalien im Generallandesarchiv in Karlsruhe, erzählt sie.

Die Kunst, glaubwürdige Fiktion zu erschaffen

Rückert gelingt es in ihrem zweiten Roman, die Wirklichkeit derart weiterzuspinnen, dass ebenso glaubwürdige wie unterhaltsame Fiktion entsteht. Zum Beispiel hat sie zwar fabuliert, dass auch Salemer Künstler wie der verbürgte Baumeister Hans von Savoy in Rom waren und sich von den antiken Groteskenmalereien aus dem Palast Neros Inspiration fürs Salemer Münster holten. In Wirklichkeit tauchten aber tatsächlich bei Restaurierungsarbeiten im Salemer Münster hinter den grauen Wandfassungen am Südchorumgang und auch um das gotische Sakristeiportal herum Reste von Malereien auf, die laut Rückert vor 1600 entstanden.

Reste von Malereien, die aus der Renaissance stammen, tauchten bei der Sanierung des Salemer Münsters auf.
Reste von Malereien, die aus der Renaissance stammen, tauchten bei der Sanierung des Salemer Münsters auf. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Ein Teil beim Chorumgang könnte sogar bis ins späte 15. Jahrhundert zurückreichen, also in die Zeit von Johannes Scharpfer und seinem Vorgänger Johannes Stantenat. Zwar sind die Motive, die das Portal säumen, laut Rückert keine typischen Groteskenmalereien. Doch weisen sie antikisierende Ornamente auf, wie sie in der Renaissance beliebt waren.

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Folgt bald auch ein dritter Band?

Geschichte und Geschichten liegen in der Salemer Schlossanlage wahrhaftig nahe beieinander – und so gibt es noch viel Raum für weitere Episoden. Es sieht auch ganz so aus, als werde Rückert mehr folgen lassen. „Johannes muss ja noch Abt werden“, kündigt sie an. Und, so viel sei verraten, auch der zweite Band endet mit einem neuen, aufsehenerregenden Grabfund.

Birgit Rückert stellt ihr Buch „Schatten über Salem“ am Freitag, 11. Oktober, 19 Uhr, bei einem Glas Wein im historischen „Torkel“ der Schlossanlage Salem vor.