Der ungewöhnlich heiße Sommer, die mancherorts auftretende Wasserknappheit, aber auch die Auseinandersetzungen über die beste Form der Versorgung mit Energie haben Diskussionen über die Nutzung des Bodensees als Wasserspeicher und Energielieferant Auftrieb gegeben. Die Ideen reichen von vermehrter Entnahme von Trinkwasser über die Nutzung der Wärme des Seewassers als Energielieferant bis hin zur Gasgewinnung durch unkonventionelles Fracking aus Gesteinsschichten nordöstlich vom Bodensee.
Das Bayerische Umweltministerium überlegt, zukünftig Wasser des Bodensees in den Norden Bayerns zu pumpen. Eine Studie soll die Effizienz einer überregionalen Wasserspange vom Bodensee über Franken bis nach Niederbayern prüfen. Ziel sei es, ein „an die Herausforderungen des Klimawandels angepasstes resilientes (belastbares, Anm. d. Red.) Versorgungssystem zu schaffen“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage des SÜDKURIER.
Für den grünen Landtagsabgeordneten des Bodenseekreises, Martin Hahn, stellen die Überlegungen Bayerns kein Problem dar. Der Freistaat habe die selben Rechte zur Wasserentnahme aus dem Bodensee, wie jeder andere Anrainer. Gegenwärtig verdunste jährlich mehr Wasser des Bodensees, als aus ihm entnommen würde. Wichtig sei aber, dass die Wasserquellen aller Gemeinden genutzt würden. Hahn im SÜDKURIER-Gespräch: „Jede Quelle ist wichtig, um genügend Wasser in der Zukunft bereit halten zu können.“
Auch die Sprecherin für Umweltpolitik der SPD-Landtags-Fraktion, Gabi Rolland, hält es für „unlauter, andere Seeanrainer grundsätzlich für die Entnahme größerer Mengen Trinkwasser zu kritisieren“. Sinnvoll sei allerdings dabei eine Koordination der Bodenseeanrainer. „Wir brauchen am See kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander“, sagte sie.
Umweltministerium und Bodensee-Wasserversorgung sind informiert
Weder das baden-württembergische Umweltministerium noch die Bodensee-Wasserversorgung in Sipplingen wurden bislang offiziell von den Münchnern auf das bayerische Vorhaben angesprochen, wie beide Institutionen unabhängig voneinander gegenüber dem SÜDKURIER erklärten. Die Pressesprecherin des Umweltministeriums in Stuttgart, Bettina Jehne, meinte dazu, man erwarte allerdings, dass Bayern in einem solchen Fall „zunächst die Anrainerstaaten am See und insbesondere die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) informiere beziehungsweise konsultiere“ und „damit die Grundlage für eine Bewertung des Projekts schaffe“.

Auf keine Gegenliebe stößt indes bei den Politikern aller demokratischer Parteien eine Initiative des FDP-Fraktionschefs im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Er hatte vorgeschlagen, Fracking als Methode zur Gasförderung vorurteilsfrei zu prüfen. Sein Fraktionskollege im Landtag, Klaus Hoher, relativierte diese Aussage später in einem SÜDKURIER-Gespräch: „Der Bodensee ist einer der größten Trinkwasserspeicher Europas, hier muss die Wasserversorgung Vorrang haben, eine Verantwortbarkeit für Fracking ist nicht gegeben.“ Ähnlich äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Mayer-Lay, der im selben Bericht zitiert wird: „Diese Gedankenspiele verbieten sich bei Abwägung von Kosten und Nutzen.“

Auch die SPD-Politikerin Gabi Rolland erklärte jetzt: „Am Bodensee ist Fracking aufgrund der Bedeutung als Trinkwasserquelle abzulehnen.“ Erdgas sei ein fossiler Energieträger, der „mittelfristig ersetzt werden muss, und zwar durch Energie aus Wind, Sonne, Geothermie und regenerativ erzeugten Wasserstoff“. Hier ist sie sich ganz einig mit ihrem grünen Landtags-Kollegen Martin Hahn, der diese Idee Ideen mit den Worten kommentierte: „Das ist kompletter Unsinn.“ Man solle nicht rückwärtsgewandt in den Abbau fossiler Energien investieren. „Dazu gehören für mich auch der Ausbau der Wasserstoff-Technologie und die Entwicklung und Nutzung synthetischer Gase.“
Positiv bewerten Hahn und Rolland die Nutzung der Seewärme als Energieträger durch Wärmepumpen. Rolland: „Da der See sich mit dem Klimawandel bereits seit Jahren erwärmt, wäre diese Maßnahme sogar förderlich, um einer unnatürlichen Erwärmung mit schädlichen Folgen entgegenzuwirken.“ Allerdings sei genau zu prüfen, welche Probleme beim Austausch der Wasserschichten entstehen könnten.

Martin Hahn legt den Finger in die Wunde: „Seewärme ist eine Zukunftstechnologie und der Bodensee ist ein unerschöpfliches Wärmereservoir. Der Haken daran ist, dass wir zur effizienten Nutzung flächendeckend bei Heizungen Niedrigenergie-Systeme benötigen. Da sind wir nicht so weit.“
In einer früheren Version des Textes war davon die Rede, dass in Gesteinsschichten unter dem Bodensee Fracking erwogen wird. Dies wurde korrigiert: gemeint ist das Hinterland nordöstlich vom See.