Sollte doch ein Baum auf die Eisenbahnschienen fallen, würde Holzfäller Marc-André Schmidt eine Notfallnummer wählen und versuchen, die Züge auf der Bodenseegürtelbahn in letzter Minute zu stoppen. „Ich habe diese Nummer, musste sie aber noch nie anrufen“, sagt der Forstwirt aus Überlingen, der Erfahrung mit dem Fällen von Bäumen entlang der Bahnlinien hat. Jetzt gerade fällt er eine 35 Meter hohe Douglasie, erst die Krone, dann den unteren Teil des Baums. Er legt ihn mit seinem hydraulischen Greifarm präzise neben den Gleisen ab. Die Züge fahren an ihm vorüber, als sei alles ganz normal.

Baumfällung am Bahndamm Video: Hilser, Stefan

Schmidt ist auf spezielle Baumfällungen spezialisiert. Die Stadt Überlingen erteilte ihm einen Auftrag in Nußdorf. Dort stehen die Douglasien direkt an der Bodenseegürtelbahn. Sie müssen aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Die Deutsche Bahn (DB) hatte die Stadt dazu angewiesen. Während Schmidt sägt, bremsen die Züge ihr Tempo nicht, sie warten wegen ihm auch nicht im Bahnhof. Alles läuft weiter im Normalbetrieb. Das sieht riskant aus, Schmidt wirkt aber routiniert und entspannt.

Baumfällarbeiten an der Bahnlinie bei Nußdorf.
Baumfällarbeiten an der Bahnlinie bei Nußdorf. | Bild: Hilser, Stefan

Vom Klimawandel besonders betroffen

Der beschriebene Abschnitt in Nußdorf ist nur etwa 100 Meter, das komplette Streckennetz der Deutschen Bahn aber laut DB 33.400 Kilometer lang. Stürme und Starkregen kommen wegen des Klimawandels immer häufiger vor, und so steigt für die Bahn der Aufwand, die Schienen zu schützen. Am 2. Januar knickten bei einem Sturm Bäume entlang der Bodenseegürtelbahn zwischen Überlingen und Uhldingen-Mühlhofen um. Verletzt wurde niemand, die Strecke war aber stundenlang blockiert. Das Potsdamer-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) habe der DB bescheinigt, so eine Unternehmenssprecherin, dass sie von den Folgen des Klimawandels so stark betroffen sei „wie wohl kein anderes großes Unternehmen in Deutschland“.

Während Schmidt sägt, fährt ein Zug vorbei.
Während Schmidt sägt, fährt ein Zug vorbei. | Bild: Hilser, Stefan

Rechtlicher Hintergrund

Robustere Infrastruktur

„Für eine sturmsichere Schiene hat die Deutsche Bahn auch die Pflege von Bäumen und Sträuchern entlang des rund 33.400 Kilometer langen Streckennetzes deutlich erweitert“, teilte die Bahn-Sprecherin dem SÜDKURIER mit. „Seit 2018 setzen wir mehr Expertise, mehr Geld und mehr Personal ein, um den Bewuchs am Gleis noch besser zu kontrollieren.“ Es werde allerdings auch künftig Wetterextreme geben, „bei denen die Bahn trotz aller Vorbereitungen nicht völlig außen vor ist“, dämpfte die Pressesprecherin die Erwartungen.

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Die Zahl vegetationsbedingter Störungen durch umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste ist nach Angaben der Deutschen Bahn im Zeitraum 2019 bis 2023 jährlich um durchschnittlich etwa 550 gestiegen. „Die Gründe liegen in den klimatischen Entwicklungen: Zunehmend intensivere Stürme – auch im Sommer, Trockenheit und Starkregenereignisse tragen dazu bei, dass häufiger auch gesunde Bäume geschädigt werden oder umstürzen.“

Baum fällt neben die Gleise. Video: Martina Linhard

Anwohnerin bedauert Baumfällung

Martina Linhard wohnt in einem Haus direkt am Bahndamm in Nußdorf. Sie ist von der Präzision und der Arbeit, die Marc-André Schmidt verrichtet, fasziniert. Sie filmt mit ihrem Handy, wie ein Baumstamm neben den Gleisen zu Boden fällt. Seit 15 Jahren wohnt sie an der Bahnlinie und beobachtete, wie die Böschung im Lauf der Jahre zugewachsen ist. Sie äußert Verständnis dafür, dass der Rückschnitt aus Sicherheitsgründen nötig ist, bedauert aber das Fehlen der Bäume. „Sie haben den Lärm abgehalten.“