In der Familie Schmid ist ein achtjähriges Kind an einem Hirntumor erkrankt. Die Diagnose lässt wenig Raum für Hoffnung. Die jetzt nötige intensive therapeutische Behandlung erfordert die ganze Aufmerksamkeit der Eltern. Oft finden die medizinischen Anwendungen nicht in der Nähe des Wohnorts der Schmids statt. Das gesamte Familienleben steht vollkommen auf dem Kopf, und die beiden Geschwisterkinder 9 und 13 Jahre alt, erleben mit ihren Eltern den in diesem Fall oft sehr dramatischen Verlauf der Krankheit, mit rascher Todesfolge des kranken Kindes.

Barbara Weiland, die Koordinatorin des ambulanten Kinderhospizdienstes Amalie weiß: „Jetzt wird die Mathenote sehr schnell zur Nebensache“. Die Eltern brauchen alle Kraft für das erkrankte Kind, für die Geschwister bleibt wenig übrig.
Barbara Weiland hat diese und die beiden weiteren Beispiel erzählt. Sie sind real, wurden jedoch anonymisiert, um die betroffenen Familien zu schützen. „Wir übernehmen Fahrten zum Fußballtraining, machen Hausaufgabenbetreuung oder einen Spielenachmittag, also ganz praktische Hilfe, und natürlich sind wir ansprechbar in dieser besonderen und leidvollen Situation“, erklärt Sylivia Kruse-Baiker aus Überlingen. Sie ist seit zwei Jahren eine der rund 70 Paten des unter gemeinnütziger Trägerschaft stehenden Hilfsdienstes Amalie.
Mehr Präsenz im westlichen Bodenseekreis
„Wenn ich vorher gewusst hätte das es euch gibt, wäre vieles anders gelaufen“, so ein Elternzitat, sagt Barbara Weiland. Amalie ist bisher schon im Bodenseekreis und im Kreis Ravensburg tätig, möchte aber im westlichen Bodenseeraum mehr Präsenz zeigen. Gedacht ist an eine Anlaufstelle in Überlingen. „Wir wünschen uns die Teilhabe an einem öffentlich zugänglichen Raum, in dem wir 14-tägig für Eltern und Paten direkt vor Ort ansprechbar sind, das wäre eine große Hilfe um deren Wege zu verkürzen“, so die Koordinatorin, des zu 50 Prozent von Spenden abhängigen Dienstes.
Sylvia Kruse-Baiker, ehemalige Stadträtin in Überlingen, hat sich für diese Aufgabe speziell ausbilden lassen, diese Ausbildung nimmt den Paten die Angst und verschafft eine gewisse Distanz zu diesem nicht einfachen Thema. „Wir wollen mitfühlen, aber nicht mitleiden“, erklärt die Patin. Es gehe darum, in den Familien, deren Welt aus den Angeln geraten wäre eine konstante Ruhe und eine Art Bodenhaftung zu schaffen. „Ich möchte meine kostbare Zeit mit einer wertvollen Tätigkeit füllen, und meine soziale Kompetenz dazu einsetzen“, sagt Sylvia Kruse-Baiker.
„Das Leid der Familien beginnt sofort“
70 Paten begleiten 28 Familien, eng wird mit den Betroffenen abgesprochen, wo der Bedarf ist, und was Amalie leisten kann. Janina ist 12 Monate alt und mit einer schweren Stoffwechselerkrankung zur Welt gekommen. Die Überlebenschance des Kindes ist gering, und man geht nur von einigen Wochen bis zu ihrem Tod aus. „Jetzt bin ich die Trauerbegleitung der Eltern“, erklärt Sylvia Kruse-Baiker. Die medizinische Versorgung sei ja meist bestens gewährleistet, aber das Leid der Familie beginne sofort mit der Erkrankung beginnen. „Der Abschiedsprozess setzt ein, wenn die Diagnose kommt“, sagt Barbara Weiland. Sylvia Kruse-Baiker betont, sie greife niemals in Entscheidungen der Eltern ein, und spreche keine Empfehlungen aus. „Aber ich bin verlässlich, habe ein Ohr und laufe auch nicht weg, wenn‘s sehr schwer wird.“
Drei bis Vier Wochenstunden widmen die Paten der Arbeit für Amalie, ehrenamtlich, lediglich die Fahrtkosten werden erstattet, erklärt Barbara Weiland. „Wir suchen keine Experten, hospizliche Begleitung ist eine Begleitung im Leben, auch wenn es um das Sterben geht.“ Die Ausbildung bei Amalie dauert 100 Stunden, ist kostenlos und beinhaltet auch einen Praxisteil.
Vera ist 38 Jahre alt und hat zwei Kinder. Während der Schwangerschaft erhält sie eine Krebsdiagnose und weiß, dass sie nur noch kurze Zeit leben wird. Vera hinterlässt einen Mann und zwei Kinder, eine dreijährige Tochter und einen sechs Monate alten Sohn. Vera entscheidet noch selbst über die Begleitung ihrer Familie durch die Paten von Amalie. Der ambulante Hilfsdienst begleitet Vater und Kinder jahrelang und dabei bauten sich auch persönliche Bindungen auf, erklärt Sylvia Kruse-Baiker. Als besonders wertvollen Aspekt ihrer Arbeit empfinden beide Frauen, dass die mittlerweile fünfjährige Tochter eine Kinder-Trauer-Gruppe des Hilfsdienstes besucht.
Supervision in kleinen Gruppen, kollegiale Beratung und auch mal ein Einzelgespräch mit der hauptberuflichen Koordinatorin, nennt Patin Kruse-Baiker ihre Möglichkeiten das Erlebte auch gut zu bewältigen. „Wir sorgen dafür, dass in diesen Situationen, die es im Leben eben auch gibt, für die Betroffenen nicht alles „upside-down“ ist und wir erleben auch viele schöne und sehr berührende Momente dabei“, sagen die beiden Frauen, die Haltung zeigen.