Herbert Aldinger hat Angst vor der Fahrt mit dem Bus vom Schättlisberg in die Stadt. Der 90-Jährige bewohnt seit knapp sieben Jahren ein Appartement im betreuten Wohnen der Diakonie. Seit der rüstige Senior am Fuß gehandicapt ist, wird auch der Gang am Rollator für ihn zur Mühsal. „Wenn ich mit der Gehhilfe hinten in den Bus einsteige, kann ich den Busfahrer nicht um Hilfe bitten, denn der kriegt das ja gar nicht mit.
Vorn geht es ja nicht, denn da ist es durch die Haltegriffe für den Rollator zu eng. Der Gang zum Sitzplatz bei einem bereits anfahrenden Bus ist mir schlicht zu gefährlich, denn dann stürze ich womöglich im Bus und davor habe ich große Angst“, erklärt Aldinger.
„Am Schättlisberg sind wir praktisch abgeschnitten vom Stadtgeschehen“
In Gesprächen mit anderen Senioren habe er erfahren, dass nicht nur er dieses Problem habe, und ganz generell Menschen mit Gehhilfen und Rollatoren die Fahrt im Bus in die Innenstadt oft nur unternehmen, wenn dies zwingend notwendig wäre. „So sind wir dann praktisch da oben abgeschnitten vom Stadtgeschehen“, sagt Herbert Aldinger.

Viele Busse haben eine Absenkvorrichtung
Gerade um Menschen mit Rollatoren oder Rollstühlen den Einstieg zu erleichtern, sind die meisten Busse im Stadtverkehr mit einer Absenkvorrichtung ausgestattet. Die Busfahrer der Deutschen Bahn, die die RAB-Busse im Regionalverkehr Alb-Bodensee lenken, würden während ihrer Ausbildung im fahrgastfreundlichen Verhalten geschult, erklärt ein Pressesprecher der Deutschen Bahn.

Busfahrer helfen aufgrund von Zeitdruck manchmal nicht
Herbert Aldinger hat andere Erfahrungen gemacht. Es sei ihm schon mehrfach passiert, dass Busfahrer auf seine Bitte hin nicht geholfen und dies mit Zeitdruck und dem Einhalten der Fahrpläne begründet hätten. „Ich wünschte mir einen Busbegleiter, der für diese Hilfe zuständig ist, und frage mich auch, ob wir zur Landesgartenschau überhaupt die Möglichkeit haben, diese zu besuchen.“ Die Landesgartenschau ist ein großes Thema für den Senior, der in Stuttgart eine Baumschule und Obstbau betrieben hat.
Taxi kostet auch mal über 20 Euro
Damit Senioren die Busse im Stadtverkehr nutzen können, wünscht sich Aldinger dringend Verbesserungen. Müsse er für dringende Erledigungen in die Stadt, nehme er mittlerweile ein Taxi. „Allerdings kann dann eine Fahrt, wenn ich dort etwas warten muss, schon mal über 20 Euro kosten, und das macht man dann eher selten.“
Senftleben: „Zwei mal jährlich Schulungen für Busfahrer“
Stephan Senftleben ist beim Stadtwerk am See in Überlingen zuständig für die Stadtbusse des Busunternehmens Morath. Er erklärt: „Zwei Mal jährlich finden spezielle Schulungen statt. Busfahrer können dort in Rollenspielen den gewissenhaften Umgang mit mobilitätseingeschränkten Personen praxisnah erfahren und vertiefen.“ Senftleben rät dazu, vorn einzusteigen oder die an den hinteren Türen befindlichen Rufknöpfe zu drücken.
Busfahrer sollen warten, bis Fahrgäste sitzen
Die Busfahrer seien angehalten abzuwarten, bis Fahrgäste mit Einschränkungen ihren Sitzplatz erreicht hätten. Jeder Fahrgast sei allerdings auch verpflichtet, sich selbst einen festen Halt im Fahrzeug zu verschaffen. Senftleben erklärt: „Herr Morath bietet gern mal ein Fahrtraining für Senioren und Mobilitätseingeschränkte an. Das müsste vom Träger der Einrichtung am Schättlisberg, der Diakonie, mit den Bewohnern terminiert und mit Herrn Morath abgestimmt werden, damit man möglichst viele Menschen erreicht.“
Zur Serie
Mehr als 1200 Menschen aus Überlingen und der Umgebung haben an der jüngsten SÜDKURIER-Leserumfrage teilgenommen. Ein Ergebnis: Unsere Leser wünschen sich, den schwächeren Verkehrsteilnehmern mehr Beachtung zu schenken und Verkehrsplanung nicht immer nur vom Auto her zu denken. Im Rahmen unserer Serie „Unterwegs in Überlingen“ treffen wir auf Menschen, die den öffentlichen Personennahverkehr nutzen, Fahrrad fahren oder Fußgänger sind. Jeder einzelne spricht aus seiner persönlichen Perspektive über seinen Weg durch Überlingen. Anwohner, Händler und Pendler haben hier das Wort – und auch der passionierte Autofahrer. (san)