An der Überlinger Promenade ist es rappelvoll. Feriengäste suchen inmitten des Trubels oft lange nach einem Sitzplatz in einem Lokal. Doch dazwischen findet sich ein kleiner Ruhepol: „Betriebsferien“ steht hier unter der abgeschalteten Leuchtreklame für das „Brazilia Café“ an der Seepromenade 13. Betriebsferien in der Höchstsaison? Wer kann sich das erlauben? Andere müssen damit bis zum Winter warten.
Die Suche nach den Öffnungszeiten im Internet fördert Überraschendes zutage. „Tolles Café in bester Lage direkt am Ufer des Bodensee. Tolle Gerichte und ein super freundliches Personal, schnell und humorvoll...“, ist auf der Internet-Plattform Tripadvisor zu lesen. Der aktuellste Kommentar stammt von ‚Kassiopeia 1902‘ im August 2021 und verheißt Genuss: „Bei traumhaftem Wetter haben wir in der ersten Reihe mit Seeblick einen Eiskaffee genossen. Der Service war schnell, freundlich und hatte einen flotten Spruch auf den Lippen. Für eine kleine Kaffeepause in unseren Augen perfekt.“ Die Öffnungszeiten seien angeblich von 9 bis 23 Uhr. Wer die angegebene Telefonnummer wählt, erfährt, dass diese „nicht vergeben“ sei.
Betriebsferien dauern schon rund drei Jahre
Wer den Eintrag für „Brazilia Café“ auf dem Portal Restaurant-Guru aufruft, der liest zumindest „temporarily closed“. Doch was heißt hier zeitweise geschlossen? Die Betriebsferien dauern hier schließlich schon ein Jahr, zwei Jahre,... Lediglich eine Ferienwohnung ist hier ausgeschildert. Was ist da los? Es liegt fast zwölf Jahre zurück, dass die Immobilie Schlagzeilen machte. „Ein Scheich wird Cafétier“, war landauf, landab zu lesen.
„Am 20. Oktober öffnet das ‚Brazilia Café‘ an der Überlinger Promenade die Pforten für seine Gäste. Mit Kaffee von der eigenen Plantage aus Brasilien, eigener Rösterei und einem Servicekonzept, das keine Wünsche offen lässt, werden die Gäste auf brasilianische Art verwöhnt.“ Nicht nur der Allgemeinen Hotel- und Gaststättenzeitung (AHGZ) konnte man derlei Ankündigungen entnehmen.
Café gehört einem Scheich
Als „Ideengeber und Investor“ wird Sheikh Fahd Al-Athel aus Riad in Saudi-Arabien genannt, der das Projekt mit seiner FAL Group unterstütze. Der Bezug zu Brasilien entstamme der Liebe zu diesem Land und dessen Lebenskultur. In einer gesunden Umgebung solle sich der Einzelne wieder auf sich selbst besinnen und einfach genießen.
Ja, in Überlingen entstehe die erste von über 100 weltweit projektierten Filialen, die für die kommenden Jahre geplant seien, hieß es 2012. Genannt werden „unter anderem regionale Standorte in Lindau und Friedrichshafen, aber auch in Nord- und Südamerika, der Türkei und Saudi-Arabien“. In Überlingen scheint eher der zitierte „große Wunsch der Mitarbeiter“ Realität geworden, „in der heutigen gestressten Zeit einen Ruhepol für alle zu schaffen“.
Gebäude wechselt mehrfach den Besitzer
Doch von vorn: Auf dem privilegierten Grundstück stand einmal das „Hotel Walter“, das zuletzt als „Hotel Promenade“ firmierte. Nach dessen Abriss entstand 2011 der heutige Neubau mit der Gastronomie im Erdgeschoss und vier Wohnungen darüber. Immobilienmaklerin Ruth Blarr war damals mit dem Verkauf des Teileigentums beauftragt und erwarb am Ende selbst das Café. Sie vermietete das Café mit einem Zehn-Jahres-Vertrag an Sheikh Fahd Al-Athel als Betreiber, der mit seinen Geschäftsführern allerdings wohl kein großes Glück hatte.
Den zweiten Versuch mit einem „Brazilia Café“ habe der Scheich tatsächlich in der Nähe des Bankenviertels von Manhattan gestartet, musste ihn allerdings noch schneller beenden als das Überlinger Vorhaben, weiß Ruth Blarr. Das ganze ambitionierte Projekt einer weltweiten Kette sei inzwischen „eingestampft“, sagt sie.
Der Scheich bleibt unerreichbar
Inzwischen ist das Überlinger „Brazilia Café“ seit mehr als drei Jahren geschlossen. Das passte Eigentümerin Ruth Blarr nun gar nicht. Deshalb kündigte sie den Mietvertrag nach Ablauf der Zehnjahresfrist im Jahr 2022 und wollte selbst einen geeigneten Betreiber suchen. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Scheich gemacht. Der bot ihr einen attraktiven Kaufpreis, wie Blarr sagt: „Da konnte ich nicht Nein sagen.“ An den Dauer-Betriebsferien hat das bislang allerdings nichts geändert.
Sheikh Fahd Al-Athel ist nach Aussagen Blarrs inzwischen auch Eigentümer einer der darüber liegenden Wohnungen und hat zwei weitere von Überlinger Eigentümern angemietet. Dem Augenschein nach scheinen auch diese drei Wohnungen „mit arabischer Ausstattung“, wie Blarr sagt, so gut wie nicht genutzt zu werden. Lediglich die vierte Wohnung werde von einem anderen Eigentümer als Ferienwohnung vermietet. Mit Sheikh Fahd Al-Athel Kontakt aufzunehmen, scheint inzwischen alles andere als einfach zu sein. „Der Scheich reagiert einfach nicht“, sagt Ruth Blarr. Auch auf eine SÜDKURIER-Anfrage gab es keine Antwort vom Eigentümer.