Ob es auf der Suche nach einem fahrbaren Untersatz war? Anders lässt sich der rasante Galopp eines Wildschweins in das Fahrradgeschäft von Familie Reinwald in Weildorf kaum erklären. „Es hat geschnauft, gerumpelt und dann kam was Haariges rein“, schildert es Mitarbeiter Jan Düe, der am Samstagmorgen gerade in der Werkstatt beschäftigt war. „Ich habe erst gedacht, es ist ein ziemlich hässlicher Hund.“
Als er das Tier genauer erkennen konnte, das durch den schmalen Durchgang vom Verkaufsbereich her flitzte, sprang Düe schnell auf die Werkbank. Sein Kollege Sebastian Wagner rannte zur Seitentür hinaus und hielt diese weit geöffnet, um – im wahrsten Sinne des Wortes – die Sau rauszulassen.

Mitarbeiter retten sich auf Möbel
Auch Chefin Sonja Reinwald reagierte schnell auf die morgendliche Überraschung. „Ich war hier am Telefon und habe es rumpeln gehört“, zeigt Sonja Reinwald auf den Tresen im Verkaufsbereich. Auch sie habe zunächst an einen Hund gedacht, dann aber das charakteristische Fell gesehen. „Ich habe durch den Laden gerufen, bin auf die Theke geklettert und habe die Tür aufgesperrt“, erklärt sie. Mithilfe eines Schalters konnte sie die automatische Schiebetür dauerhaft öffnen.

Wildschwein tritt den Rückzug an
Dieser Weg war es auch, den der Schwarzkittel für seinen Rückzug wählte. Jan Düe berichtet, dass das Schwein zunächst vergeblich durch die Glastür der Werkstatt in Richtung der Felder flüchten wollte. „Dann ist es den Weg, wie es reinkam, wieder rausgelaufen.“ Die ganze Aktion im Laden habe keine Minute gedauert, schätzt er rückblickend. „Etwas unreal, die ganze Situation.“ Ein Kollege foppt den jungen Mann: „Davon kannst du noch deinen Enkeln erzählen.“
Nur Schaden an der Schiebetür
Warum sich das Tier ausgerechnet in ihren Laden verirrte, kann Sonja Reinwald nur mutmaßen. Ob es der tierisch gute Service lockte? „Wahrscheinlich!“, entgegnet die Chefin lachend. Hätte das Borstenvieh mehr Muße gehabt, hätte sie ihm durchaus einen fahrbaren Untersatz empfehlen können. „Auf jeden Fall etwas Schnelles, am besten ein Geländefahrzeug“, scherzt Sonja Reinwald und zeigt auf ein stabil wirkendes Elektrorad. „Das war so dick“, erinnert sie sich an das Tier und wundert sich, wie es durch den Laden gelangen konnte, ohne etwas außer der Schiebetür zu beschädigen.

Wilder Ritt endet in einem Wohngebiet
„Das Wildschwein ist am Schlosssee wohl in ein Auto gerannt und in Panik geraten“, sei der Chefin erzählt worden. „Es war aber nicht stark verletzt – dazu war es zu munter.“ Was jedoch zurückblieb, waren Blutspuren. Jan Düe kann berichten, wie es für das Tier weiterging: Es sei weiter durch Weildorf gerannt und habe sich in der Straße Vorder Halden in einem Vorgarten unter einem Busch versteckt. Dann sei das arme Tier erschossen worden, bedauert er.

Angriff auf Spaziergänger mit Kinderwagen
Laut Pressesprecher Simon Göppert ist der Polizei kein Autounfall oder eine andere Ursache für eine Verletzung des Tiers bekannt. Grund dafür ist, dass der Fahrer nicht die Polizei, sondern direkt den zuständigen Jäger über das Zusammentreffen mit dem Tier informierte. Das weiß Tobias Weber zu berichten, der das Wildschwein in Stefansfeld fotografierte, wie es einen Bürgersteig entlanglief. Polizeipressesprecher Göppert erklärt weiter: „Im Bereich des Schlosssees hat ein Anrufer mitgeteilt, dass er von einem Wildschwein angegriffen wurde.“ Ein mitgeführter Kinderwagen sei infolgedessen zerkratzt worden, verletzt worden sei glücklicherweise niemand.


„Gefahr für Unbeteiligte nicht ausgeschlossen“
Als die Polizei vor Ort gewesen sei, traf sie zwei Jäger, allerdings kein Wildschwein mehr an. Dieses sei quer durch Stefansfeld gerannt und habe sich nach dem Gastspiel im Fahrradladen, wie von Jan Düe berichtet, auf einem Grundstück in Weildorf aufgehalten. „Die Familie, die dort lebt, wurde auch vom Wildschwein angegriffen, aber nicht verletzt“, so Pressesprecher Göppert. „Das ausgewachsene Wildschwein wurde von einem Jäger waidgerecht erlegt, da eine Gefahr für Unbeteiligte nicht ausgeschlossen werden konnte.“ Waidgerecht heißt, den jagdlichen Verhaltensnormen entsprechend.