Rosa Arslan machte sich Gedanken über die Sicherheit von Frauen auf dem Nachhauseweg durch das nächtliche Überlingen – und hatte, wie sie fand, eine gute Idee: Beim diesjährigen Promenadenfest wollte die Studentin die Initiative ergreifen und nach dem Vorbild an der Universität Konstanz ein Plakat aufhängen, dass vor allem Frauen die Möglichkeit bietet, sich an diesem Treffpunkt zum Nachhauseweg zu verabreden. Zu jeder vollen und halben Stunde, so steht es auf dem Schild an der Uni, trifft man sich, um gemeinsam den Heimweg anzutreten und sich besonders bei dunklen Wegstrecken mit sogenannten "Co-Walker" sicherer zu fühlen.
Die junge Studentin war selbst auch schon unsicher und fürchtete sich vor allem vor einem sexuellen Übergriff, wenn sie beispielsweise nach einem Fest den Heimweg durch teilweise dunkle Straßen antrat. Rosa Arslan behilft sich dann auch schon mal, in dem sie vortäuscht mit dem Handy zu telefonieren, erzählt sie. Etwaige Verfolger sollen so denken, dass sie in Kontakt mit einer Person am anderen Ende der Leitung steht.
Veranstalter verweist auf bürokratisches Hindernis
Die ÜMT (Überlinger Marketing und Tourismus GmbH) als Veranstalter des Promenadenfestes sieht allerdings keine Veranlassung für eine solche Maßnahme und erteilte dem Aufhängen des Plakates eine Absage. Um eine solche Initiative von öffentlicher Seite zu unterstützen, brauche es eine offizielle Stellungnahme von der Polizei und der Abteilung Öffentliche Ordnung in der Stadtverwaltung, heißt es in einem Antwortschreiben. "Nur auf dieser Basis kann dann eine Abwägung von uns als Veranstalter vorgenommen werden, ob wir ein solches Angebot umsetzen", heißt es im Wortlaut der ÜMT. Aufgrund der Kürze der Zeit könnten für das am Freitag beginnende Promenadenfest diese Stellungnahmen nicht mehr eingeholt werden.
Rosa Arslan ist über diese Absage erstaunt und enttäuscht. Vor allem auch, weil hier eine Bürgerinitiative ein Angebot gemacht habe und diese nun abgelehnt wurde. Im Kreise ihrer Freundinnen ist man sich einig: "Wir würden uns einfach wohler fühlen, in Begleitung den Heimweg anzutreten. Es ist ja für jede und jeden freiwillig, sich daran zu beteiligen, ob als Begleiter oder Begleitete."
Polizei und ÜMT: "Keine schlafenden Hunde wecken"
Günter Hornstein, kommisarischer Leiter des Polizeireviers Überlingen, könne in diesem Fall keine Gefährdungsbewertung für den Veranstalter vornehmen, da es bisher beim größten Überlinger Fest noch nie zu einer Anzeige wegen sexueller Belästigung auf dem Heimweg gekommen wäre. Hornstein und Jürgen Jankowiak, Geschäftsführer der ÜMT, geben zu bedenken, dass man mit einer solchen Initiative "vielleicht auch schlafende Hunde wecken würde" – also potentielle Täter erst dadurch anlocke.
Für Rosa Arslan ist das völlig unverständlich. "Warum die Gefahr mit diesem Schild größer wird als ohne leuchtet mir nicht ein. Diese Initiative funktioniert ja auch in Konstanz an der Uni gut, sonst hätte man sie da ja nicht installiert", sagt sie. "Natürlich ist das nicht lückenlos, aber es ist besser als gar nichts. Außerdem zeigen wir damit doch Zusammenhalt und ich kann ja schließlich nicht einfach die Polizei bitten, mich nach Hause zu begleiten, wenn ich Angst habe."
117 Sexualstraftaten im Jahr 2017
Rosa Arslan dachte bei der Initiative auch gar nicht nur an sich, denn sie lässt sich auch schon mal abholen, wenn es spät geworden ist. Es gäbe aber Frauen die hätten niemanden – und da wären doch immer Menschen, die zum Beispiel von Überlingen nach dem Promenadenfest nach Nussdorf zurücklaufen und so Begleitung bieten könnten.
Im Bodenseekreis wurden laut Polizeistatistik im vergangenen Jahr 117 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung angezeigt und von der Polizei bearbeitet, eine Zahl die Rosa Arslan und ihre Freundinnen nachdenklich stimmt.
Die Initiative
Rosa Arslan ließ über den SÜDKURIER den Veranstalter des Promenadenfests Überlingen anfragen, ihr für ihre Initiative "Sicherer Heimweg" einen geeigneten Platz (Baum, Straßenlampe etc.) zum Anbringen eines Plakates zu nennen. Daraufhin sollte diese Initiative und der Treffpunkt via Tageszeitung und Soziale Medien bekanntgemacht werden. Vorbild für ihre Idee ist die Initiative "Wir pfeifen auf Gewalt" an der Universität in Konstanz. Dort wird ein Treffpunkt angeboten, der es ermöglicht, sich selbst zu organisieren, wie es auf dem dort aufgehängten Plakat heißt. Vor allem durch dunkle Wegstrecken wie dem Hockgraben oder nach Allmannsdorf könne man gemeinsam gehen. Mit der gegenseitigen Begleitung wolle man so aktiv und selbstorganisiert zur eigenen Sicherheit beitragen. (sma)