Partnerschaften sind sensible Pflänzchen und wollen gepflegt werden. Das gilt auf allen Ebenen – auch für Städtepartnerschaften. Hier geraten sie oft ins Hintertreffen, ja aufs Abstellgleis, wenn ständig Wichtigeres auf der Agenda steht und keiner die persönliche Verantwortung dafür trägt, wie derzeit in Überlingen.
Aus Anlass einer Klassenfahrt des Gymnasiums in die französische Partnerstadt Chantilly hatte Dirk Diestel dies in der jüngsten Bürgerfragestunde moniert. Im Moment sei bei der Stadtverwaltung „niemand dafür zuständig“, habe man ihm im Rathaus mitgeteilt, als er nach Kontakten, Informationen und eventuell einem kleinen Zuschuss gefragt habe. Das fände er jedoch sehr bedauerlich, sagte Diestel.
Partnerschaften jetzt Chefsache
Es sei nicht ganz richtig, korrigierte Oberbürgermeisterin Sabine Becker. „Das mache jetzt ich.“ Im Moment habe sie noch niemanden gefunden, der diese Aufgabe vor dem Hintergrund der zahlreichen anderen Themen übernehme. „Ich kann's deshalb nur selber machen.“ Dass alles „eingeschlafen“ sei, wie Diestel beklagte, könne sie nicht bestätigen. „Das ist alles im Bewusstsein“, sagte Becker: „Wir waren auf großer Fahrt letztes Jahr. Wir freuen uns auch, wenn sich noch mehr anmelden.“ Der Bus sei bei der Reise zum 25. Jubiläum nach Bad Schandau nicht gerade voll gewesen. „Da wären noch einige Plätze frei gewesen“, betont die Oberbürgermeisterin, „dafür war es um so herzlicher.“
Auch beim letzten Elbhochwasser sei die Feuerwehr so engagiert gewesen, dass man sich schon um den Brandschutz hier gesorgt habe. In Frankreich scheint man sich allerdings Sorgen zu machen um die Zukunft der Partnerschaft, wie Marie-Hélène Beck, Vorsitzende des Cercle Franco-Alleman und Mitglied im Partnerschaftskomitee, weiß. „Wenn wir zum 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft nichts machen“, habe Jean-Claude Mansat, ihr Pendant in Chantilly, erklärt, „dann können wir die Tür zu machen.“ Soweit will es auch Dominique Louis Dit Trieau vom dortigen Komitee nicht kommen lassen. Deshalb will Chantilly im kommenden Jahr mit allen Partnerstädten ein Hobby-Fußballturnier in der Picardie veranstalten, um der Liaison etwas Nachwuchs zu bescheren. „Das ist dringend notwendig“, sagt auch Marie-Hélène Beck, die derzeit die Adressen der Überlinger Sportvereine zusammenträgt und nach Frankreich schickt.Sie habe Oberbürgermeisterin Sabine Becker auch schon zu einem Chorfestival nach Epsom, der englischen Partnerstadt Chantillys, eingeladen, um die Kontakte wach zu halten. Was die Bürger selbst angeht, so sind die Verbindungen eher dünn. Einige Vertreter des Überlinger Partnerschaftskomitees seien jedoch alljährlich am zweiten Dezember-Wochenende beim zweitägigen Weihnachtsmarkt in Frankreich – mit einem Kleinbus voller Räucherfisch vom Bodensee, Plätzchen und Überlinger Wein. Hier sei der Gegenbesuch aus Chantilly in den letzten Jahren ausgefallen, da den Franzosen das letzte Wochenende vor Weihnachten terminlich nicht ganz gepasst habe.
In Bad Schandau besteht unterdessen großes Interesse, die Beziehung mit Überlingen auch weiterhin zu pflegen, betont Verwaltungskoordinatorin Andrea Wötzel. Dies hatte auch der seit August amtierende neue Bürgermeister Thomas Kunack schon deutlich gemacht, als er im Januar zu seinem ersten Dreikönigstrunk ins Überlinger Rathaus gekommen war.