Die Überreichung des Denkmalschutzpreises Baden-Württemberg 2020 für das ehemalige Rebmannshaus Eckteil 24 an Bauherrin Irmgard Möhrle-Schmäh und ihren Mann, Zimmermeister und Bauleiter Sebastian Schmäh, war das Sahnehäubchen auf eine Sanierung, die viereinhalb Jahre dauerte – und eine dramatische Vorgeschichte hat.
Daran erinnerten bei einer Feier im Ratssaal, die wegen Corona in kleinem Kreis stattfand, sowohl die Bauherrin selbst als auch Juryvorsitzender Gerhard Kabierske. Der Preis wird alle zwei Jahre vom Schwäbischen Heimatbund und dem Landesverein Badische Heimat an Eigentümer vergeben, die historische Gebäude besonders vorbildlich instandgesetzt haben.

Dabei war Möhrle-Schmäh für verrückt erklärt worden, als sie 2014 das total marode Gebäude erwarb, das im Dorf als Schandfleck galt. Sie selbst hatte ja zu ihrem Mann gesagt: „Das ist jetzt nicht dein Ernst“, als er ihr vorschlug, das ehemalige, im 17. Jahrhundert errichtete Weinbauernhaus zu kaufen. Aber sie habe sich von seiner Liebe zu Denkmälern anstecken lassen und sich auf die große Expertise verlassen, über die sowohl ihr Mann als auch Architektin Corinna Wagner aus Überlingen verfügten.
Streitigkeiten mit Behörden
„Es war klar, dass es im Verbund mit Frau Wagner klappen kann“, bringt Möhrle-Schmäh auf den Punkt, was für ihren Kaufentschluss den Ausschlag gab. Alle, die das Haus als Ruine kannten, können ihr anfängliches Zaudern nachvollziehen. Das Haus hatte 15 Jahre lang leer gestanden, Regen und Schnee hatten ihm so zugesetzt, dass akute Einsturzgefahr herrschte. Die damalige Eigentümerin, die das Haus abreißen lassen wollte, und die Behörden stritten sich jahrelang. Mehreren Abbruchanträgen der Eignerin, die allesamt abgelehnt wurden, standen auf der anderen Seite Gutachten entgegen, die die Erhaltungsfähigkeit feststellten, eine Eintragung in die Liste verkäuflicher Kulturdenkmale sowie Förderzusagen. Zudem kam eine Prüfung zum Schluss, dass eine Sanierung wirtschaftlich zumutbar sei, was wiederum eine Klage der Besitzerin zur Folge hatte. Schließlich veranlasste die Gemeinde sogar per Ersatzvornahme eine Notsicherung des Daches.

Möhrle-Schmäh fasste sich trotz dieser Vorgeschichte ein Herz, betonte nun aber: „Entschlossenheit war hier notwendig.“ Die gute Nachricht: Trotz aller Veränderungen und der extremen Vernachlässigung war noch viel originale Bausubstanz vorhanden, wie auch Kabierske in seiner Würdigung hervorhob. „Nicht nur die Rettung des Hauses in letzter Minute hat nach Meinung der Jury einen Denkmalpreis Baden-Württemberg verdient, sondern auch die Konzeption der Sanierung.“ Dazu gehört auch das Nebengebäude im Garten, in dem die Heizung untergebracht ist. Im Haus entstanden zwei Wohnungen, die mittlerweile beide vermietet sind. Die Sanitärbereiche, die Wärmedämmung und den Ausbau des Dachraums habe man „unter größtmöglicher Schonung der Originalsubstanz“ eingefügt, unterstrich Kabierske auch.
Das Resultat gefällt auch Gerthilde Schirmeister, die in dem Haus 1935 auf die Welt kam, dort bis zu ihrer Verheiratung mit 21 Jahren lebte, und nun am liebsten wieder einziehen möchte, wie sie Möhrle-Schmäh sagte, mit der sie in regem Austausch steht. Das reicht bis zur Bepflanzung des Gartens. Schirmeister war auch Gast bei der Preisverleihung im gleichfalls denkmalgeschützten Rathaus, das dafür einen passenden Rahmen lieferte. Bürgermeister Oliver Gortat betonte denn auch, man müsse nur aus dem Fenster blicken, um wahrzunehmen: „Sipplingen zeichnet sich seit Generationen durch eine historisch wertvolle Substanz aus.“ Letztere stelle eine große und nicht immer einfache Herausforderung dar. Umso wichtiger sei es, anhand positiver Beispiele wie dem Rebmannshaus an alle Beteiligten zu appellieren, historische Gebäude zu erhalten. Die Familie Schmäh sei sich dieser Verantwortung bewusst und bekomme den Preis „für die aufwändige und exzellente Renovierung ganz zu Recht.“ Ferner gab Gemeinderätin Elisabeth Lohrer einen Überblick über die Sipplinger Geschichte und weitere bedeutende historische Gebäude. Der Bauherrin schenkte sie ein antikes Rebmesser.
Wissenswertes zum Denkmalschutzpreis
- Mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg werden private Eigentümer geehrt, die historisch bedeutende Gebäude vorbildlich saniert haben. Der Preis wird alle zwei Jahre vom Schwäbischen Heimatbund und vom Landesverein Badische Heimat ausgelobt und von der Wüstenrot-Stiftung finanziert. Im Jahr 2020 gingen 88 Bewerbungen ein, unter denen die Jury für fünf Objekte einen Preis vergab: das Rebmannshaus in Sipplingen, ein mittelalterliches Haus in Bad Mergentheim, den ehemaligen Salzstadel in Biberach, eine frühere Molkerei in Kupferzell und das Café „Süßes Löchle“ in Lahr.
- Die Überlinger Architektin Corinna Wagner bekommt fürs Jahr 2020 gleich zwei Auszeichnungen: Neben dem Sipplinger Rebmannshaus plante sie auch die Restaurierung des früheren Biberacher Salzstadels. Mit der Firma Holzbau Schmäh, deren Chef Sebastian Schmäh Miteigentümer des Rebmannshauses ist und auch die Bauleitung dafür innehatte, hat Architektin Wagner bereits bei der Sanierung von mehreren Dutzend denkmalgeschützter Bauten zusammengearbeitet. Die Auszeichnung für das Rebmannshaus ist schon der dritte Preis, den Wagner und Schmäh für ihre Kooperation bei drei verschiedenen historischen Anwesen einheimsten. Sebastian Schmäh wird künftig auch der Jury des Denkmalschutzpreises angehören, die ihn, beeindruckt von seinem handwerklichen Fachwissen, in ihre Reihen bat.
- Die Eigentümer bekommen je 5000 Euro sowie eine Bronzeplakette für ihr Gebäude. Außerdem erhalten sie und auch die beteiligten Architekten und Handwerker Anerkennungsurkunden vom Heimatbund.(flo)