Die Diskussion um den Schulentwicklungsplan, der insbesondere die Realschule ins Visier nimmt, ist um eine Stellungnahme der Stadtverwaltung reicher. Das Rathaus spricht von einer „Richtigstellung“, die im SÜDKURIER veröffentlicht werden solle.

In ihr reagierte das Pressebüro von Oberbürgermeister Jan Zeitler auf Kritik, wonach das Rathaus die Schulleitungen erst auf den letzten Metern in die Details eingebunden habe. Das stimme nicht, schreibt Rathaus-Sprecherin Andrea Winkler. Stattdessen wiederholte die Verwaltung ihre Kritik am hohen Anteil auswärtiger Schüler.

Doch, die Kritik sei berechtigt und müsse nicht korrigiert werden, finden Karin Broszat, Realschulrektorin, sowie Carmen Kindler, Geschäftsführende Schulleiterin von Überlingen. Broszat: „Wenn Schulleitungen in Überlingen buchstäblich auf der Straße von solch tiefgreifenden Veränderungsplänen der Verwaltung erfahren, ist das ein kommunikatives Desaster und hat nicht im Geringsten etwas mit Transparenz, geschweige denn Wertschätzung unserer Arbeit an den Schulen zu tun.“

„Offenbar war genau das zunächst geplant: Den Plan vor der Sommerpause durchzupeitschen und die betroffenen Schulen erst auf den letzten Metern im Detail einzubinden.“
SÜDKURIER vom 7. Juli 2022
„Hierzu stellen wir fest, dass die Schulleitungen der Überlinger Schulen frühzeitig in den Prozess der Schulentwicklung eingebunden waren.“
Stadtverwaltung am 8. Juli 2022
„Wenn Schulleitungen in Überlingen buchstäblich auf der Straße von solch tiefgreifenden Veränderungsplänen der Verwaltung erfahren, ist das ein kommunikatives Desaster.“
Realschulrektorin Broszat am 11. Juli 2022

Nachbargemeinden sollen Sanierung mitbezahlen

Auslöser der Debatte waren die Überlegungen innerhalb der Stadtverwaltung, die Realschule von vier bis fünf auf maximal drei Züge zu verkleinern. Zudem könne die Gemeinschaftsschule (bisher Wiestor) in das Gebäude der Realschule integriert werden. Das hätte zur Folge, dass auswärtige Schüler abgewiesen werden müssten. Deren Gemeinden, so die Feststellung der Stadt Überlingen, würden sich weigern, ihren Anteil an den Kosten zur Schulbausanierung zu tragen.

Das Bild visualisiert: Alle mit weißem T-Shirt sind aus Überlingen, die anderen, mit bunten T-Shirts, sind Einpendler.
Das Bild visualisiert: Alle mit weißem T-Shirt sind aus Überlingen, die anderen, mit bunten T-Shirts, sind Einpendler. | Bild: Simeon Blaesi

Die Realschule sei laut Schulgesetz für den westlichen Bodenseekreis zuständig. Warum sie Schüler aus anderen Landkreisen und Regierungsbezirken aufnimmt, „entzieht sich unserer Kenntnis“, so die städtische Pressestelle.

Eltern und Schulleitung waren von den Vorschlägen der Stadt, die am Dienstag, 12. Juli in den Gemeinderat eingebracht werden, überrascht. Es wurde kritisiert, dass der juristische Streit mit den Nachbargemeinden auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen würde. Zudem, so die Kritik an die Adresse des Rathauses, sei man zu spät in den Prozess eingebunden worden.

Stadt fordert im SÜDKURIER eine „Richtigstellung“

Die Stadtverwaltung reagierte nun auf die im Bericht vom 7. Juli geäußerte Kritik mit einer „Richtigstellung“, wie es in der Betreffzeile hieß. In einer E-Mail an die SÜDKURIER-Redaktion betont die Sprecherin von Oberbürgermeister Jan Zeitler, dass die Schulen „mehrfach“ und „frühzeitig“ die Möglichkeit gehabt hätten, ihren Standpunkt einzubringen. Als Beispiele werden „erste Gespräche mit der Schulleitung der Realschule“ genannt, die „bereits vor vielen Monaten“ stattgefunden hätten. Im März seien Fragen der Schule zur Flächenberechnung beantwortet worden. Am 4. April sei den Schulleitungen die Option zur Zügigkeit „im Detail“ erläutert worden. Am 3. Juni habe im Rathaus ein Austausch zwischen OB Zeitler und den Schulleitungen stattgefunden. Und Ende Juni sei den Schulen die Möglichkeit offeriert worden, „nochmals“ schriftlich Stellung zu beziehen.

Kindler: Thema war seit 2018 vom Tisch

Fühlten sie sich denn nun rechtzeitig in den Prozess eingebunden, wie von der Stadt dargestellt, oder eben doch nicht? Broszat und Kindler sind eindeutig in ihrer Wahrnehmung. Mit dieser Liste ziehe sich die Stadt „auf die vermeintlich formal korrekt durchgeführte Vorgehensweise zurück“, so Kindler. Das Thema Umsiedlung der Wiestor- an die Realschule sei längst vom Tisch gewesen. Ja, 2018 hätten Gespräche stattgefunden. Die Wiestor- als auch die benachbarte Förderschule Franz-Sales-Wocheler, die ihrerseits eng kooperieren, hätten den Überlegungen Zeitlers aber damals schon eine klare Absage erteilt. Kindler: „Seither wurde diese Thematik öffentlich oder zumindest transparent gegenüber Schulleitungen nicht mehr geäußert.“

Karin Broszat wiederholt ihre Kritik und lässt eine „Richtigstellung“, wie sie das Rathaus in dieser Sache fordert, nicht zu. Das letzte Gespräch zur Zügigkeit der Realschule habe sie mit Jan Zeitler vor dem Bau des neuen Sportzentrums geführt. „Mit klarem Bekenntnis des Oberbürgermeisters zur Vier- und Fünfzügigkeit von Realschule und Gymnasium. Genau unter diesen Voraussetzungen wurde dann auch die neue Sporthalle auf dem Campus gebaut.“

Im April 2022 wurden die Schulleiter „stutzig“

Als die Realschule im Zuge der Fortschreibung des Schulentwicklungsplans von der Mitarbeiterin eines externen Büros im Frühjahr 2022 besucht wurde, sei es ganz allgemein um die Raumnutzung gegangen. „Weiter nichts.“ Erst in der besagten Sitzung mit den Schulleitern Anfang April seien ihnen die Raumpläne vorgestellt worden, „die uns stutzig machten“, so Broszat. „Die Vier- und Fünfzügigkeit von Gymnasium und Realschule wurde plötzlich in Frage gestellt.“ Auf ihre Nachfragen hätten sie aber „unvollständige Antworten“ erhalten. Sie sollten Stellungnahmen zur Drei- und Vierzügigkeit schreiben „nichts sonst“.

Und so suchte Broszat von sich aus politische Gespräche mit den Ratsfraktionen. Dabei habe sie dann eher zufällig von den Plänen der Verwaltung erfahren, die Gemeinschaftsschule räumlich zu integrieren.

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Zum Eklat muss es bei der festlichen Eröffnung des neuen Sportzentrums gekommen sein, am 15. Mai, als unter Vermittlung von Regierungspräsident Klaus Tappeser ein Gespräch zwischen Rathausspitze und Rektoren stattfand. Zeitler sei „ziemlich genervt“ davon gewesen, berichten Besucher der Veranstaltung, als ihn Tappeser zu dem Gespräch zu motivieren versuchte.

Broszat beschreibt es so: „Bei der Halleneröffnung forderten die Schulleitungen in Anwesenheit des Regierungspräsidenten ein Gespräch mit dem OB, was dann endlich am letzten Schultag vor den Pfingstferien stattfand.“ Gemeint ist die in er oben genannten Liste der Stadt auf den 3. Juni datierte Runde, die Broszat so zusammenfasst: „Hier hörten wir zum ersten Mal offiziell von den Plänen der Verwaltung. Sowohl das Vorhaben in Richtung Dreizügigkeit als auch das des Umzugs der Gemeinschaftsschule in die Realschule wurden hier erstmalig bestätigt.“

Broszat: Jede Aufnahme auswärtiger Schüler ist begründet

Grundsätzlich stellt Broszat fest, dass jede einzelne Aufnahme, auch von Schülern außerhalb des originären Einzugsgebiets, pädagogisch begründet sei. Zum Beispiel in Fällen von Mobbing an der eigentlichen Schule, oder nach einem anderen nachvollziehbaren Schulwechsel.

Von einer Verkleinerung und Zusammenlegung hätten sie jedenfalls „die längste Zeit nichts gewusst“, und von der Verwaltung seien „keine Hinweise“ gekommen. Broszat: „Wiederholte Nachfragen unsererseits wurden nicht beantwortet. Als Realschule setzen wir stets auf konkrete Aussagen, Telefonate, offene Gespräche und Schriftverkehr. Nichts davon hat stattgefunden.“

Kindler schlägt externe Moderation vor

Carmen Kindler, die Geschäftsführende Schulleiterin, geht einen Schritt über das aktuelle Thema hinaus. Sie schlägt mittelfristig die Beauftragung eines externen Moderators vor, der helfen könne, einen wertschätzenden Umgang herzustellen, als Grundlage dafür, dass Veränderungsprozesse aus einer gemeinsamen Perspektive angegangen werden. Noch zu unterschiedlich seien die Blickwinkel von Schulträger (Stadt) und Schulleitungen, macht sie in einer Stellungnahme deutlich.