Herr Gortat, die Wahl steht an. Sie haben vor acht Jahren die Wahl zum Bürgermeister von Sipplingen gewonnen und sich dazu entschlossen, erneut zu kandidieren. Warum?

Wenn man die Menschen hier in Sipplingen kennt, weiß man, dass die Gemeinde einen ganz besonderen Charme hat. In den vergangenen acht Jahren haben wir neben dem Tagesgeschäft und trotz vieler Krisen sehr viel umgesetzt. Aufgrund dieser Erfolge möchte ich die nächsten acht Jahre meine Arbeit fortsetzen. Ich habe das Gefühl, dass wir noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten sind. Es gibt viele angestoßene Projekte, wie etwa das Feuerwehrgerätehaus, die ich weiterverfolgen möchte. Zudem bin ich altersmäßig noch voll im Saft, um weiterhin für die Gemeinde Sipplingen tätig zu sein.

Was haben Sie abseits des Feuerwehrgerätehauses noch vor? Was muss besser werden? Welche Vision haben Sie für Sipplingen?

Sipplingen ist ein Ort, in dem sich alle Generationen wohlfühlen sollen – die Kinder, die Jugend und vor allem die ältere Generation. Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir die Nahversorgung im Ort erhalten und auch ausbauen. Bei Letzterem spreche ich von einer Bäckerei oder einem kleinen Café. Ein weiterer Punkt, den ich verbessern möchte, ist die Kommunikation. Ich finde, dass wir hier zwar nicht schlecht aufgestellt sind, doch die proaktive Kommunikation vonseiten der Verwaltung muss optimiert werden. Besonders bei größeren Projekten ist es wichtig, frühzeitig die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen. Ich plädiere dafür, bei größeren Projekten vorab auch außerhalb des Gemeinderats zu erörtern, was den Bürgerinnen und Bürgern wirklich wichtig ist und was umsetzbar ist. Hierbei möchte ich externe Moderatoren einbeziehen, um die Diskussion neutral zu leiten und transparent zu gestalten. Zudem ist es mir ein Anliegen, neue Medien wie Instagram, Facebook und zukünftig auch YouTube stärker zu nutzen, um die Entscheidungen des Gemeinderats, deren Hintergründe und verschiedene Meinungen klarer zu kommunizieren.

Und warum, denken Sie, sind Sie trotz der reizvollen Aufgabe der einzige Kandidat geblieben?

Das habe ich mich auch gefragt, um ehrlich zu sein. Ich glaube nicht, dass das etwas mit der Gemeinde Sipplingen selbst zu tun hat, sondern vielmehr mit der allgemeinen Beobachtung, dass es immer weniger Menschen gibt, die sich bereit erklären, zu kandidieren. Viele überlegen sich gut, ob sie das zeitliche Pensum wirklich auf sich nehmen möchten. In der Regel handelt es sich doch auch um gleich mal eine 60- bis 70-Stunden-Woche, die man mit Familie und anderen privaten Verpflichtungen in Einklang bringen muss.

Kann es vielleicht auch sein, dass angesichts der leeren Kassen niemand Interesse hat, den Posten des Rathauschefs einzunehmen?

Das macht die Situation in der Tat nicht einfacher. Wenn der finanzielle Spielraum fehlt, aber die Aufgaben weiterhin erledigt werden müssen, nimmt das natürlich ein Stück weit den Spaß an der Sache. Hinzu kommt, dass Bund und Land den Kommunen immer mehr Auflagen auferlegen, die ebenfalls finanziell bewältigt werden müssen.

Bürgermeister Oliver Gortat in seinem Büro im Rathaus. Hier möchte er auch die nächsten acht Jahre verbringen.
Bürgermeister Oliver Gortat in seinem Büro im Rathaus. Hier möchte er auch die nächsten acht Jahre verbringen. | Bild: Rasmus Peters

Andere Gemeinden in einer vergleichbaren Situation haben sich dazu entschlossen, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Beispielsweise Tennenbronn im Schwarzwald, wo 2006 in einem Bürgerentscheid die Eingemeindung zu Schramberg beschlossen wurde. Wie stehen Sie bezüglich Sipplingen zu einer solchen Überlegung?

Die Gemeinde Sipplingen wird mit mir definitiv nicht eingemeindet. Zum aktuellen Zeitpunkt ist das für mich völlig unvorstellbar. Wir sind gut aufgestellt und in der Lage, unsere Projekte, wie beispielsweise das Feuerwehrgerätehaus, weiterhin zu realisieren. Daher besteht kein Bedarf für eine Eingemeindung. Wir waren schon immer ein eigenständiges Volk, und das werden wir auch bleiben, solange es uns möglich ist.

Thema Nahversorgung: Welche Ideen haben Sie beim Areal des früheren Autohauses Thiel?

Es gab mal die Idee vonseiten des Netzwerkes „Sipplinge – mach noche“, eine Markthalle zu errichten, in der etwa Metzger, Einzelhandel, Bäcker und Café unter einem Dach vereint wären. Diese Idee haben wir damals auch unterstützt. Aus unterschiedlichen Gründen wurde sie nicht weiterverfolgt. Wir sind jedoch weiterhin im Austausch mit dem Eigentümer und auch dem potenziellen neuen Eigentümer. Die Gemeinde hätte sich das Areal schlicht nicht leisten können. Auch wenn es möglicherweise unsexy klingt: Es ist keine Pflichtaufgabe der Gemeinde, eine Markthalle zu schaffen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Bürger eine gute Versorgung haben und das Notwendigste abdecken können. Der Grundgedanke einer Markthalle ist nicht vergessen, doch wir müssen erarbeiten, wie wir dies tatsächlich umsetzen können.

Stichwort Turnhalle: Hier vermissen manche Sipplinger eine Vision für das gesamte Areal aus Halle, Schule und Kindergarten. Stattdessen verliert man sich teils im Klein-Klein der Hallensanierung. Wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für ein Machtwort des Bürgermeisters?

Die Beschlüsse des Gemeinderats sind bereits gefasst, und an diesen müssen wir weiterarbeiten. Es wäre in der Tat erstrebenswert, das gesamte Areal neu zu planen und größer zu denken. Ich bin da grundsätzlich jederzeit bereit, mich zu engagieren. Dennoch müssen wir die finanziellen Aspekte im Blick behalten. In unsere Halle haben wir über Jahre nicht richtig investiert. Aktuell steht eine energetische Sanierung an, die unbedingt nötig ist. Danach werden wir „gefühlt“ jedoch keine „neue“ Halle haben. Ich verstehe, dass dies viele Bürgerinnen und Bürger frustriert und auch mir persönlich, wie sicherlich auch vielen Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, missfällt diese Situation, aber die Finanzen stehen uns im Weg.

Gibt es Ideen für das Areal um das ehemalige Hotel Adler?

Der Adler befindet sich im Privatbesitz, was ich sehr bedauere. Die Eigentümer haben bislang keine Verkaufsabsicht und würden momentan nur vermieten. Wenn es jedoch zu einem Verkauf käme, wäre es mein Wunsch, zusammen mit einem Investor etwas Attraktives zu entwickeln, idealerweise in Form von betreutem Wohnen.

Sipplingen gilt als Perle am Bodensee, auch dank seiner bislang eher behutsamen Bebauung und Nachverdichtung. Ein Mittel dazu, die Entwicklung zu steuern, ist der Paragraf 22 zur Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen, die sogenannte 22-er Satzung, die den horizontalen Verkauf – also den Verkauf einzelner Stockwerke von größeren Wohnhäusern – verbietet. Wie stehen Sie zu dieser Satzung? Gäbe es Gründe, sie zur Diskussion zu stellen?

Ich werde im Gemeinderat den Vorschlag unterbreiten, die „22er-Satzung“ spätestens im nächsten Jahr zu überprüfen. Es gibt bereits eine Ausnahme, die es erlaubt, bis zu vier Wohneinheiten zu erstellen, wenn die einzelnen Wohneinheiten unter bestimmten Rahmenbedingungen an die Erben erster Ordnung übertragen werden. Ich denke, wir sollten die Satzung auch unabhängig der Erben erster Ordnung etwas mehr öffnen. Denn im Bereich der Investoren gibt es meist keine Erben erster Ordnung, weshalb wir durch diese Satzung ab und an unseren eigenen Chancen im Wege stehen. Außerdem würde eine Aufteilung des Hauses in einzelne Wohneinheiten es den Käufern erleichtern, diese zu erwerben.

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Am Wahlsonntag sind Sie jetzt der einzige Kandidat. Eine echte Wahl gibt es also eigentlich nicht. Mit welchem Argument ermuntern Sie die Bürger, trotzdem von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen?

Es ist mir sehr wichtig, dass wir eine hohe Wahlbeteiligung erreichen, denn das ist für mich ein Signal der Unterstützung und zeigt, wie viele Bürgerinnen und Bürger hinter der Politik stehen, die wir im Gemeinderat gemeinsam gestalten. Ich würde mich über eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent sehr freuen.

Was, wenn Ihr Zuspruch unter 50 Prozent Zustimmung liegen würde?

Man muss sich vorstellen, dass man in den letzten acht Jahren alles für die Gemeinde gegeben hat. Man verbringt sehr viel Zeit im Büro oder auf Terminen – sodass Freundschaften oder auch die eigene Familie oft zu kurz kommen. Hinzu kommt natürlich, dass mir die Arbeit für die Gemeinde ein Herzensanliegen ist. Wenn es dann weniger als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen wäre, wäre das natürlich nicht schön, aber das Leben geht weiter.