
Trotz der kurzen Nacht, saßen pünktlich am Sonntagmorgen um 9 Uhr so viele Gottesdienstbesucher im Münster, dass die 900 Sitzplätze nicht ausreichten und viele sich in die Seitenschiffe zwängen mussten. Mesner Markus Korn schätzte die Zahl der Besucher auf 1000 oder noch mehr. Viele von ihnen kamen im Häs, Rottweiler Gschell und Elzacher Schuttig, Oberndorfer Schantle und Hänsele aus Überlingen. Was sich sonst nicht ziemt, machten sie im Münster: Sie legten ihre Masken ab.
In seinen Fürbitten sprach sich Überlingens Narrenmutter und Vorsitzender der Narrenzunft, Wolfgang Lechler, dafür aus, dass nach der Fastnacht keiner mehr eine Maskerade aufsetze, sondern authentisch und ehrlich durchs Leben gehe.
Stadtpfarrer Bernd Walter hatte Geistliche aus Elzach und Rottweil an seiner Seite. Darunter den Elzacher Hansjörg Weber, früherer
Pfarrer von Überlingen. Bernd Walter ging auf „die sagenhafte Stimmung“ ein, die Überlingen angesichts des Narrentags umgibt, und legte eine Liebeserklärung für die Stadt ab, in der er seit 13 Monaten nun lebt und Seelsorge betreibt. Er dirigite einen A-capella-Chor aller 1000 Besucher, die gemeinsam sangen: „Du bist da wo Menschen leben, Du bist da wo Leben ist.“
Das sei „die frohe Botschaft“, die vom Glauben ausgehe. Die Bibel sei immer noch aktuell, gerade in Zeiten, in denen die von
sozialen Medien geprägte Gesellschaft auseinanderzudriften droht. „Die Wahrheit überzeugt, Lügen haben kurze Beine“, sagte er. Wer „mit Tricks und schönem Schein“ sein Leben lebe, brauche an der Himmelspforte erst gar nicht anzuklopfen.
Deutlich ins Gebet nahm Bernd Walter seine eigene Kirche, die er als „verstaubt“ kritisierte, die sich zu lange als „Hüterin der Weltmoral“ betrachtet habe, die nach dem Splitter im Auge der anderen suche, aber „den Balken im
eigenen Auge“ übersehe. Zwischenapplaus erntete er für seine Bemerkung im Versmaß: „Bei allem Überdruss, sich endlich etwas ändern muss.“
So, wie es die Aufgabe des Narren ist, hielt auch er den Mächtigen, in diesem Fall der eigenen katholischen Kirche, den Spiegel vor: Die Kirche brauche „keine blutleeren Luschen und Heuchler mit Heiligenschein“, sondern müsse „Neuland“ betreten. „Und statt einer verklemmten
Sex-Moral“ müsse sie ein Klima schaffen, „das nach Leben schmeckt“.

Bernd Walter warnte: „Irgendwann ist es zu spät.“ Das Fundament der Kirche, das auch heute stabil ein Haus aus Stein tragen könne, sei „das Hinhören auf Gottes Wort“.

Bernd Walter beschrieb den Stolz der Überlinger, den sie zurecht in sich trügen, als „schlaue, bunte und farbige, traum- und fabehalfte Stadt, in die man sich
verlieben kann“. Manch‘ einer sei nur auf Besuch da und würde gerne länger bleiben. Und er schloss mit den Worten: „Überlingen sehen und sterben.“

Dafür gab es tosenden Applaus und Juhu-Rufe, was nur noch vom Schlussjubel übertönt wurde, den Kirchenmusikdirektorin Melanie Jäger-Waldau für ihr Orgel-Potpourri erntete: Sie intonierte alle vier Narrenmärsche und schuf damit eine Verbindung zum närrischen Treiben, das vor dem Münsterportal weiter ging.

