Wer mit der Landesgartenschau (LGS) in Überlingen nur Blumen, Beete und Bühnenereignisse verbindet, verpasst etwas. Das Land nutzt als größter Geldgeber der LGS auch die Gelegenheit, mit einer Ausstellung seine Potenziale zu demonstrieren. Die Themen „Pfähle, Mauern und Kakteen“ haben alle ihren Platz in Überlingens Geschichte und Gegenwart und wurden vom Landesamt für Denkmalpflege multimedial und professionell im ehemaligen Gefängnis aufbereitet.

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Vorderseite: So sieht das Tor von der Turmgasse aus. Hier haben nur Narren Zutritt.
Vorderseite: So sieht das Tor von der Turmgasse aus. Hier haben nur Narren Zutritt. | Bild: Sabine Busse

„Der Name soll neugierig machen“, sagt Beata Hertlein. „Wir wollen immer einen Mehrwert für die Gartenschaubesucher bieten und das Programm bereichern.“ Die Innenarchitektin und Historikerin hat die Ausstellung konzipiert und viel Wert darauf gelegt, die in den Molassefelsen gebaute „Gruft“ optimal zu nutzen.

Rückseite: Die Treppe zum Tor auf die Turmgasse dient als Zeittafel.
Rückseite: Die Treppe zum Tor auf die Turmgasse dient als Zeittafel. | Bild: Sabine Busse

Heute Zunftstube der Narren, früher Gefängnis

Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten hatte sich im Vorfeld als schwierig entpuppt, weil ein historisches Gebäude gesucht wurde, das barrierefrei bespielt werden kann und nahe der Attraktionen der LGS liegt. Alle diese Kriterien erfüllt der Gebäudekomplex zwischen Grabenstraße und Turmgasse. Hier ist heute die Zunftstube der Narrenzunft Überlingen beheimatet und außer an der Fastnacht haben nur die Mitglieder Zutritt.

Weniger beliebt dürfte das Haus in seiner Zeit als Gefängnis gewesen sein, die bis ins 19. Jahrhundert reichte. Die Ausstellung ist also eine gute Gelegenheit, einmal die sonst verschlossenen Räumlichkeiten zu erkunden.

Im zweiten Bereich der Ausstellung „Mauern, Pfähle und Kakteen“ geht es um Funde im Bodensee. Das Modell eines Tauchers ...
Im zweiten Bereich der Ausstellung „Mauern, Pfähle und Kakteen“ geht es um Funde im Bodensee. Das Modell eines Tauchers vermittelt anschaulich, dass Archäologie auch unter Wasser stattfindet. | Bild: Sabine Busse

Jedes Thema wird mit einem großen Foto eingeleitet

Beata Hertlein leitet die drei Themen jeweils mit einem großen Foto ein. So wartet hinter dem Eingang ein Bild mit lebensgroßen Kakteen auf die Besucher. Daneben geben drei übersichtlich gestaltete Tafeln Auskunft darüber, wie in Überlingen Gärten einst als wichtiger Baustein für die Versorgung der Bevölkerung fungierten. Schon im Mittelalter dienten die Menzinger Gärten der Selbstversorgung – nicht nur in Notzeiten.

Beata Hertlein vom Landesamt für Denkmalpflege hat die Ausstellung konzipiert.
Beata Hertlein vom Landesamt für Denkmalpflege hat die Ausstellung konzipiert. | Bild: Sabine Busse

Mit der wachsenden Bedeutung des Fremdenverkehrs entwickelte sich die Gartenkultur. Den Anfang machte der Badgarten. „Um das Flanieren zu ermöglichen, wurden Festungsgräben zu Fußwegen“, beschreibt Beata Hertlein. Außerdem wurde für die bequemere Anreise der Touristen die Eisenbahnlinie gebaut, was die Ingenieure wegen des Überlinger Reliefs vor Herausforderungen stellte. Beim Bau des Bahnhofs im Jahr 1900 grub man sich im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Die Überlinger Heilquelle fiel trocken und der Kurort war um eine Attraktion ärmer.

Archäologische Funde aus dem Bodensee

Heute ist der See wichtigster Magnet für die Besucher. Für die Erbauer der Pfahlbauten vor 6000 Jahren bot er vor allem Nahrung und diente als Verkehrsweg. In das Thema führt ein schwebender Taucher als eindrucksvoller Hingucker ein. Darunter liegt eine Fläche mit Stelen, die archäologische Funde aus dem Bodensee zeigen. Zu sehen ist zum Beispiel Schmuck aus Uhldingen oder Steinzeitkaugummi, wie Beata Hertlein es nennt. Ob der Birkenteer, den man mit Abdrücken von Zähnen gefunden hat, damals zur Entspannung gekaut wurde oder um ihn mit Speichel plastisch und bereit für den Einsatz als Werkstoff zu machen, sei unklar.

Die Bilder auf den Stelen zeigen, was Forscher alles aus dem Bodensee an kostbaren und interessanten Fundstücken geholt haben.
Die Bilder auf den Stelen zeigen, was Forscher alles aus dem Bodensee an kostbaren und interessanten Fundstücken geholt haben. | Bild: Sabine Busse

Weitere Tafeln informieren beispielsweise über die Arbeit der Unterwasser-Archäologie und wo überall Reste von Pfahlbau-Siedlungen im Alpenraum gefunden wurden. Sie sind seit 2011 als transnationale Welterbestätten der Unesco besonders geschützt.

Auch das Gebäude selbst wird als Kulisse einbezogen

„Ich spiele mit Durchblicken, Ausblicken und Einblicken“, sagt Beata Hertlein. Was sie meint, wird beim Übergang zum Thema „Mauern“ besonders deutlich. Ein Torbogen des in den Molassefelsen gebauten Kellers gibt den Blick auf das beleuchtete Foto des St.-Johann-Turms mit Resten der Stadtmauer frei.

Die Räumlichkeiten des ehemaligen Gefängnisses sind selber Teil der Ausstellung. Altes Gemäuer, der Molassefelsen und geschickt ...
Die Räumlichkeiten des ehemaligen Gefängnisses sind selber Teil der Ausstellung. Altes Gemäuer, der Molassefelsen und geschickt angebrachte Fotos bieten Ein- und Ausblicke. | Bild: Sabine Busse

Die letzten Tafeln informieren über die Beschaffenheit des Molassegesteins, die Stadtbefestigung oder den Rosenobelturm. Dieser, oder besser sein Rondell, ist Teil des Ausstellungsbereichs der LGS und wurde vorab restauriert. Dabei entdeckte man, dass er in der Mitte einen Abzug oder Kamin hat, durch den der Pulverdampf entweichen konnte. Heute ist die neu gestaltete Plattform ein besonderer Aussichtspunkt – nicht nur während der Landesgartenschau. Die Tage der offenen Tür im ehemaligen Gefängnis hingegen enden Mitte Oktober.