Tausende Schüler im Bodenseekreis, die frühmorgens ihre Klassenräume betreten, haben die erste Prüfung des Tages bereits hinter sich: die Fahrt mit dem Bus. Gerade am frühen Morgen sind die Busse, mit denen Schüler befördert werden, überfüllt, sodass viele Kinder und Jugendliche während der Fahrt stehen müssen, bemängeln Eltern.
Auch Maja Roth ist täglich betroffen
Auch die zehnjährige Maja Roth aus Bruckfelden sieht sich seit Schuljahresbeginn tagtäglich mit dieser Situation konfrontiert, wenn sie die Regionalbuslinie 7379 der RAB, die von Heiligenberg nach Überlingen fährt, besteigt. Hält der Fahrer an Majas Zustiegsstelle Bruckfelden, so hat er bereits an elf vorherigen Haltestellen Fahrgäste eingesammelt. Sitzplätze gibt es keine mehr, Maja muss stehen.
„Selbst wenn meine Tochter einen Sitzplatz hätte, könnte sie sich nicht anschnallen. Es gibt keine Gurte“, sagt Klaus Roth. „Ein Umstand, den ich nicht verstehe. Wenn ich in meinem Wagen die Anschnallpflicht, die 1976 eingeführt wurde, missachte, zahle ich ein Bußgeld von 30 Euro. Ein Bus des öffentlichen Nahverkehrs verfügt nicht einmal über ein Gurtsystem.“

Tatsächlich gab es in den vergangenen zwei Monaten bereits eine brenzlige Situation, in der der Busfahrer unvermittelt bremste und Maja sich an der Schulter einer Mitfahrerin festhalten musste. Glück im Unglück: Wirklich umfallen konnte die Schülerin nicht, da der Bus so überfüllt war, dass sich eine gewisse Standsicherheit allein aus diesem Umstand ergab. Doch warum ist das so? Warum existieren 2019 immer noch die gleichen Bedingungen und Vorschriften, die schon die Schülergenerationen der 1970er und 1980er Jahre vorfanden?
Sitzplatz- und Anschnallpflicht nicht leistbar
In Baden-Württemberg findet die Schülerbeförderung beinahe ausschließlich im öffentlichen Personennahverkehr statt. Spezielle Schulbusse, die Schüler nichtöffentlich von und zur Schule befördern, sind sehr selten, informiert das Landesministerium für Verkehr und Infrastruktur in Stuttgart.
Bus als sicheres Verkehrsmittel
Gemäß den Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist der Bus nach der Bahn das sicherste Verkehrsmittel für Schüler. Das sagt auch der Pressesprecher des Landratsamtes, Robert Schwarz, und verweist zugleich auf die Kosten: „Gäbe es eine Sitzplatz- und Anschnallpflicht im Linienverkehr, wäre insbesondere der Schülerverkehr im jetzigen Kostenrahmen und mit den vorhandenen Kapazitäten nicht mehr leistbar.“
Nach EU-Recht gelten für Stehplätze maximal acht Plätze pro Quadratmeter der ausgewiesenen Stehplatzflächen. Im Schulbusverkehr müssen sie vom Schulträger für zulässig erklärt worden sein. Zudem müssen geeignete Halteeinrichtungen in ausreichender Anzahl vorhanden sein, die so beschaffen und angeordnet sind, dass sie von Schülern aller Altersklassen benutzt werden können.
Kostenfrage auf der Strecke Heiligenberg-Überlingen
Ein Subunternehmer der RAB, der dem SÜDKURIER namentlich bekannt ist, erklärt, dass Linienbusse, worunter auch die Regionalbuslinie 7379 mit Schülerverkehr fällt, in der Regel 45 Sitz- und ebenso viele Stehplätze haben. Das kann im Einzelfall variieren, je nachdem, wie der Bus vom TÜV abgenommen worden ist. Wenn neue Busse ausgeliefert werden, so ist die entsprechende Anzahl der jeweiligen Sitze in der Zulassungsbescheinigung ausgewiesen und kann auch im Fahrzeug auf einer Tafel nachgelesen werden.
Nach der Erstabnahme erfolgt eine jährliche TÜV-Überprüfung. Der Subunternehmer verweist zudem darauf, dass die Höchstgeschwindigkeit im Linienverkehr mit Stehplätzen maximal 60 Stundenkilometer beträgt. Die Fahrer seien überdies geschult, vorausschauend zu fahren. „In ganz Europa gibt es im Linienbusverkehr Stehplätze„, betont er. „Hätten wir nur Sitzplätze, müssten wir auf der Strecke Heiligenberg-Überlingen drei Busse einsetzen. Das ist in der Tat eine reine Kostenfrage.“
Sicherheit hat für Bahn oberste Priorität
Für die Deutsche Bahn habe die Sicherheit der Fahrgäste in den Bussen oberste Priorität, erklärt ein Bahn-Sprecher. „In regelmäßigen Schulungen unterrichten und sensibilisieren wir unsere Fahrer.“ Und weiter sagt er: „Busse sind in der Schülerbeförderung das Transportmittel Nummer eins und nach den Zahlen der Verkehrsunfallstatistik auch das mit weitem Abstand sicherste Verkehrsmittel.“
Sonderregelungen zur Anschnallpflicht
Was die Anschnallpflicht angeht, kenne die Straßenverkehrsordnung einige Sonderregelungen. Diese gelten für die Fälle, in denen es Passagieren erlaubt sei, im Bus stehend mitzufahren. Eine bestimmte Anzahl von Stehplätzen sei in Linienbussen zugelassen. „Dann ist der Fahrgast angehalten, sich einen sicheren Stand zu verschaffen und sich an den vorhandenen Haltegriffen festzuhalten. Darauf weisen wir unsere Fahrgäste in den Bussen mit entsprechenden Piktogrammen hin.“