Eva-Maria Bast

Johannes Beyer wohnt seit 20 Jahren in der Hafenstraße. Und seit 20 Jahren könnte es dort so schön sein, sagt er. Denn vor 20 Jahren sei die Idee entstanden, die Hafenstraße zu einer „gemischten Straße“ umzubauen: „Wir haben uns damals überlegt, die Bordsteine abzusenken und die Straße zu pflastern. Es wäre eine Ebene für Autos, Fußgänger und Radfahrer.“ Schon damals sei der Vorschlag in den Gemeinderat getragen worden. „Doch dann verlief sich das im Sande, weil die Interessen der Lobbyisten stärker waren. Sie wollen unbedingt, dass die Stadt autofreundlich ist“, so sein Vorwurf.

Kann man sich über eine Baustelle in der Nachbarschaft freuen? Man kann, wie man am Beispiel des Johannes Beyer sieht. Denn trotz des ...
Kann man sich über eine Baustelle in der Nachbarschaft freuen? Man kann, wie man am Beispiel des Johannes Beyer sieht. Denn trotz des Baulärms ist es derzeit in der Hafenstraße ruhiger, weil der Verkehr während der Bauphase umgeleitet wird. | Bild: Eva-Maria Bast

Dabei gebe es viele Gegenbeispiele, die zeigten, dass, gerade in Zeiten von steigendem Umweltbewusstsein, in Fußgängerzonen oder beruhigten Zonen viel besser eingekauft werde. In letzter Zeit sei das Thema dann wieder auf den Tisch gekommen und es habe auch Gespräche zwischen Anwohnern und Verkehrsausschuss gegeben. „Wir haben gehofft, dass sich bis zur Landesgartenschau etwas ändert, aber nun ist auch diese Chance verstrichen“, sagt Beyer enttäuscht.

Und es gehe um viel mehr als „nur“ um Kosmetik respektive eine schönere Straßengestaltung: „Es kommt jeden Tag zu kritischen und teilweise lebensbedrohlichen Situationen“, macht Beyer deutlich. „Fußgänger, die vom Parkhaus Post in die Innenstadt laufen, haben zum Beispiel plötzlich einen riesigen Lastwagen vor sich, der neben der Straße auch noch den ganzen Gehweg einnimmt, sodass sie sich in den nächsten Eingang flüchten müssen.“

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Rollstuhlfahrer hätten es in solchen Momenten besonders schwer – wie auch in allen anderen: „Vielfach sind die Gehwege in der Hafenstraße für den klassischen Rollstuhl einfach zu schmal“, sagt Beyer. „Da muss nicht mal ein Lastwagen kommen, dass die Rollstuhlfahrer Probleme kriegen.“

Gefährliche Szenen in der Hafenstraße.
Gefährliche Szenen in der Hafenstraße. | Bild: Johannes Beyer

Auch Schreie von Eltern, die ihre Kinder im letzten Moment vor einem Auto warnen, wenn die Kleinen die Straße überqueren wollen, höre er oft. „20 km/h in der Innenstadt ist ein Witz, die meisten Autofahrer sind hier mit 50 km/h aufwärts unterwegs.“ Besonders kritisch sei es morgens während des Lieferverkehrs, wenn die Lastwagen teilweise mitten auf der Straße be- und entladen und von anderen Fahrzeugen überholt werden – die dann wiederum über den Gehweg fahren. „Das geht teilweise Zentimeter um Zentimeter und dauert natürlich seine Zeit“, hat Beyer beobachtet. „Der Fußgänger hat da null Chancen.“

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Die zweite „Gefahrenzeit“ beginne abends nach Ladenschluss: „Dann fahren hier einige Vertreter mit ihren hochgetunten Wagen ihre Runden, die heizen hier teilweise mit 70 oder 80 km/h durch. Und das in einer Kurstadt“, beklagt sich Beyer, der all das nicht nur empfindet, sondern auch belegen kann: „Ich habe ein Messgerät. Wir erreichen hier Spitzenwerte von 130 bis 140 Dezibel. Ein Flughafen ist ein Ruheraum dagegen.“

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Nun, wo die Landesgartenschau vor der Tür steht, werde sicherlich nichts mehr passieren, befürchtet Beyer. „Ich verstehe das nicht“, sagt er. „Das ist so eine Zäsur und so wichtig, dass die Stadt sich elegant präsentiert, vor allem an einem Entree. Dass man erstmal einem Lastwagen gegenübersteht statt einer Blütenpracht, erwarten die Besucher ganz bestimmt nicht.“ Beyer: „Ich bin schwer enttäuscht. Und mit mir die ganze Nachbarschaft.“

Das sagt die Stadtverwaltung dazu

Die Verwaltung zog im September die Reißleine und teilte mit, dass die Hafenstraße erst nach der Gartenschau umgestaltet werde. Die Beschränkungen für den Autoverkehr würden bereits vorher umgesetzt.