Ein junger Mann mit einer tiefen Schnittwunde am Finger sitzt neben einer älteren Dame, die seit zwei Tagen Migräne hat. Die Stimmung ist angespannt, denn beide haben Schmerzen. Dann öffnet sich die Tür. Eltern mit ihrem kleinen Kind kommen in den Raum. Der Vierjährige weint bitterlich, er hat sich auf dem Spielplatz den Fuß verstaucht. Währenddessen kommt unter Blaulicht und Sirene ein Krankenwagen an. Ein Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt wird eingeliefert.

50 bis 70 Patienten pro Tag in der Notaufnahme

Solche Szenen gehören zum Alltag in der Notaufnahme im Helios Spital in Überlingen. Hier werden täglich etwa 50 bis 70 Fälle behandelt. „Zu uns kommen Patienten mit orthopädischem Trauma nach Autounfällen oder Fahrradstürzen, aber auch Patienten mit Schürfwunden, Prellungen und allergischen Reaktionen bis hin zu Herzinfarkten“, zählt Marco Dias Cruz auf. Der 44-Jährige ist ärztlicher Leiter der Notaufnahme im Helios Spital.

Pflegerin Adelina Ilgün und Arzt Marco Dias Cruz nehmen das EKG einer Patientin in der Notaufnahme im Helios Spital unter die Lupe.
Pflegerin Adelina Ilgün und Arzt Marco Dias Cruz nehmen das EKG einer Patientin in der Notaufnahme im Helios Spital unter die Lupe. | Bild: Mona Lippisch

Wie Cruz berichtet, kommen häufig mehrere Patienten gleichzeitig mit ihren Notfällen ins Klinikum. Wer dann als erstes untersucht wird, wird mithilfe eines Triage-Systems entschieden. „Jeder Mensch, der zu uns kommt, ist für sich selbst ein Notfall. Wir triagieren dann nach Priorität“, erklärt der Arzt.

Patienten werden in Kategorien von grün bis rot eingeteilt

Hierbei werden die Patienten in unterschiedliche Kategorien eingeteilt: grün, gelb, orange und rot. Nach diesen Kategorien richtet sich dann auch die Wartezeit. Wie die Pflegeleitung der Notaufnahme, Adelina Ilgün, erklärt, habe ein Patient in der Rubrik grün eine relativ reduzierte Priorität. „Das können Menschen sein, die wegen kleineren Schnittwunden zu uns kommen oder wegen eines Zeckenbisses. Hier ist eine Wartezeit von mindestens 30 Minuten bis zu mehreren Stunden normal“, berichtet Ilgün.

Symptome, die in die Kategorie gelb fallen, sind zwar nicht lebensgefährlich, aber mit anhaltenden Schmerzen verbunden – beispielsweise, wenn Patienten unter Migräne leiden oder Fieber haben. Hier müssten in der Regel eine Wartezeit von etwa 30 Minuten einplanen. „In die Rubrik orange fallen dann schon sehr dringende und zeitkritische Fälle, die nicht länger als zehn Minuten warten dürfen“, erklärt Pflegeleiterin Ilgün.

Hier sei auch der Kontakt zu einem Arzt zwingend erforderlich. Beispielhafte Fälle seien Brustschmerzen und Atemnot. Auf der Triage-Skala ganz oben stehen die roten Fälle, bei denen sofort Handlungsbedarf besteht. „Wenn der Kreislauf instabil ist oder wiederbelebt werden muss“, betont Adelina Ilgün und ergänzt: „Jeder Patient, der im Schockraum landet, gehört automatisch in diese Kategorie.“ Ein Schockraum ist ein spezieller Behandlungsraum, in dem die Erstversorgung schwerverletzter und lebensgefährlich verletzter Patienten stattfindet.

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Häufig herrscht Unverständnis über Wartezeit

Für die Ärzte und Pfleger der Notaufnahme ist es also schlüssig, nach welchem Prinzip die Patienten untersucht werden. Für die Menschen, die als Notfall ins Helios Spital kommen, häufig jedoch nicht. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen gemeckert wird oder Unverständnis darüber herrscht, weshalb ein Patient früher dran kommt als der andere“, weiß Marco Dias Cruz.

Um mehr Verständnis zu schaffen und die Patienten im Wartebereich der Notaufnahme zu informieren, läuft dort deswegen seit kurzer Zeit ein Erklärvideo. Darin zu sehen ist die Funktion des Triage-Systems. Zusätzlich bekommen die Patienten ein Armbändchen mit der jeweiligen Farbe, damit sie wissen, zu welcher Kategorie sie gehören.

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System soll Wartezeit verkürzen und Verständnis schaffen

Außerdem werden kleine Vibrationsplatten verteilt, wie sie aus manchen Schnellrestaurants bekannt sind. Die Platten vibrieren, sobald der Patient an der Reihe ist. „Das System wird gerade nach und nach eingeführt. Es soll die Wartezeit verkürzen und Verständnis schaffen“, erklärt Pflegerin Adelina Ilgün.

Auch, wenn es an manchen Tagen stressig ist, arbeitet die 26-Jährige gerne in der Notaufnahme. „Wir sind ein junges und dynamisches Team und haben alle Freude an der Arbeit. Dadurch macht uns der stressige Alltag nichts“, sagt sie und lächelt zufrieden. Für Marco Dias Cruz ist es die „Detektivarbeit“, die er an der Station so gerne mag. „Wir haben nur das, was der Patient uns erzählt und müssen so schnell und so gut wie möglich diagnostizieren“, sagt der Arzt und ergänzt: „Genau das ist das Spannende an der Notaufnahme.“