Er spricht über die Lebensräume von Flussregenpfeifern, Gelbbauchunken und Uferschwalben, als wolle er Staatssekretär im Umweltministerium werden. Dabei ist Thomas Beißwenger in Baden-Württemberg Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden (ISTE) und beschäftigt sich in erster Linie mit der Rohstoffgewinnung und Rohstoffsicherung. Doch Beißwenger ist auch Diplombiologe und weiß um die komplexen Zusammenhänge in Abbaustätten. Diese können unter Umständen schon während oder nach der Nutzung und Rekultivierung interessante Biotope und Nischen sogar für seltene Arten bieten. Nicht dass dies ein Argument für neue Kiesgruben wäre.

Thomas Beißwenger ist in Baden-Württemberg Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden (ISTE) und Diplom-Biologe.
Thomas Beißwenger ist in Baden-Württemberg Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden (ISTE) und Diplom-Biologe. | Bild: Hanspeter Walter

Doch zum Verständnis für das facettenreiche Thema wollte der Verband bei einem Podium im Uferpark der Landesgartenschau in Überlingen beitragen. In einem Gespräch mit Oliver Mohr von der Firma Meichle & Mohr aus Immenstaad und dem örtlichen Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Grüne) war der Bogen zum eben beschlossenen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben und den Protesten dagegen schnell geschlagen.

Pro Stunde ein Kilo Steinmaterial pro Person

Den Bedarf an mineralischen Rohstoffen und die bisweilen nicht bedachten Einsatzgebiete – vom Glas bis zur Zahnpasta – machte ein Film des Verbands deutlich. Dessen Titel war zugleich das Fazit: Pro Person wird derzeit pro Stunde ein Kilogramm an Steinmaterial benötigt, sei es für Bahntrassen, Straßen oder Gebäude. „Das ist der mengenmäßig größte Materialverbrauch nach dem Wasser“, sagt Thomas Beißwenger. Dem stehe in Baden-Württemberg eine relativ kleine Gesamtfläche der Abbaustätten gegenüber. Für einen Zeitraum von 50 Jahren würden gerade mal 0,2 Prozent der Landesfläche benötigt. Umgerechnet sei dies eine „ziemlich kleine Zahl“. Zudem würden die Flächen zu einem beträchtlichen Anteil nach der temporären Nutzung wieder rekultiviert.

„Alles nicht so wild“, könnte man angesichts der Argumente und Zahlen sagen, kommentiert Moderator Joachim Mahrholdt die Aussagen: „Doch in Oberschwaben brennt die Hütte.“ Die Proteste gegen den eben verabschiedeten Regionalplan seien bemerkenswert. „Da werden Baumhäuser gebaut und Autobahnen blockiert.“ Wie es dazu kommen könne, fragt er.

Das könnte Sie auch interessieren

Eine „schwierige Debatte“ nennt dies Landtagsabgeordneter Martin Hahn. Der ganze Prozess zum Regionalplan sei aus seiner Sicht nicht transparent genug gewesen und zu schlecht kommuniziert worden. „Das hat viele Menschen aufgebracht“, sagt Hahn, der seine Kritik am Gesamtplan kürzlich gemeinsam mit den drei Kolleginnen und Kollegen aus der Partei formuliert hatte. Den Konflikt um die Rohstoffgewinnung sieht Hahn als „Kollateralschaden“. Der Rohstoffabbau sei erforderlich. „Wir müssen als Gesellschaft Verantwortung zeigen für unser Leben,“ betont Hahn: „Was sein muss, muss sein.“

Das Geo-Mobil wird zum Kino: Ein Film beschreibt kurzweilig und auf humorvolle Weise die verschiedenen Einsatzgebiete der mineralischen ...
Das Geo-Mobil wird zum Kino: Ein Film beschreibt kurzweilig und auf humorvolle Weise die verschiedenen Einsatzgebiete der mineralischen Rohstoffe. | Bild: Hanspeter Walter

Auch Holz als alternativer Baustoff könne nicht so schnell nachwachsen, wie man es brauche. Deshalb sei die regionale Rohstoffgewinnung wichtig, betont der Abgeordnete: „Allerdings schwingt bei den Kritikern stets die Angst vor dem Export mit.“ Thematisieren will Hahn diese Problematik am Montag, 12. Juli, mit einer Online-Diskussion mit Verbandsgeschäftsführer Beißwenger. Der sieht die Exportquote in die Schweiz und Österreich bei 8 bis 10 Prozent. Richtig sei, dass Vorarlberg seine eigenen Rohstoffe nicht nutze und sie lieber aus Deutschland importiere. „Das ist ein sehr komplexes Thema“, erklärt Martin Hahn: „Was da passiert, können viele nicht ganz verstehen.“

„Wir müssen Maß halten, aber auch sichern“

Auch Oliver Mohr als Nutzer der Abbaustätten spricht von dem gesetzlich verankerten Individuenschutz bei Tierpopulationen und beweist, dass er über die Baggerschaufel hinausblickt. Er weiß, welche Amphibien selbst die Fahrspuren in den Kies- und Tongruben gerne nutzen. Doch die Rohstoffe seien nicht ersetzbar und sinnvoll sei es, wenn sie in der Region gewonnen und nur über möglichst kurze Distanzen transportiert werden müssten. „Wir müssen Maß halten, aber auch sichern“, erklärt Mohr, dem die Nutzungskonflikte durchaus bewusst sind. Bei den aktuellen Proteste in Oberschwaben seien die Kritiker von wenigen unzufriedenen Anwohnern erst mobilisiert worden.

Um Argumente auszutauschen, habe er sich bei den verantwortlichen Baumbesetzern im Altdorfer Wald angemeldet und deren Beweggründe zu sondieren versucht, sagt Thomas Beißwenger auf Nachfrage des Moderators. Schließlich habe er als Biologe sein ganzes Berufsleben „damit verbracht, einen Ausgleich zu suchen zwischen Ökonomie und Ökologie“. Zudem sehe auch er Klimaschutz und CO2-Reduktion derzeit als primäre Aufgabe. Allerdings habe er lediglich mit wenigen sprechen können, deren Position sicher nicht repräsentativ sei, sagt Beißwenger, ohne inhaltlich darauf einzugehen.

Das könnte Sie auch interessieren